Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

38 | PRAXIS INTERVIEW MIT DER SYRISCHEN ZAHNÄRZTIN HANAN FAOUR ÜBER DEUTSCHE REDENSARTEN „Den inneren Schweinehund mag ich am liebsten“ Auf ihren ersten Arbeitstag fühlte sich Hanan Faour eigentlich gut vorbereitet. Womit sie nicht gerechnet hatte, waren die deutschen Redewendungen. Ein Gespräch über die kuriosen Feinheiten der deutschen Sprache und das Gefühl, plötzlich nur noch eins zu verstehen: Bahnhof. Frau Faour, Sie hatten einen interessanten ersten Arbeitstag als Zahnärztin in einer deutschen Praxis. Was haben Sie erlebt? Hanan Faour: An meinem ersten Tag war ich sehr stolz, unter anderem, weil ich im Rahmen meiner Prüfungen schwierige Tests für Deutsch als Fachsprache und Deutsch als Alltagssprache bestanden hatte. Ich fühlte mich deshalb gut vorbereitet für den Kontakt mit Patientinnen und Patienten und ging zuversichtlich in die erste Behandlung. Aber dann kam es anders als erwartet? Oh ja. Meine erste Patientin war eine ältere Dame. Ich stellte mich vor und fragte, welche Beschwerden sie denn habe. Sie antwortete, dass ihr Zahnfleisch blute „wie Sau“. Ich war total irritiert und mein erster erschrockener Gedanke war: Was macht denn ein Schwein im Zahnfleisch?! Ich sah meine Kollegin fragend an und sie erklärte mir, dass die Patientin damit sagen wolle, dass es sehr stark blutet. Ich verstand und fing mit der Behandlung an. Auf einmal signalisierte die Patientin, dass ich unterbrechen soll. Als ich sie fragte, was sie brauche, sagte sie: „Ich habe einen Frosch im Hals!“ Ich war wieder ratlos. Erst das Schwein, dann ein Frosch – ich wusste nicht, was los war. Wieder half mir meine Kollegin und erklärte mir, dass die Patientin etwas zu trinken brauche. Fühlten Sie sich ein bisschen so, als würde Ihr Team Ihnen am ersten Tag einen Streich spielen wollen mit diesen seltsamen Tierbildern? Das hätte man in der Tat meinen können, denn es ging noch weiter: Bei derselben Patientin stellte sich die Frage, ob sie an einem Zahn eine neue Füllung braucht. Ich zog eine andere Zahnärztin aus dem Team zurate. Sie schaute sich alles an und sagte dann zu der Frau: „Ich glaube, wir sollten keine schlafenden Hunde wecken!" Schon wieder ein Tier im Mund, mit dem ich nichts anfangen konnte. Die Patientin wollte dann aber doch wissen, wie viel eine Füllung kosten würde. Ich nannte ihr die Kosten und ihre Reaktion war: „Das ist ja schweineteuer!" Ihr Mann, der inzwischen ins Behandlungszimmer gekommen war, antwortete: „Na ja, die Kröte müssen wir dann wohl schlucken.“ Ich war nach der Behandlung ganz durcheinander und notierte mir alle Erklärungen für die gehörten Redewendungen. Als die Patientin am nächsten Tag wiederkam, um die Behandlung fortzusetzen, versuchte ich mich selbst an einer und sagte: „Und, wie geht es dem Schweine-Zahnfleisch heute?" Das kam nicht so gut an und ich ging nach der Behandlung völlig fertig aus dem Behandlungszimmer raus. Als ich mich gerade wieder ein bisschen gesammelt hatte, sah ich den Namen meines nächsten Patienten – er hieß Kuhfuß. Die Tiere verfolgten mich! (lacht) Mittlerweile haben Sie sicherlich noch mehr Erfahrungen mit deutschen Redensarten sammeln können. Was fällt Ihnen dabei als Nicht-Muttersprachlerin auf? Man merkt dass die Deutschen ihre ganz eigene Art haben, Bilder in der Sprache einzusetzen. Mir fällt auf, dass zm113 Nr. 11, 01.06.2023, (936) Foto: Willee Cole - stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=