Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 07

52 | ZAHNMEDIZIN sensibilitäten, die Vergrößerung der Kaumuskulatur, keilförmige Defekte, Extraktionen infolge von Pulpafreilegung, die Zunahme erosiver Prozesse, der Verlust von Restaurationen (vor allem an Frontzähnen) sowie Implantatverluste und starke ästhetische Einbußen durch die verkürzten Zahnkronen. Bedeutung des Kindesalters in der Ätiopathogenese Bruxismus wird als multifaktoriell bedingt angesehen, dennoch können die Ursachen grob in externe, lokale und zentrale Faktoren unterschieden werden. Das Gewicht der lokalen Faktoren wie okklusaler Störungen ist eher gering, im Unterschied zu den zentralen Faktoren, die die Bruxismusaktivität vermutlich maßgeblich steuern [Lobbezoo und Naeije, 2001]. Der Fokus des Bruxismusproblems bei Kindern und Jugendlichen liegt bei der durch extrinsische Faktoren bedingten zentral erhöhten Aktivität. Nahezu alle in der Literatur beschriebenen Risikofaktoren weisen Angriffspunkte im Zentralnervensystem (ZNS) auf. Das geschieht zum Beispiel über Störungen der Hormon- und Transmitterkonzentrationen, durch Störungen im Tagesrhythmus, durch Reizüberflutung oder als Folge einer aktivitätsfördernden Grunderkrankung. Das können Vorerkrankungen wie ADS/ADHS oder allgemeine Entwicklungsstörungen sein, bei denen mit vermehrtem Bruxismus gerechnet werden muss [Ahmad, 1986; Souza et al., 2014]. Weil Bruxismus bei Kindern überwiegend als nächtliches Phänomen auftritt, kommt dem gestörten Schlaf eine zentrale Bedeutung zu [Castroflorio et al., 2015; Tachibana et al., 2016]. Besonders Schnarchen spielt dabei eine große Rolle [Castroflorio et al., 2017; 2015]. Kinder, die schnarchen oder sogar an Alpträumen leiden, zeigen eine höhere Tendenz für Schlafbruxismus [Alencar et al., 2017]. Andere Risikofaktoren während des Schlafes sind Lärm, Licht im Zimmer oder eine geringe Schlafdauer von weniger als acht Stunden pro Nacht. Des Weiteren können der Missbrauch von Rauschmitteln oder Medikamenten sowie das (Passiv)Rauchen oder Traumata Bruxismus verursachen. Die zentral erhöhte Aktivität kann über einen erhöhten Cortisolspiegel im Speichel der Kinder und Jugendlichen gemessen werden. Dazu kommen in der Pubertät die hormonellen Umstellungen, die mit einer erhöhten Prävalenz von Bruxismus beim männlichen Geschlecht einhergehen [Buchhardt et al., 2022]. Im Kindes- und Jugendalter können zudem Stress und psychologische Probleme wie Angst und Anspannung Auslöser für Bruxismus sein. Diese werden in Verbindung mit schlechten oralen Gewohnheiten begünstigt. Zu diesen oralen Habits zählen Nägelkauen oder das Kauen auf Gegenständen. Verstärkt wurden diese Effekte durch die ab dem Frühjahr 2020 verhängten Corona-bedingten Quarantäne- und Kontaktbeschränkungen sowie dem eingeschränkten Schul- und Kitabetrieb. Homeschooling, Homeoffice und die häusliche Betreuung der Kinder durch die Eltern führten zu zusätzlichen Belastungen, Stress und auch Schlafstörungen. Zudem verwendeten Kinder und Jugendliche öfter elektronische Geräte. All diese Faktoren begünstigten Bruxismus während der Pandemie [Lima et al., 2022]. Nicht zuletzt können auch morphologische Gegebenheiten eine ausschlaggebende Rolle in Bezug auf Bruxismus spielen. So können gewisse Zahn- und Kieferfehlstellungen Attritionen fördern, wie dies zum Beispiel beim Kopfoder Deckbiss der Fall ist (Abbildung 5), während andererseits große vertikale Abweichungen oder sagittale Stufen selten zu klinischen Bruxismuszeichen führen, weil die Zähne nicht in Okklusion stehen. Dies ist meist recht einfach zu diagnostizieren. Therapieoptionen Kausale Therapieoptionen Behandlung von Grunderkrankungen Bei Vorliegen einer Grunderkrankung, die sekundär zu Bruxismus führt, liegt es nahe, dass die Behandlung der Grunderkrankung eine Reduktion der Bruxismusaktivität verspricht. Dies ist bei Kindern und Jugendlichen mit ADHS der Fall. Eine medikamentöse Behandlung mit zum Beispiel Methylphenidat lindert sowohl die ADHSSymptome als auch die Bruxismusaktivität [Chin et al., 2018]. Dasselbe Phänomen lässt sich bei Kindern mit diagnostiziertem Asthma beobachten. Kinder mit Asthma leiden häufiger unter Bruxismus. Analog dazu reduziert eine Therapie mit geeigneten Medikamenten sowohl die Asthma- als auch die Bruxismussymptome. Allerdings ist zu beachten, dass eine dauerhafte Inhalationstherapie negative Auswirkungen auf die Mundgesundheit habenkann. Beeinflussung der Lebensumstände Die meisten Kinder mit Bruxismus sind jedoch gesund. Es muss hier unbedingt berücksichtigt werden, dass bestimmte Lebensumstände oft komplexe Ursachen für die Entstehung von Bruxismus darstellen. Instabile Familienverhältnisse, Stress, psychische Traumata, plötzliche Veränderungen der Lebenssituation können sich verstärzm114 Nr. 07, 01.04.2024, (550) Abbildung 5: Kopfbiss, Mädchen, 5 Jahre Foto: Janine Borngräber

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