58 | GESELLSCHAFT zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (160) D-Mangel gehandelt haben. Auch genetische Syndrome wie das TreacherCollins-Syndrom führen den Wissenschaftlern zufolge zu einem ähnlichen Erscheinungsbild. Nun steht also fest, dass im Oktogon in Ephesos nicht Kleopatras Schwester begraben wurde, sondern ein männlicher Teenager mit Entwicklungsstörungen, der vermutlich Römer war. Warum es bei diesem Gebäude die architektonischen Anleihen an Ägypten gab, bleibt offen. Klar sei, dass das Grab für eine Person von sehr hohem sozialen Status vorgesehen war. „Die Ergebnisse der vorliegenden Studie eröffnen jedenfalls ein weites Feld für neue spannende Forschung“, schreiben die Autorinnen und Autoren. „Und die Suche nach den Überresten von Arsinoë IV kann nun frei von Gerüchten neu aufgenommen werden.“ ck Weber, G.W., Šimková, P.G., Fernandes, D. et al.: The cranium from the Octagon in Ephesos. Sci Rep 15, 943 (2025). https://doi.org/10.1038/s41598-02483870-x DAS ERZÄHLEN DIE ZÄHNE „In der Okklusalansicht zeigt M1 eine unverschlissene Oberfläche ohne glänzende Stellen. Es gibt daher keine Hinweise darauf, dass dieser Zahn statischen, stützenden oder dynamischen Kontakt mit seinem Antagonisten hatte. Dies deutet darauf hin, dass er nicht funktionell genutzt wurde, obwohl M1 im Oberkiefer in der Regel der erste bleibende Zahn ist, der durchbricht. Okklusale Fissuren, insbesondere die distale, sind von Fremdmaterial bedeckt. Die bukkale Oberfläche weist Zahnstein auf. An der distobukkalen und mesiolingualen Schmelz-ZementGrenze deuten sich subtile Anzeichen von Hypoplasie an. Die µCT-Bilder zeigen zahlreiche Risse im Zahnschmelzund Dentinmaterial. Einige dunkle Bänder dicht unterhalb der ZahnschmelzDentin-Grenze unterscheiden sich von den üblichen Rissen, da sie breiter und diffuser sind. Diese könnten auf interglobuläres Dentin (IGD) hinweisen, was wiederum auf einen Vitamin-D-Mangel hindeuten würde. Initiale Karies zeigt sich mesial im ehemaligen Kontaktbereich mit P 4 sowie an der mesiobukkalen Wurzeloberfläche. P 3 ist deutlich nach lingual geneigt und zeigt eine Schwarzverfärbung in der mesiodistalen Fissur. Nachfolgende Analysen konnten keine kariöse Demineralisierung bestätigen. Brauner Zahnstein zeigt sich auf dem Zahnschmelz und mesial zwischen bukkaler und palatinaler Wurzel. Im Unterschied zu M 1 hat P 3 deutliche Abriebspuren, insbesondere eine konkave Vertiefung an der bukkalen Höckerspitze mit Dentinkaries sowie vier Risse, die von der abgenutzten Höckerspitze ausgehen und nach mesial, distal, bukkal und lingual verlaufen. Im gesamten bukkalen Zahnanteil finden sich Frakturen, die sich entlang der Wurzel bis tief unter das Alveolarknochenniveau fortsetzen. Der instabile Zustand von P3 verursachte einen Knochenabbau an der bukkalen Alveolenwand. Wir kommen daher zu dem Schluss, dass diese Risse vor dem Tod entstanden sind. Insgesamt stellten wir einen leichten Kariesbefall, minimale Anzeichen von Entwicklungsstörungen (Hypoplasie) und keine Besonderheiten hinsichtlich der Wurzeln und Nervenkanäle fest. Beim Vergleich der 3-D-Form und -Größe der Zahnkronen von P 3 und M 1 mit einer geografisch vielfältigen Stichprobe sind weder hinsichtlich der Form noch der Größe Besonderheiten zu berichten. Aus funktioneller Sicht ist das völlige Fehlen von Verschleiß am M 1 im Vergleich zum beobachteten Verschleiß und den Frakturen am P 3 bemerkenswert. Starker Verschleiß sowie Frakturen und anschließende Resorption des Alveolarknochens können die Folge einer funktionellen Überlastung und falscher Okklusionsverhältnisse sein. In Anbetracht des geschätzten Alters zwischen 11 und 14 Jahren sollte M 1 fünf bis acht Jahre in Funktion gewesen sein, während P 3 normalerweise vier Jahre später durchbricht; er sollte also keinen stärkeren Verschleiß und keine stärkeren Schäden aufweisen alsM1. Vor diesem Hintergrund bezweifeln wir, dass M 1 jemals in funktioneller Okklusion mit seinen Antagonisten war. Das Fehlen von Abnutzung ist daher nicht das Ergebnis einer nicht abrasiven Ernährung, sondern einer Kaufunktionsstörung. Die vertikale Ausrichtung des Oberkieferbogens und die Abwinklung der Unterkiefergruben deuten auf ein vertikales Überwachstum des Oberkiefers und einen möglicherweise retrusiven, zu kleinen Unterkiefer hin." aus: Weber, GW, Šimková, PG, Fernandes, D. et al. Der Schädel aus dem Oktogon in Ephesos. Sci Rep 15 , 943 (2025). https://doi.org/10.1038/ s41598-024-83870-x Bukko-okklusale Ansicht der oberen M 1 und P 3 noch in situ: Während der später durchbrechende erste Prämolar bereits deutliche Abnutzungen am bukkalen Höcker zeigt, sind am ersten Molaren keinerlei Gebrauchsspuren zu erkennen. Beachten Sie auch die nach lingual geneigte Stellung des Prämolaren. Foto: Uni Wien
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