Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 3

34 | TITEL GEPLANTES HOCHSCHULSTÄRKUNGSGESETZ IN NRW Durchgefallen? Zur Belohnung gibt’s den Bachelor In Nordrhein-Westfalen liegt ein explosiver Gesetzentwurf auf dem Tisch: Studierende der Zahnmedizin und der Pharmazie sollen einen Bachelor bekommen, wenn sie durch bestimmte Prüfungen gerasselt sind, für angehende Mediziner reicht sogar die bloße Teilnahme. Man ist ja von der Politik viel gewöhnt. Aber auf die Idee, einen akademischen Grad für das Scheitern zu verleihen, muss man erst einmal kommen. Die Vertreterinnen und Vertreter der Heilberufskammern in NRW staunten nicht schlecht, als ihnen kurz vor Weihnachten per Zufall der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Hochschullandschaft („Hochschulstärkungsgesetz“) samt Anhörungsschreiben in die Hände fiel. Um ehrlich zu sein: Ihnen fiel buchstäblich die Kinnlade herunter. Dieses geplante Hochschulstärkungsgesetz in NRW sieht nämlich für die Studiengänge Medizin, Pharmazie und Zahnmedizin vor, dass im Fall des Nichtbestehens bestimmter Prüfungsabschnitte der Pharmazeutischen oder der Zahnärztlichen Prüfung sowie des Ablegens eines Abschnitts der Ärztlichen Prüfung Bachelorgrade verliehen werden sollen. Ja, richtig gelesen: Wer durchfällt – bei den Medizinstudierenden reicht die bloße Teilnahme an der Prüfung –, wird mit einem Bachelor belohnt. Erläutert werden die Pläne im Text in den Paragrafen 66 Abs. 1b bis 1d. So steht in Paragraf 66 Abs. 1c wörtlich: „Die Universität verleiht Studierenden eines Studiengangs der Zahnmedizin [...] einen Bachelorgrad, wenn sie den Dritten Abschnitt der Zahnärztlichen Prüfung (gem. ZApprO) oder die zahnärztliche Prüfung (gem. AOZ) nicht bestanden haben." Was man sich dabei gedacht hat? Nun, nach eigenem Bekunden wollte die Landesregierung eine „Attraktivitätsoffensive für den Hochschulbereich“ starten. „Der jetzt vorgelegte Entwurf [...] soll frühzeitig die rechtlichen Grundlagen für die Hochschulen verbessern, um die Studentinnen und Studenten noch erfolgreicher zu einem Studienabschluss zu führen und Berufstätigen Angebote für die berufliche Weiterbildung zu machen“, teilte sie am 11. November 2024 mit. Man wolle zudem „durch studierendenfreundlichere Präzisierungen im Gesetzestext für mehr Transparenz“ sorgen, wie es in dem 337-Seiten-Papier heißt. Last but not least sollten auch die Unis ihren Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten. Ein akademischer Grad fürs Scheitern Von diesen weitreichenden Ankündigungen erfuhren die Angehörigen der Heilberufskammern allerdings erst fünf Wochen nach der Anhörung – wohlgemerkt rein zufällig. Sie stellten dann auch mit „großer Verwunderung und großem Unverständnis“ fest, dass sie „als Interessenvertretungen ausweislich des Anhörungsschreibens weder im Rahmen der Verbändeanhörung beteiligt noch nachrichtlich über das Gesetzgebungsverfahren informiert werden sollten“. Und das obwohl die universitären Ausbildungen in dramatischer Weise geändert und damit einhergehend neue „heilberufliche Berufsbilder“ geschaffen werden sollen. Eingeladen waren in Düsseldorf stattdessen Organisationen wie Unternehmens- und Wohlfahrtsverbände, die Evangelische Kirche, der DGB, die Fachschaften sowie die Hochschullehrerinnen und -lehrer. Warum letztere nicht Alarm schlugen, wird verständlich, wenn man sich die Kommunikation des zuständigen Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen anschaut. Unter der Überschrift „Starke Hochschulen! Sichere Hochschulen!“ wurden die Pläne dort nämlich wie folgt präsentiert: „Bislang konnten die Hochschulen nicht in allen Fällen angemessen gegen Machtmissbrauch vorgehen, weil ihnen eine rechtliche Handhabe dafür fehlte. Mit dem Hochschulstärkungsgesetz stellt die Landesregierung den Hochschulen [...] einen Instrumentenkasten zur Verfügung, der [...] dafür sorgt, dass per Verwaltungsakt alle Betroffenen schon in einem laufenden Verfahren besser geschützt werden. Außerdem können jetzt Verstöße gegen die Redlichkeit wissenschaftlichen Arbeitens (etwa Verstöße gegen die korrekte Angabe der Autorenschaft bei zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (136) „Vor dem Hintergrund, dass Patienten üblicherweise über kein dezidiertes Wissen verfügen, wann und unter welchen Umständen eine Person ärztlich, pharmazeutisch oder zahnärztlich tätig sein darf, besteht das Risiko, dass sie lediglich auf den Bachelorgrad vertrauen und sich dadurch irreführen lassen.“ Jost Rieckesmann, Präsident der Zahnärztekammer Westfalen-Lippe

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