Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

ZAHNÄRZTLICHE MITTEILUNGEN | WWW.ZM-ONLINE.DE Fluoriddebatte reloaded Regelmäßig müssen die Vorbehalte gegen eine Fluorid-Überdosierung bei Kleinkindern bekämpft werden – doch die Empfehlungen sind evidenzbasiert. SEITE 20 Als Chef mit Kritik umgehen (lernen) Auch die Praxisführung braucht Feedback – um zu erfahren, wo das Team und man selbst steht. Beim Umgang damit müssen Sie vorangehen. SEITE 44 Lauterbach zur Zukunft der iMVZ Der Bundesgesundheitsminister kündigt eine Einigung im parlamentarischen Verfahren an: „Sie werden zum Schluss verboten werden.“ SEITE 14 GANGRÄNÖSE STOMATITIS Von der Gingivitis zur Nekrose AUSGABE 12 | 2024 zm 16.06.2024, Nr. 12

Besuchdas minilu Wonderland am 13. & 14. September in Düsseldorf Erlebe beim dentalen Festival-Kongress alle namhaften Hersteller, exklusive Produkt-Launches und geballte Fortbildung für das gesamte Team. 4 Freu dich auf Special Guest Boris Entrup und eine tolle Party mit Nico Santos auf der Mainstage! 4 Starke Marken wie Ivoclar, Dentsply Sirona, Solventum und Omnident supporten das gesamte Jubiläum. 4 Pushe deine berufliche Zukunft mit der SRH, den Dental Angels und Ali Mahlodji! 4 Verziere zuckersüße Leckereien mit den Mädels von Super Streusel. Tickets auf www.pink15.de/festival Live on stage: Nico Santos Foto Nico Santos: Maximilian König Bis zu 16 CME

EDITORIAL | 3 Totgesagte leben länger bekommen Sie zusammengefasst in unserem Newsletter, dessen kostenloses Abo ich Ihnen wärmstens ans Herz legen kann. Denn eins ist klar, auch wenn Print nach wie vor eine sehr wichtige Rolle einnimmt, so können gedruckte Produkte ihre Stärken nur im Zusammenspiel mit anderen Kanälen ausspielen. Und nicht vergessen werden darf, dass sich die zm wie ihre Mitbewerber größtenteils durch Werbung finanziert. Die Werbekunden schauen sich genau an, welche Medien wie von wem genutzt werden. Auch da ist die aktuelle Nutzungsanalyse sehr aussagekräftig, selbst wenn sie keine einzelnen Medien aufführt. Sobald weitere Daten der Analyse veröffentlicht wurden, werden wir in einer der nächsten Ausgaben berichten. Sehr spannend ist dabei auch, dass erstmals zwischen Praxisinhaberinnen und -inhabern und angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten unterschieden wurde. Weiterhin viel Spaß bei der Lektüre der zm im Allgemeinen und bei dieser Ausgabe Sascha Rudat Chefredakteur Seitdem sich das Internet flächendeckend verbreitet hat, wird von Medienschaffenden der Tod von Print-Produkten vorausgesagt, also eben einem solchen Produkt, das Sie gerade in den Händen halten. Dass sich das Mediennutzungsverhalten der meisten von uns in den vergangenen 20 Jahren verändert hat, dürfte wohl fast jeder mit etwas Selbstbeobachtung feststellen können. Mit dem Aufkommen von Social Media kamen weitere neue Kanäle hinzu, die insbesondere von jüngeren Menschen intensiv genutzt werden. Sie erinnern sich, in der vorletzten Ausgabe hatten wir eine Titelgeschichte zum Thema Influencer und TikTok. Aber so oft Print schon totgesagt wurde, so sind Zeitungen und Zeitschriften in physischer Form doch immer noch quicklebendig. Welche Rolle sie im Dentalbereich spielen, zeigt eine ganz frische Analyse mit dem Titel mediaDENT 2024. Mit dieser Studie legt die Arbeitsgemeinschaft LAMED erstmals seit 2014 wieder Marktforschungsdaten über die Mediennutzung der Professionals in der ambulanten zahnmedizinischen Versorgung vor. Dabei ging es anders als bei der Reichweitenstudie LA-DENT nicht um einzelne Zeitschriften oder Websites, sondern um die generelle Untersuchung der Information und Kommunikation im zahnmedizinischen Berufsalltag. Die Ergebnisse sind in mehrfacher Hinsicht hochinteressant. Zum einen zeigen sie, dass die gedruckten dentalen Fachzeitschriften bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, nach wie vor einen exzellenten Ruf genießen und – was noch viel wichtiger ist – auch immer noch intensiv genutzt werden. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Fachzeitschriften die höchste Glaubwürdigkeit als Informationsquelle haben. Knapp die Hälfte der Befragten gab an, gedruckte Fachzeitschriften täglich oder mehrmals die Woche zu nutzen. Rund 60 Prozent fanden die Informationen hilfreich. Diese Daten beziehen sich wie eingangs erwähnt auf alle relevanten dentalen Titel am Markt. Ich bin aber überzeugt davon, dass die zm als reichweitenstärkster deutscher Dental-Titel diese Durchschnittswerte deutlich übersteigt. Deshalb an dieser Stelle meinen herzlichen Dank an alle, die die zm regelmäßig lesen und nutzen. Wir möchten, dass Sie Ihre wichtige Arbeit besser informiert machen können. Über Anregungen freuen wir uns deshalb immer. Aber die Nutzungsanalyse kommt auch zu dem Ergebnis, dass das Zeitbudget für die Nutzung von dentalen Medien seit 2014 um ein Drittel abgenommen hat. Die Diversität der Medienlandschaft spielt dabei sicherlich eine große Rolle. Auf immer mehr Medienkanälen wird um Ihre – begrenzte –Aufmerksamkeit geworben. Für uns als Journalistinnen und Journalisten bedeutet das, dass wir versuchen müssen, Sie in Ihrer knappen Zeit noch besser auf den Punkt zu informieren. Hier kommen auch die Online-Medien ins Spiel, in unserem Fall zm-online.de, wo Sie immer die relevanten tagesaktuellen Nachrichten finden. Die wichtigsten davon Foto: Lopata/axentis

4 | INHALT 28 Generationenübergreifende Führung Trotz der Altersvielfalt im Team müssen Sie es so formen, dass die Zusammenarbeit (möglichst) reibungslos funktioniert. Denn: Agilität ist eine Frage des Mindsets. 46 3-D-Druck in der Kieferorthopädie Im Bereich herausnehmbarer Apparaturen bieten sich dem Behandler und den Patienten zahlreiche Vorteile: digitale Archivierung und unbegrenzte Replikation, kostengünstigere Herstellung und schnelle Verfügbarkeit. MEINUNG 3 Editorial 6 Leitartikel POLITIK 14 Lauterbach zur Zukunft von iMVZ „Sie werden zum Schluss verboten werden“ 24 Österreichische Zahnärztekammer warnt „Das Kassenzahnarztsystem steht vor dem Zusammenbruch!“ 32 Barmer Zahnreport 2024 Kieferorthopädische Versorgung imFokus 42 KKH zu Betrug und Korruption im Gesundheitswesen Betrüger ergaunern Millionen aus Gesundheitstopf 54 BMG stellt umstrittenes Projekt vor Neuer Klinik-Atlas geht an den Start 62 Studie zur Nutzung der ePA Manche Diagnosen werden verschwiegen 66 Medizintourismus in Deutschland Ein Gewinn für die Gesundheitsbranche ZAHNMEDIZIN 12 Sportzahnarzt Dr. Siegfried Marquardt im Gespräch „Eine entzündete Mundhöhle ist schlecht für die Performance“ 16 Deutscher Zahnärztetag 2024 Therapiekorridore für eine moderne Zahnmedizin 20 Fluoriddebatte reloaded Die Sicherheit der Anwendung fluoridhaltiger Kinderzahnpasten 26 Untersuchung der IOS-Systeme 1700, Primescan und Trios 5 Plaquemonitoring mit dem Intraoralscanner 46 Serie 3-D-Druck 3-D-Druck in der Kieferorthopädie 56 Der besondere Fall mit CME Rehabilitation bei Long-Face-Syndrom, Prognathie und Parodontitis 70 Aus der Wissenschaft Implantieren Operationsroboter besser? 76 Geschichte der adhäsiven Zahnmedizin 75 Jahre Entdeckung der Kunststoffhaftung an säuregeätztem Zahnschmelz Inhalt Foto: LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (986)

INHALT | 5 82 Der tanzende Zahnarzt Der Zahnarzt und Oralchirurg Kaloyan lliev ist Laientänzer am Staatstheater Karlsruhe. Die Empfindsamkeit für sein Gegenüber nimmt er mit in die Praxis. TITELSTORY 34 Noma – die vermeidbare Nekrose Gangränöse Stomatitis (Noma) ist eine schwere bakterielle Infektion, die als Gingivitis beginnt. Innerhalb weniger Tage nekrotisiert sie Weichund Hartgewebe im Gesicht. TITELSTORY 34 Gangränöse Stomatitis 34 Noma – die vermeidbare Nekrose 38 Interview mit Dr. David Shaye: „Wir operieren die Glücklichen, die überlebt haben“ PRAXIS 28 Altersvielfalt im Team So gelingt generationenübergreifende Führung 44 Als Chef mit Kritik umgehen (lernen) Auch die Praxisführung braucht Feedback – und muss es annehmen 64 Niederlassung im Ballungszentrum Gründung made in Berlin GESELLSCHAFT 52 Studie untersuchte gefeilte Zähne und Turmschädel Körpermodifikationen bei den Wikingern 72 Studie zur Lebenserwartung in Deutschland Deutschland verliert weiter den Anschluss an Westeuropa 82 Abseits der Praxis Der tanzende Zahnarzt MARKT 86 Neuheiten RUBRIKEN 8 Ein Bild und seine Geschichte 60 Termine 67 Formular 81 Persönliches 85 Impressum 102 Zu guter Letzt Titelfoto: MSF/Fabrice Caterini zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (987)

Es gibt zwei Themen in der Zahnmedizin, die in der öffentlichen Wahrnehmung immer wieder zwischen einem wissenschaftlich nachgewiesenen großen Nutzen und diffusen, unbelegten Ängsten changieren. Beide Themen beschäftigen die akademische Zahnmedizin, seit es sie gibt, und beide haben mit einem chemischen Element zu tun. Im einen Fall ist es Quecksilber, im anderen Fluor, die beide gleichermaßen der scheinbare Widerspruch begleitet, zwar als reine Elemente toxisch zu sein, als Legierung (Amalgam) und als Salz (Fluorid) aber eben nicht. Wie Wiedergänger entsteigen diese Untoten immer wieder ihrem Sarg und verbreiten Angst, kosten Beratungszeit und fördern falsche therapeutische Entscheidungen. Schön zu beobachten ist das gerade wieder beim Amalgam. Obwohl Quecksilber nun endgültig kein Bestandteil von Füllungsmaterialien mehr sein wird und dies eindeutig keine medizinischen Gründe hat, kriechen zum Abschied noch einmal alle Ängste und Befürchtungen aus ihren Löchern. Wer immer sich beteiligt, wird mit prominenten Zeitungsartikeln, TV-Beiträgen oder Online-Berichten belohnt. Nicht unwahrscheinlich, dass es vielen Propagandisten einzig und allein um diese Aufmerksamkeit geht. Und als ob Amalgam nicht genug wäre, geistert gerade auch wieder der andere Untote herum. Eine prominent im JAMA-Open-Network (Journal of the American Medical Association) veröffentlichte Arbeit meint einen Zusammenhang zwischen der Fluoridkonzentration im mütterlichen Urin und dem neurologischen Verhalten dreijähriger Kinder beschreiben zu müssen*. Wer sich da an eine ähnliche Studie mit einer mexikanischen Testgruppe aus dem Jahr 2017 erinnert fühlt, liegt völlig richtig und darf gleichzeitig feststellen, dass sich Themen noch pseudowissenschaftlicher bearbeiten lassen. Beide Studien simulieren das höherwertige „prospektive“ Design, indem sie bestehendes Material recyceln. In dem einen Fall war es die „Early Life Exposures in Mexico to Environmental Toxicants“-Studie, jetzt ist es die „Maternal and Developmental Risks from Environmental and Social Stressors“- Studie aus Los Angeles. Beide Studien nutzen die einmalige Urinprobe schwangerer Frauen, wie sie in der jeweiligen Primärstudie abgegeben worden war, die aber völlig ungeeignet ist, die durchschnittliche FluoridExposition der Mutter darzustellen. Als Ergebnis-Variable verwendete die Mexiko-Studie noch eine persönliche Befragung anhand eines IQ-TestFragebogens, während man in Los Angeles einen Verhaltensfragebogen zur Selbstbeurteilung durch die Mütter versandte. Die Einflüsse, die das häusliche Umfeld auf die Intelligenz- und Verhaltensentwicklung eines Kindes nimmt, wurden in der Mexiko-Studie wenigstens noch bei einer Untergruppe mittels eines Fragebogens bestimmt – wenngleich nicht in der altersgerechten Version. In Los Angeles verzichtete man gänzlich auf diesen zentralen Parameter. Dies ist gerade deshalb so problematisch, weil die primäre LosAngeles-Studie auf unterprivilegierte Mütter hispanischer Herkunft zielte, deren verfügbares Einkommen deutlich unter dem US-amerikanischen Durchschnitt lag. Man wird Prof. Luc Do von der University of Queensland gerne folgen, wenn er bemerkt, dass die Los-Angeles-Studie „aufgrund der großen Mängel bei den Expositions- und Ergebnismessungen sowie der geringen Stichprobengröße nicht zum Wissensstand beiträgt“. Besonders ärgerlich ist jedoch, dass diese Publikation im JAMA den Eindruck vermittelt, die Gesellschaft könne sich die Arbeit sparen, auf den verschiedensten Ebenen den Lebensweg von Kindern aus prekären Verhältnissen zu verbessern. Damit Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, ihre Zeit nicht mit Pseudowissenschaft vergeuden müssen, empfehle ich die Darstellung vom Kollegen Ulrich Schiffner in diesem Heft (S. 20) genau zum richtigen Thema: die Sicherheit der Anwendung fluoridhaltiger Kinderzahnpasten. Prof. Dr. Christoph Benz Präsident der Bundeszahnärztekammer *Malin AJ, Eckel SP, Hu H, et al. Maternal Urinary Fluoride and Child Neurobehavior at Age 36 Months. JAMA Netw Open. 2024;7(5):e2411987. doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.11987 Wiedergänger Foto: BZÄK/axentis.de 6 | LEITARTIKEL

zm113, Nr. , , (1540) | 7 Mehr als nur eine starke Haftung. Hinterlässt Ihr radioluzentes Adhäsiv einen „Schatten des Zweifels“? TestenSie 3M™Scotchbond™ Universal Plus Adhäsiv mit dentinähnlicher Röntgenopazität. 3M, 3M Science. Applied to Life. und Scotchbond sind Marken der 3M Company. © 3M 2024. Alle Rechte vorbehalten. 3M™Scotchbond™Universal Plus Basiert auf dem bewährten Universaladhäsiv 3M™Scotchbond™Universal. • Für alle direkten und indirekten Indikationen und Ätztechniken geeignet • Haftet an allen Restaurationsmaterialien inklusive Glaskeramik, ohne zusätzlichen Primer Einzigartige „Plus“ Eigenschaften: • Dentinähnliche Röntgenopazität • Noch bessere Haftung • BPA-derivatfreie Formulierung • kompatibel mit allen dual- und selbsthärtenden Kompositen ohne Dualhärtungsaktivator Jetzt testen! 3m.de/sbuplus

8 zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (990) Dr. Etsuro Watanabe war am 15. Mai 2024 offiziell der älteste Zahnarzt der Welt. Die gerahmte Urkunde von Guinness World Records Limited will sich der 99-Jährige in seine Praxis hängen, die er seit nunmehr 71 Jahren betreibt. Geboren wurde Watanabe am 31. Oktober 1924 im Dorf Oshino in der Präfektur Yamanashi, Japan. Im Alter von 15 Jahren zog er nach Tokio, um eine Ausbildung zum Zahntechniker zu beginnen. 1944 wurde er zum Militärdienst einberufen – er diente als Sanitäter in China. Ein Jahr nach Kriegsende kehrte er nach Japan zurück und begann als Zahntechniker zu arbeiten, schreibt das Weltrekord-Komitee. Von 1947 bis 1951 studierte er Zahnmedizin und 1953 eröffnete er in seiner Heimatstadt Oshino seine eigene Praxis. Die er bis ins Jahr 2016 von montags bis freitags geöffnet hatte. An seinem 92. Geburtstag beschloss Watanabe dann, ein bisschen kürzer zu treten. Seitdem praktiziert er nur noch vormittags – auch um mehr Zeit für seine vier Urenkel und seinen geliebten Garten zu haben, erklärt er. In den Ruhestand zu gehen, komme für ihn jedoch nicht infrage. „Wenn ich sehe, dass meine Patienten glücklich sind, habe ich das Gefühl, dass es sich lohnt, was ich tue", sagt Watanabe. „Ich möchte so lange einen Beitrag zur Gemeinschaft leisten, wie ich die Energie dazu habe.“ mg Foto: Dennis – stock.adobe.com; X – Guinness World Records EIN BILD UND SEINE GESCHICHTE

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10 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (992) SPORTZAHNARZT DR. SIEGFRIED MARQUARDT IM GESPRÄCH „Eine entzündete Mundhöhle ist schlecht für die Performance“ Seit vorgestern rollt der Ball bei der Euro 2024. Wie Mundgesundheit und Leistungsfähigkeit im Profisport zusammenhängen, ist das Spezialthema von Dr. Siegfried Marquardt. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM) setzt er sich dafür ein, Athletinnen und Athleten sowie Vereine und Verbände darüber aufzuklären und zu beraten. Er hat schon Profis aus vielen Sportarten auf den Zahn gefühlt – auch der deutschen Fußballnationalelf der Männer. Dr. Marquardt, wie gewissenhaft wird die Mundhygiene im deutschen Profisport betrieben? Dr. Siegfried Marquardt: Anscheinend nicht immer vorbildlich. Studien zeigen, dass die Mundgesundheit im Profisport in den vergangenen Jahren zu wünschen übrig ließ. Aber auch aufgrund der Arbeit der DGSZM etwa in Verbänden und Vereinen ist das Zahngesundheitsbewusstsein deutlich gestiegen. Wo sind Sie überall aktiv? Wir betreuen unter anderem den Deutschen Eishockeybund (DEB), den Deutschen Skiverband (DSV) und kooperieren eng mit der deutschen Sporthilfe. Auch mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) stehen wir in Kontakt. Ich kann daher sagen, dass die Themen Mundgesundheit und Zahnpflege im deutschen Profifußball angekommen sind und sich durch Aufklärung und gezielte Behandlung sehr gut entwickeln. Wir sind spät dran, oder? Durchaus. In den USA gibt es im Fußball kein Profiteam ohne zahnärztliche Betreuung, in Japan findet man keine Zahn-Uni ohne eine Abteilung Sportzahnmedizin. In Europa haben wir dieses Thema lange stiefmütterlich behandelt. Aber das Interesse steigt. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach? Weil sich zunehmend die Erkenntnis durchsetzt, dass eine entzündete Mundhöhle erhebliche Einflüsse auf den Stoffwechsel hat und so die sportliche Performance mindern kann. Studien zeigen, dass Sportlerinnen und Sportler eine überdurchschnittliche Affinität zu Gingivitiden, Parodontitis und Karies haben. Die Entzündungsbakterien breiten sich im gesamten Organismus aus. Dadurch wird nicht nur die Leistung grundsätzlich beeinflusst, es kommt auch konkret zu einer erhöhten Verletzungsgefahr in der Muskulatur. Das will man natürlich nach Möglichkeit vermeiden. Spielen die Optimierung der Okklusion und die Behandlung von Bruxismus eine Rolle, um Muskelverspannungen zu vermeiden und die Regeneration zu verbessern? Ja. Ein Fehlbiss oder okklusale Frühkontakte haben erheblichen Einfluss auf die absteigenden Muskelketten. Vom Scheitel bis zur Sohle hängen der Band- und der Muskelapparat in unserem Körper miteinander zusammen und beeinflussen die skelettalen Strukturen. Wenn Sportprofis bruxen oder Fehlfunktionen durch Störkontakte entwickeln, führt dies zumeist zu Fehlbelastungen, Kompensationsmechanismen und sodann zu Verspannungen und Muskelverletzungen. Daher ist es wichtig, die richtige, nicht manipulierte und entspannte Lage des Unterkiefers zum Oberkiefer – ohne den Einfluss von Störfaktoren – zu analysieren und zu diagnostizieren. Kann das die Zahnmedizin allein richten? Nein, entscheidend für den Erfolg ist die Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten wie Orthopädie, Physiotherapie und Osteopathie – und zwar schon im Vorfeld. Ohne einen regelmäßigen und vertrauensvollen Austausch würde die optimale zahnmedizinische Betreuung nicht funktionieren. Es ist essenziell, alle Beteiligten einzubinden, aufzuklären und sich untereinander abzustimmen. Worauf achten Sie noch bei der Mundgesundheit von Sportlerinnen und Sportlern? Ich bemühe mich intensiv, bei ihnen das Bewusstsein für eine gesunde Mundhöhle zu schärfen und Mundhygienetechniken zu vermitteln. Dabei weise ich explizit auf die negativen Auswirkungen von Entzündungen im Mundraum auf die Leistung hin und erläutere, welche Anzeichen von Pathogenen es gibt. Aufgrund der teils fehlenden Sensibilität rate ich vermehrt von der Handzahnbürste ab, da diese speziell bei Sportlerinnen und Sportlern oftmals mehr Schaden Hatte schon den einen oder anderen Fußballprofi aus der Nationalelf der Männer auf dem Behandlungsstuhl: Zahnarzt Dr. Siegfried Marquardt aus Tegernsee. Foto: privat Foto: SantaPa design – stock.adobe.com

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zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (994) 12 | ZAHNMEDIZIN als Nutzen bringt. Beispielsweise kann es zu keilförmigen Defekten, Zahnhalssensibilitäten oder Zahnfleischirritationen kommen. Natürlich demonstriere ich dann auch, wie man elektrische Zahnbürsten richtig anwendet. Ein weiteres Thema, auf das ich eingehe, ist die Ernährung. Insbesondere weise ich auf die Probleme von zuckerhaltigen Gels, Elektrolytgetränken oder Power-Riegeln hin, die oftmals – nicht nur für die Zähne – kontraproduktiv sind. Ich spreche aber nicht nur die Sportlerinnen und Sportler an, sondern das gesamte betreuende Team. Alle sollten über die Einflüsse beispielsweise einer Parodontitis, einer Karies oder auch eines Fehlbisses auf den Organismus Bescheid wissen. Passend dazu bezeichnen Sie sich selbst als Teamsport-Zahnarzt. Wie kam es zu dieser Spezialisierung? Weil ich selbst leidenschaftlicher Sportler bin, haben mich die Zusammenhänge und Einflüsse der Mundgesundheit auf die Leistungsfähigkeit im Sport schon immer interessiert. Wo ich lebe, werden einem die Skier bereits in die Wiege gelegt. So kam ich früh in Kontakt mit dem Deutschen Skiverband (DSV). Dabei konnte ich beobachten, dass Athletinnen und Athleten unterschiedliche Beschwerdebilder entwickeln, die zumeist orthopädisch und/oder osteopathisch therapiert werden, aber häufig rezidivieren. Eine Ursache sind die eben erwähnten absteigenden Ketten. Hier konnte ich als Zahnarzt gezielt eingreifen. Wie arbeiten Sie konkret mit den Teams zusammen? Wenn ich zu Trainingslagern eingeladen werde, halte ich zumeist einen oder mehrere Vorträge. Im Anschluss biete ich ein Mund-Screening an, mache einen Zahn-Check und bei Bedarf einen kompletten Funktionstest. Kommen dabei konkrete und/oder akute Behandlungsempfehlungen heraus, beispielsweise Herdstörungen durch Weisheitszähne oder Parodontitiden, Karies oder auch Funktionsstörungen, bitte ich die Athletinnen und Athleten zu mir in die Praxis, korrespondiere mit den jeweils behandelnden Zahnarztpraxen oder überweise an zertifizierte Mitglieder der DGSZM in der Nähe des Wohnorts. Grundsätzlich haben aber alle die freie Zahnarztwahl. Kommen wir noch einmal zum Fußball: Gibt es im Rahmen Ihrer Kooperation mit dem DFB vor dem Start eines Turniers wie der Europameisterschaft spezielle zahnmedizinische Check-ups? Eigentlich nicht. In der Regel sollte die zahnmedizinische Kontrolle – wie allgemein üblich – einmal jährlich und die Prophylaxe zweimal jährlich erfolgen. Bei Bedarf kommt die Adjustierung von Performance-Schienen hinzu. Sämtliche Präventivmaßnahmen sollten weit vor einem Turnier abgeschlossen sein, da immer eine entsprechende Heilungszeit beziehungsweise Adaptationsphase eingeplant werden muss. Akute Notfallbehandlungen kommen in der Regel selten vor und können im schlimmsten Fall dazu führen, dass Spielerinnen oder Spieler nicht aufgestellt werden können. Welche zahnmedizinischen Behandlungen haben Sie im Rahmen der Zusammenarbeit mit dem DFB bisher durchgeführt? Im Prinzip ist alles dabei, was ich eben beschrieben habe: Wenn Herde wie etwa Entzündungszeichen im Mund, verlagerte Weisheitszähne oder Fehlbisse diagnostiziert werden, sind spezifische Maßnahmen notwendig. Vor allem geht es um die frühzeitige Eliminierung der Ursachen. In der präventiven Sportzahnmedizin ist deshalb die Analyse der skelettalen Haltung, des muskulären Gleichgewichts und der Einfluss des Kauorgans auf die absteigenden Ketten wichtig. Dies kann dann auch zu komplexeren, interdisziplinären und längeren Behandlungen führen. Und mit welchen Fragen wenden sich die Spieler zum Beispiel an Sie? Durch die inzwischen gute Aufklärung und Kommunikation beziehen sich die Fragen vor allem auf Vorsorge und Prävention. Der regelmäßige Checkup und das ganzheitliche Screening machen die Spieler natürlich auch neugierig und motivieren sie, die relevanten Aspekte zu hinterfragen: Was kann ich für eine gesunde Mundhöhle tun? Wie ernähre ich mich entsprechend? Brauche ich eine Schiene? Müssen die Weisheitszähne wirklich entfernt werden? Solche Sachen. Sind Sie jetzt nach dem Start der EM erst einmal auf Rufbereitschaft? Die DGSZM hat der UEFA für jeden EM-Standort Listen mit mehreren zertifizierten Kolleginnen und Kollegen übergeben, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. Wir hoffen natürlich, dass nichts Schlimmeres passiert und unsere Vorbehandlungen gut wirken. Aber selbstverständlich stehen wir parat, wenn wir gebraucht werden. Ohne Namen zu nennen: Gibt es in der Nationalelf Spieler mit Zahnarztangst? Grundsätzlich sehe ich bei den Spielern keinen Unterschied zu allen anderen Patientinnen und Patienten. Dabei zeigt mir meine Berufserfahrung: Je stärker und kräftiger jemand ist, desto größer ist oft die Angst vor medizinischen Eingriffen – vor allem bei den Männern. Das Gespräch führte Susanne Theisen. In Europa haben wir das Thema Sportzahnmedizin lange stiefmütterlich behandelt. Dr. Siegfried Marquardt, Sportzahnarzt Das Ärzte-Team, das die DFB-Elf betreut: Trainingslager 2023, v.l.n.r.: Orthopäde Dr. Jochen Hahne, Internist Prof. Dr. Tim Meyer, Dr. Siegfried Marquardt sowie die Physiotherapeuten Wolfgang Bunz, Jens Joppich und Bernd Schosser. Foto: Privat

https://learn.cpgabaprofessional.de/de CPGABAFORTBILDUNGSPLATTFORM Jetzt anmelden NEU Kostenlos CME Zertifiziert Live & On-demand Interaktiv ® 1Durchschnittlicher jährlicher Abverkauf in Packungen von elmex® gelée 38g in deutschen Apotheken (IQVIA Eigenanalyse, Juli 2018 bis Aug 2021) vs. Anzahl der in Deutschland lebenden Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen 6 und 17 Jahren (Statista 2020). *Bitte „Individualprophylaxe nach § 22 SGB V“ auf Kassenrezept notieren. Bisher profitierennur ca.10 % der Kinder von elmex® gelée1 – Sie können das ändern 1x WÖCHENTLICH Sie können das ändern WÖCHENTLICH Bei Ausstellung einer Verschreibung bis zum 18. Lebensjahr zu 100% erstattungsfähig* 1x Bei Ausstellung einer Verschreibung bis zum 18. Lebensjahr zu 100 % elmex® gelée 1,25 % Dentalgel. Zusammensetzung: 100 g elmex® gelée enthalten: Aminfluoride Dectaflur 0,287 g, Olaflur 3,032 g, Natriumfluorid 2,210 g (Fluoridgehalt 1,25 %), gereinigtes Wasser, Propylenglycol, Hyetellose, Saccharin, Apfel-Aroma, Pfefferminz-Aroma, Krauseminzöl, Menthon-Aroma. Anwendungsgebiete: Zur Kariesprophylaxe; therapeutische Anwendung zur Unterstützung der Behandlung der Initialkaries und zur Behandlung überempfindlicher Zahnhälse. Gegenanzeigen: Nicht anwenden bei Überempfindlichkeit gegen einen der Inhaltsstoffe, Abschilferungen der Mundschleimhaut, fehlender Kontrolle über den Schluckreflex, bei Kindern unter 3 Jahren und bei Knochen- und/oder Zahnfluorose. Nebenwirkungen: sehr selten: Exfoliation der Mundschleimhaut, Gingivitis, Stomatitis, Rötung, Brennen oder Pruritus im Mund, Gefühllosigkeit, Geschmacksstörungen, Mundtrockenheit, Schwellung, Ödem, oberflächliche Erosion an der Mundschleimhaut (Ulkus, Blasen), Übelkeit oder Erbrechen, Überempfindlichkeitsreaktionen. Dieses Arzneimittel enthält Aromen mit Allergenen. Bei entsprechend sensibilisierten Patienten können durch Pfefferminzaroma und Krauseminzöl Überempfindlichkeitsreaktionen (einschließlich Atemnot) ausgelöst werden. Nicht über 25 °C lagern. Packungsgrößen: 25 g Dentalgel (apothekenpflichtig); 38 g Dentalgel (verschreibungspflichtig); 215 g Klinikpackung (verschreibungspflichtig). CP GABA GmbH, 20097 Hamburg. Stand: April 2023.

zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (996) 14 | POLITIK LAUTERBACH ZUR ZUKUNFT VON IMVZ „Sie werden zum Schluss verboten werden“ Das Bundeskabinett hat den Entwurf eines Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes (GVSG) beschlossen. Aktuell sind investorenbetriebene Medizinische Versorgungszentren (iMVZ) darin kein Thema. Das soll sich jedoch im parlamentarischen Verfahren ändern, kündigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an. Bei der Präsentation des GVSG-Entwurfs vor der Bundespressekonferenz nahm der Minister Stellung zur Zukunft von iMVZ. Deren Regulierung hatte er in der Vergangenheit wiederholt in Aussicht gestellt, doch auch im aktuellen Entwurf ist dazu nichts enthalten. Lauterbach sagte: „Darüber werden wir uns im parlamentarischen Verfahren einigen. Sie werden zum Schluss verboten werden. Wir wollen dort die derzeit ausufernde Kommerzialisierung der Praxen beenden.“ Weitere Details, wie dieses Verbot im GVSG realisiert werden soll, wurden auf der Pressekonferenz nicht bekannt. Auch eine Nachfrage beim Bundesgesundheitsministerium (BMG) brachte dazu keine Erkenntnisse. Ärztinnen und Ärzte als MVZUnternehmer stärken Der Bundesverband Medizinische Versorgungszentren – Gesundheitszentren – Integrierte Versorgung (BMVZ) meldete sich direkt im Anschluss zu Wort: „Bekanntermaßen sieht der BMVZ, als Vereinigung von ambulant-ärztlichen Kooperationen aller Trägerschaften, die Frage anders.“ Er halte es „für wesentlich wichtiger für die Zukunftssicherung der ambulanten Versorgung, niedergelassenen wie angestellten Ärzt:innen bestehende Hürden aus dem Weg zu räumen, um explizit dieser Trägergruppe die Unternehmensführung und Arbeitgeberstellung zu erleichtern, beziehungsweise realistisch zu ermöglichen“. Es sei an der Zeit, dafür Sorge zu tragen, Vertragsärztinnen und -ärzten ihr Leben als MVZ-Unternehmer zu erleichtern. Das würde aus Sicht des BMVZ den „Sekundäreffekt“ nach sich ziehen, dass die Rolle nicht-ärztlicher Träger auf ein „sinnvolles Maß“ beschränkt bliebe. sth Steht zwar nicht im Entwurf für das GVSG, dennoch will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach die „die derzeit ausufernde Kommerzialisierung der Praxen beenden“. Foto: BMG/Jan Pauls ERSTE LESUNG IM BUNDESTAG NOCH VOR DER SOMMERPAUSE Mit dem GVSG will die Bundesregierung die hausärztliche Versorgung stärken, insbesondere in ländlichen Regionen und ärmeren Teilen der Großstädte. Der Wegfall der Budgets in der hausärztlichen Versorgung soll mehr Medizinerinnen und Mediziner dazu bewegen, sich in hausärztlicher Praxis niederzulassen. Zudem soll es für Kommunen einfacher werden, eigene Medizinische Versorgungszentren zu gründen. Der Gesetzentwurf soll noch vor der Sommerpause in die Erste Lesung in den Bundestag gegeben werden, kündigte der Bundesgesundheitsminister an. „Über die iMVZ werden wir uns im parlamentarischen Verfahren einigen. Wir wollen die derzeit ausufernde Kommerzialisierung der Praxen dort beenden.“ Prof. Dr. Karl Lauterbach, Bundesgesundheitsminister

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16 | ZAHNMEDIZIN zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (998) DEUTSCHER ZAHNÄRZTETAG 2024 Therapiekorridore für eine moderne Zahnmedizin Der diesjährige Deutsche Zahnärztetag steht im Zeichen aktueller Entwicklungen unter dem Motto „Zahnmedizin 2024: Welche Qualität müssen wir uns leisten?“ und findet vom 12. bis zum 14. September 2024 in Düsseldorf statt. Verknüpft ist die Veranstaltung mit der gemeinsamen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) und der Akademie Praxis und Wissenschaft (APW). Der Deutsche Zahnärztetag steht in diesem Jahr im Kontext der sich verschlechternden wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Bereits im vergangenen Jahr hatte DGZMKPräsident Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang in seiner Begrüßungsrede zum Deutschen Zahnärztetag in Hamburg auf die Konsequenzen der Entwicklungen für die Zahnmedizin hingewiesen: „Wir haben in der Zahnmedizin beeindruckende Fortschritte gemacht und viele gute Therapien entwickelt – wir müssen uns aber fragen, ob wir diese Qualität an Zahnmedizin im Lichte der wirtschaftlichen Verhältnisse überhaupt noch in die Versorgungsrealität überführen können.“ Wissenschaft trifft Standespolitik Das Thema „Zahnmedizin 2024: Welche Qualität müssen wir uns leisten?“ nimmt die Gedanken des Vorjahres auf und versucht eine aktuelle Standortbestimmung vorzunehmen. In den Blick genommen werden dabei insbesondere die für die Versorgung eines klinischen Problems bestehenden Therapiekorridore: Welche Interventionen kommen infrage? Welche Abwägungen sollten dabei aus wissenschaftlicher Sicht getroffen werden? Darüber hinaus eröffnet der diesjährige Zahnärztetag zusammen mit der DGZMK/APW-Jahrestagung den Raum für eine gesundheitspolitische Debatte. Am Freitag, dem 13. September, Foto: DGZMK/APW DEUTSCHER ZAHNÄRZTETAG 2024 Veranstaltungsort: Maritim Hotel Düsseldorf, Maritim-Platz 1, 40474 Düsseldorf 12.09.: Vorkongress, 9.00 bis 17.00 Uhr 12.09.: Kongresseröffnung, 17.30 Uhr 13./14.09.: Wissenschaftliches Hauptprogramm 13.09.2024: Abendveranstaltung im Hotel-Restaurant Schnellenburg, RiverLounge und Dachterrasse, Rotterdamer Str. 120, 40474 Düsseldorf-Stockum, ab 19.00Uhr 14.09.2024: Studierenden- und Assistententag, 9.00 bis 13.30 Uhr 14.09.2024: Zukunftskongress der Bundeszahnärztekammer, 14.30 Uhr Information und Anmeldung unter www.dgzmk-apw-kongress.de.

Bekämpft die Ursache von Zahnfleischbluten und -entzündungen1 1 Bekämpft Plaquebakterien, bevor Zahnfleischbluten und -entzündungen entstehen, bei regelmäßiger Anwendung. 2 mit meridol® Zahnfleischschutz Zahnpasta, im Vergleich zu einer herkömmlichen Zahnpasta mit 1450 ppm Fluorid (NaF/NaMFP) nach 6-monatiger Anwendung des Produkts. Triratana, August 2022. 3Bekämpft Plaquebakterien, „schnell“ in Labortests bestätigt, „lang anhaltend“ bei regelmäßiger Anwendung. 4Ipsos | meridol Patient Experience Programm (2023) mit 132 Patient:innen, 2 Wochen mit 2x täglicher Anwendung. Unabhängig rekrutiert von Zahnärzt:innen. Deutschland 2023. Klinisch bestätigt: Schnelle antibakterielle Wirkung2 Lang anhaltender Schutz3 9von10 Patient:innen bestätigen weniger Zahnfleischbluten4 Entwickelt, um die Zähne nicht zu verfärben Gratis Muster für Patient:innen bestellen

18 | ZAHNMEDIZIN werden Vertreter der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und der DGZMK auf dem Podium darüber diskutieren, was die Zahnärzteschaft – trotz des bei manchen Indikationen engen Kostenrahmens – den Patientinnen und Patienten im Hinblick auf den wissenschaftlichen Fortschritt anbieten kann. Umfangreiches Kongressprogramm Auch dieses Jahr bietet der Deutsche Zahnärztetag wieder ein umfangreiches Programm. Im Zentrum steht der zweitägige wissenschaftliche Hauptkongress, der mit seinen über 20 Vorträgen das ganze Spektrum zahnmedizinischer Disziplinen abdeckt. Bereits am Donnerstag, 12. September, startet der Vorkongress mit zahlreichen Workshops. Am Samstag, 14. September, findet parallel zum Hauptprogramm der „Studierenden- und Assistententag“ statt. br Weitere Informationen zum Deutschen Zahnärztetag finden Sie unter: https://www.dgzmk-apw-kongress.de/ zm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1000) INTERVIEW MIT PROF. DR. DR. JÖRG WILTFANG, PRÄSIDENT DER DGZMK DAS BESTE ODER NICHTS? Im Vorfeld des diesjährigen Deutschen Zahnärztetages haben die zm Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), zum diesjährigen Thema des wissenschaftlichen Kongresses „Welche Qualität müssen wir uns leisten?“ befragt. Prof. Wiltfang, dem Automobilpionier Gottlieb Daimler wird der Leitsatz „Das Beste oder nichts“ zugeschrieben. Damit sollte der Anspruch untermauert werden, stets das aktuell verfügbar Beste zu liefern. Mediziner haben diesen Anspruch schon aus ihrem Berufsethos heraus. Sie treffen jedoch auf eine Versorgungsrealität, die offensichtlich Schwierigkeiten hat, das Beste für alle zu finanzieren. Ist das Thema inzwischen so drängend, dass man es auf die Agenda des Deutschen Zahnärztetages setzen muss? Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang: Ja, leider ist das der Fall. Es war natürlich auch bisher so, dass Patienten mit weitergehenden Ansprüchen – beispielsweise beim Zahnersatz – vieles privat finanzieren mussten. Aber die gesetzlichen Krankenversicherungen haben ein weitgehend intaktes Niveau an Leistungen angeboten, das eine gute Grundversorgung möglich machte. Doch die Zeit bleibt nicht stehen: Wir sehen zunehmend, dass die Kraft des GKV-Systems nicht ausreicht, um dem wissenschaftlichen Fortschritt zu folgen. Ein gutes Beispiel sind die Schwierigkeiten mit der PAR-Therapie: Über mehr als eine Dekade hinweg hat die Wissenschaft unzählige Evidenz für die mannigfaltigen Zusammenhänge von Parodontitis und schweren Allgemeinerkrankungen zusammengetragen. Die logische Konsequenz wäre jetzt gewesen, dem Fortschritt des Wissens zu folgen und geeignete Therapien für alle Versicherten zugänglich zu machen. Das scheitert aber jetzt an den Mitteln der GKV. Scheitert dies vielleicht auch an aus zahnärztlicher Sicht unklugen Priorisierungen seitens der Politik? Immerhin waren die Ausgaben für die Zahnmedizin über Jahre hinweg zurückgegangen. Das mag sicher sein, wenn man bedenkt, dass die Folgekosten unbehandelter Parodontalerkrankungen vermutlich weit über den Kosten für die Prävention liegen. Aber das sind primär politische Entscheidungen, auf die wir nur begrenzten Einfluss haben. Wir müssen sehen, wie wir die Patienten unter den gegebenen Umständen bestmöglich behandeln können. Wie kann das gelingen? Es ist ja in der Medizin so, dass die bestmögliche Versorgung immer individuell am einzelnen Patienten bestimmt werden muss - wir kennen das alle aus unserer Praxis. Es gibt in vielen Fällen nicht die eine „beste“ Therapie: Eine Implantatversorgung mit komplexem prothetischem Aufbau kann für Mundhygiene-affine Patienten ein großer Gewinn sein, für starke Raucher dagegen ein eher iatrogen gesetztes Risiko. Dieser Kontrast ist sicher etwas dick aufgetragen, aber das Prinzip ist klar: Für jeden Patienten gibt es ein individuell zu ermittelndes Optimum an Versorgung, das sich eben nicht holzschnittartig an „Goldstandard“-Versorgungen orientiert. Sie fragen beim Tagungsmotto des diesjährigen Zahnärztetages im September: „Welche Qualität müssen wir uns leisten?“ und sprechen dabei von Therapiekorridoren. Was ist damit gemeint? Wir wollen uns auf dem kommenden Zahnärztetag weitergehend damit beschäftigen, welche Therapien für welche klinischen Probleme zur Verfügung stehen und welche Abwägungsprozesse aus wissenschaftlicher Sicht bei der Versorgung für den einzelnen Patienten infrage kommen. Nehmen Sie nur einmal das Beispiel der Einzelzahnlücke – die kann man mit Implantation und HightechProthetik schließen, aber vielleicht auch unter Umständen einfach nur belassen und monitoren – so weit spreizen sich mitunter die Therapiealternativen auf. Für alle Möglichkeiten gibt es Argumente – hier die Spezifika der Therapien und die möglichen Abwägungen in der Behandlung aus wissenschaftlicher Sicht deutlich zu machen, das wird eine der Aufgaben des kommenden Zahnärztetages sein. Das Gespräch führten Kerstin Albrecht und Benn Roolf. Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) Foto: UKSH

Und wofür brauchen Sie mehr Zeit? Genug Spielraum haben für alles, was zählt im Leben und ein eigenes Vermögen aufbauen – das ist Vapula Haukongo wichtig. Ihn mit der richtigen Anlagestrategie ans Ziel zu bringen, ist dabei unser Job. Was immer Sie bewegt, sprechen Sie mit uns. Familie. Praxis. Fußball.Vapula Haukongo Zahnarzt und zweifacher Vater, München > apobank.de/vermoegen

20 | ZAHNMEDIZIN FLUORIDDEBATTE RELOADED Die Sicherheit der Anwendung fluoridhaltiger Kinderzahnpasten Ulrich Schiffner Fluoride haben ein Abonnement auf mediale Aufmerksamkeit, in den Fach- und Onlinejournalen findet sich immer Nachschub an kritischem Material. In den vergangenen Monaten sind wieder Studien erschienen, die zu Nachfragen in Zahnarztpraxen führen werden. So werden Sorgen für mögliche Überdosierungen durch 1.000-ppm-Zahnpasten für Kleinkinder geschürt. Dass die Ängste unbegründet sind, zeigen sowohl die aktuellen Empfehlungen als auch die Zahlen der betreffenden Studie selbst. Der international seit einigen Jahrzehnten zu beobachtende Kariesrückgang wird auf die verbreitete Anwendung von Fluoridierungsmaßnahmen zurückgeführt. Damit ist es in Deutschland gelungen, die Karieserfahrung im bleibenden Gebiss in allen Altersgruppen – von Kindern bis zu Senioren – in signifikantem Ausmaß zurückzudrängen [Jordan und Micheelis, 2016]. Besonders auffällig sind die Erfolge unter den zwölfjährigen Kindern. Demgegenüber stehen nur verhaltene Verbesserungen im Milchgebiss, sowohl die Prävalenz als auch die Karieserfahrung betreffend [Team DAJ, 2017]. Im ersten Schuljahr hat fast jedes zweite sechs- oder siebenjährige Kind bereits Karies, wobei der Anteil nicht sanierter Defekte mit 44 Prozent der kariösen Zähne sehr hoch ist. Schon im Alter von drei Jahren ist eine deutliche Polarisation der Karieslast erkennbar: In dieser Altersgruppe hat bei einer Kariesprävalenz von 13,7 Prozent in etwa jedes siebte Kleinkind bereits Karieserfahrung, die über das Stadium der Initialkaries hinausgeht [Team DAJ, 2017]. Die betreffenden Kinder weisen dabei durchschnittlich fast vier (dmft = 3,6) dieser überwiegend unbehandelten, bis in das Dentin reichenden Läsionenauf. Vor diesem Hintergrund haben 2021 Zahnmediziner und Pädiater zusammen mit anderen relevanten Gruppen gemeinsame Empfehlungen zur Kariesprophylaxe mit Fluoriden bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren publizm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1002) Foto: Ulrich Schiffner Das Aufbringen der Zahnpasta quer zum Borstenfeld der Zahnbürste kann die Entnahme einer nur reiskorngroßen Zahnpastamenge erleichtern.

ZAHNMEDIZIN | 21 ziert [Berg et al., 2021]. Diese sehen ab dem Alter von zwölf Monaten – optional ab dem ersten Zahndurchbruch – die Verwendung von Kinderzahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid vor. Die bis dahin in Deutschland verbreiteten Kinderzahnpasten mit nur 500 ppm Fluorid mussten als nicht ausreichend für eine hinlänglich erfolgreiche Kariesprävention bewertet werden. Erst ab einem Fluoridgehalt von 1.000 ppm besteht eine hohe wissenschaftliche Evidenz, dass die Zahnpasten kariespräventiv wirksam sind [Walsh et al., 2010]. Das Heraufsetzen der Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten mit dem Ziel der Kariesreduktion muss den Aspekt der Fluorosevermeidung beinhalten. Fluorosen werden mit zunehmender Fluoridaufnahme öfter und in höheren Schweregraden beobachtet [Denbesten et al., 2011]. Beide Ziele – die Kariesreduktion wie die Fluorosevermeidung – sind bei Fluoridierungsmaßnahmen für Kleinkinder sorgfältig auszubalancieren [AAPD, 2023]. In Deutschland wird über Fluoroseprävalenzraten zwischen 10 und 20 Prozent berichtet [BfR, 2018]. Von Interesse ist dabei, dass circa 90 bis 95 Prozent dieser Fluorosen als „fraglich“, „sehr mild“ oder „mild“ bewertet werden. Diese gering ausgeprägten Schmelzfluorosen haben keinen Einfluss auf die Zahngesundheit und die Lebensqualität der betroffenen Kinder und Jugendlichen [Onoriobe et al., 2014]. Empfehlungen berücksichtigen das Fluoroserisiko Die empfohlene Erhöhung des Fluoridgehalts in den Zahnpasten wurde sorgfältig daraufhin überprüft, dass mit ihr kein erhöhtes Risiko für das Vorkommen von Schmelzfluorosen einhergeht. Eine exakte Höhe der wiederholten Fluoridaufnahme, oberhalb der es zur Ausbildung von Fluorosen kommt und unterhalb der dies ausbleibt, kann nicht angegeben werden [Warren et al., 2009]. Statistisch steigt das Risiko aber ab einer Aufnahme von mehr als 0,05 mg Fluorid pro Kilogramm Körpergewicht an [EFSA, 2013; Warren et al., 2009]. Dieser international definierte Grenzwert wurde der mit den Empfehlungen verbundenen Risikoeinschätzung zugrunde gelegt. Um den Grenzwert deutlich zu unterschreiten, wird für Kleinkinder im Alter von unter 24 Monaten zum Zähneputzen die Verwendung von Kinderzahnpasten mit 1.000 ppm Fluorid in einer reiskorngroßen Menge empfohlen. Für Kinder ab 24 Monaten bis zu unter sechs Jahren soll die Menge der Zahnpasta der Größe einer Erbse entsprechen [Berg et al., 2021]. Für die Berechnungen, ob mit den Empfehlungen die Fluorosebefunde signifikant steigen werden, wurde ein Gewichtsäquivalent für eine reiskorngroße Menge Zahnpasta von 0,125 g und für eine erbsengroße Menge von 0,250 g gesetzt [Kramer et al., 2014]. Diese Annahmen sind deckungsgleich mit den Angaben der europäischen Leitlinie [Toumba et al., 2019]. Die Risikoeinschätzung hat das durchschnittliche Gewicht von Kindern in verschiedenen Altersgruppen, die Fluoridaufnahme aus Nahrung und fluoridiertem Kochsalz sowie die Art der Ernährung von Kleinkindern (gestillt oder mit Beikost) berücksichtigt. Für Kita-Kinder (Elementargruppen, Kinder ab drei Jahren) wurde für die Tage des Kita-Besuchs ein drittes tägliches Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahnpasta angenommen. Zudem wurde davon ausgegangen, dass die zum Putzen verwendete Zahnpasta zu 100 Prozent vom Kind verschluckt wird [Berg et al., 2021]. Dass Reste der Zahnpasta auf der Zahnbürste zwischen den Borsten verbleiben und damit nicht verschluckt werden, wurde ausgeklammert. In den Berechnungen (mit unterschiedlichen Annahmen der erwähnten Parameter) wird der auf das Körpergewicht abgestellte Grenzwert, ab dem das Fluoroserisiko steigt, unterschritten. Eine weitere Berechnung hat besonders leichte Kinder (konkret die leichtesten drei Prozent unter den Mädchen) berücksichtigt, Auch hier wurde in der Risikoabschätzung keine Überdosierung erreicht [Berg et al., 2021]. Schließlich wurde sogar angenommen, dass einige Betreuungspersonen der Kleinkinder die Entnahme der geringen empfohlenen Zahnpastamengen (insbesondere in Reiskorngröße) aus der Tube nicht realisieren können. Auch für diesen Fall, nämlich bis über eine Verdoppelung der Zahnpastamenge hinaus, wird der Grenzwert einer tolerierbaren oberen Fluorideinnahme nicht überschritten [Berg et al., 2021]. Dieser rechnerische Sicherheitsabstand wurde in erster Linie zur Wahrung der Alltagssicherheit in die Publikation der Empfehlungen aufgenommen. In keiner Weise soll der Eindruck entstehen, das Ziel, die geringen empfohlenen Mengen aus der Tube zu entnehmen, wäre damit hinfällig. Die Aufgabe für das zahnärztliche Team, die korrekte Entnahme zum Beispiel im Zuge der Leistungsposition FU-Pr zu kommunizieren und hierzu anzuleiten, bleibt unverändert bestehen. Eine einfache Möglichkeit, die geringe Entnahme einer reiskorngroßen Zahnpastamenge zu erleichtern, kann darin bestehen, das Borstenfeld der Zahnbürste quer mit Zahnpasta zu beschicken (Abbildung 1). Ungerechtfertigte Bedenken Eine aktuelle Publikation hat nun in fünf Kitas die von 61 Eltern aus Zahnpastatuben entnommene Menge Zahnpasta ermittelt und kommt bei zwei verschiedenen Zahnpasten zu Mengen von durchschnittlich 0,263 mg beziehungsweise 0,281 mg [Sudradjat et al., 2024]. Damit werden die in den Empfehlungen beschriebenen Mengen überschritten. Für die Bewertung dieser Überschreitung wurde als Referenz eine Menge gesetzt, die der Hauptuntersucher („ein erfahrener Zahnarzt“) bei fünf Versuchen durchschnittlich aus Zahnpastatuben entnommen hat. Diese sind mit 0,045 mg beziehungsweise 0,039 mg sehr gering. In der weitezm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1003) Prof. Dr. Ulrich Schiffner Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung Martinistr. 52, 20246 Hamburg u.schiffner.ext@uke.de und Beirat der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) Foto: privat

22 | ZAHNMEDIZIN ren Abhandlung wird diese Menge als Standard gesetzt, den die Eltern für die beiden verwendeten Zahnpasten um einen Faktor 5,9 beziehungsweise 7,2 überschreiten [Sudradjat et al., 2024]. Daraus wird ein hohes Gefährdungspotenzial der Empfehlung, schon bei Kleinkindern eine Zahnpasta mit 1.000 ppm Fluorid zu verwenden, abgeleitet. Die beschriebene Entnahme der sehr geringen Zahnpastamengen stellt eine gewisse Leistung dar. Damit werden die den nationalen und internationalen Empfehlungen zugrunde gelegten Zahnpastavolumina deutlich unterschritten. Dass diese von nur einer Person demonstrierte Menge in der Publikation dann aber zum Maßstab der weiteren Beurteilung gewählt wird, in der ein hohes Fluoroserisiko herausgearbeitet wird und die zu einer Verunsicherung von Betreuungspersonen führen kann, ist nicht nachvollziehbar. Auffällig ist weiterhin, dass in der Publikation als Grenzwert der Fluorideinnahme, ab der die Wahrscheinlichkeit von Fluorosen zunimmt, mit Bezug auf eine einzelne Literaturstelle ein Wert von 0,04 mg/kg Körpergewicht gesetzt wird. Der international übliche Wert von 0,05 mg/kg Körpergewicht [Berg et al., 2021; BfR, 2018; EFSA, 2013; Warren et al., 2009] wird nicht herangezogen. Zudem irren die Studienautoren, wenn sie aus dem Putzen in der Kita ein erhöhtes Fluoroserisiko auch für Kinder unter dem Alter von 24 Monaten ableiten. In Kitas werden den Kindern im Regelfall erst ab dem Alter von zwei Jahren die Zähne mit Zahnpasta gereinigt [DAJ, 2021]. Die in der erwähnten Publikation ermittelten Zahnpastamengen von durchschnittlich 0,263 mg beziehungsweise 0,281 mg befinden sich bezüglich der Fluoridaufnahme unterhalb der in den gemeinsamen Empfehlungen berücksichtigten oberen tolerierbaren Fluorideinnahme [Berg et al., 2021]. Unter diesem Aspekt liefert auch diese Publikation, die von einem Hersteller fluoridfreier Zahnpasten gefördert wurde, sogar Argumente für die Umsetzung der neuen Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) unterstreicht in einer aktuellen Stellungnahme den Bedarf für die Erhöhung der Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten und zugleich die Sicherheit der Empfehlungen [DGKiZ, 2024]. Diese entsprechen internationalen Leitlinien und Empfehlungen (Europäische Akademie für Kinderzahnmedizin (EAPD) [Toumba et al, 2019], Internationale Vereinigung für Kinderzahnmedizin (IAPD) [Pitts et al., 2019], Weltgesundheitsorganisation (WHO) [WHO, 2023]). Ein weiterer, ganz pragmatischer Ansatz, die Sicherheit der Empfehlungen zu belegen, ergibt sich aus Untersuchungen über das Vorkommen von Fluorosen in Ländern mit bereits seit Längerem bestehender Verwendung von Zahnpasten mit einem Fluoridgehalt von 1.000 ppm bei Kleinkindern. Dort wurde keine Zunahme von ästhetisch auffälligen Fluorosen beobachtet [Conway et al., 2005; Pendrys et al., 2010; Santos et al., 2013]. Dies schließt die Nutzung der Zahnpasta ab dem Durchbruch des ersten Milchzahns ein [Conway et al., 2005] und geht bis zu der Feststellung, dass kein Kind, dessen einzige Fluoridquelle eine 1.000-ppmZahnpasta war, auffällige Fluorosen aufgewiesen habe [Pendrys et al., 2010]. Eine weitere aktuelle Veröffentlichung, nach der die Aufnahme von Fluorid während der Schwangerschaft die kognitiven Fähigkeiten der Kinder reduzieren könnte [Grandjean et al., 2024], könnte ebenfalls die Eltern besorgen. Im Gegensatz zu ähnlichen Studien, die in Mexiko beziehungsweise Kanada durchgeführt wurden und bei denen der systemische Eintrag von Fluorid über das Trinkwasser in den Körper der Schwangeren die Zielrichtung der Kritik darstellt [Bashash et al., 2017; Green et al., 2019], wurde die neue Studie in Odense (Dänemark) durchgeführt. Dort liegen keine erhöhten Fluoridwerte im Trinkwasser vor, sondern mit einem Fluoridgehalt von 0,2–0,3 ppm [Grandjean et al., 2024] mit Deutschland vergleichbare Gehalte. Der Fluoridgehalt in Dänemark für Kinder verfügbarer Zahnpasten beträgt 1.000 ppm, zur Anwendung wird auf die den deutschen Empfehlungen inhaltlich gleiche europäische Leitlinie verwiesen [Toumba et al., 2019]. Es muss deutlich herausgestellt werden, dass sich in der Studie die kognitiven Fähigkeiten der Kinder als vollkommen unabhängig vom Fluoridgehalt im Urin der werdenden Mutter erwiesen haben [Grandjean et al., 2024]. Somit belegen die Ergebnisse aus Odense die Sicherheit der dort umgesetzten Fluoridierungsempfehlungen, die den aktuellen deutschen Empfehlungen entsprechen. Abenteuerliche Methodik Der irreführende Titel der Publikation („Dose dependence of prenatal fluoride exposure associations with cognitive performance at school age in three prospective studies“) gründet sich darauf, dass die Daten aus Odense mit den beiden Studien aus Mexiko und Kanada gepoolt wurden („merged“) [Grandjean et al., 2024]. In diesem gezm114 Nr. 12, 16.06.2024, (1004) FAZIT FÜR DIE PRAXIS n Die gemeinsamen Empfehlungen zur Kariesprophylaxe bei Kindern bis zum Alter von sechs Jahren berücksichtigen gleichermaßen die gewünschte Reduktion der Karieslast und die zu vermeidende Zunahme von Fluorosen. n Die empfohlenen Zahnpastamengen unterschreiten international gültige Grenzwerte der systemischen Fluoridaufnahme. Bis zum Erreichen dieser Grenzwerte besteht ein Sicherheitsspielraum. n Die Empfehlungen sind daher mit dem Ziel der Fluorosevermeidung sicher. Das trifft auch zu, wenn ab dem Alter von zwei Jahren in der Kita ein weiteres Mal mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta geputzt wird. n Ungeachtet dessen ist es eine Aufgabe für das zahnärztliche Team, die Betreuungspersonen über die angemessene Verwendung fluoridhaltiger Kinderzahnpasta zu informieren und die praktische Umsetzung mit den empfohlenen Volumina anzuleiten. n Es besteht kein Zusammenhang zu verringerten kognitiven Leistungen von Kleinkindern und Kindern infolge der Verwendung fluoridhaltiger Zahnpasta.

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