Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (648) Schluss, dass die Mitgliedstaaten im Großen und Ganzen mit ihren gegenwärtigen Systemen zufrieden sind. Dennoch, so diskutierte der BZÄK-Vorstand in Magdeburg, müssten die Entwicklungen auf euro- päischer Ebene – wie bei der DH in den Niederlanden – beobachtet werden. Vor allem die Lobbyarbeit von DH-Verbänden in Richtung Akademisierung und Selbstständigkeit auf europäischer Ebene müsse im Auge behalten werden. Politisch wird die Diskussion um die Selbstständigkeit der DH auch in Deutschland weiter auf der Agenda stehen. So ist etwa im Koalitions- vertrag der GroKo vorgesehen, den Gesundheitsfachberufen mehr Verantwortung zu übertragen. Das wirft zahlreiche Fragen auf: Wo sind die Grenzen der Delegation, wo beginnt die Substitution? Wem nützt es eigentlich wirtschaftlich, wenn die DH mehr Autonomie erlangt? Oder: Zeichnet sich gar ein neuer Dualismus im Berufsstand ab, der durch das Zahnheilkundegesetz von 1952 doch überwunden galt? pr Einwohner: 16.900.726 (2016) Zahnärzte: 8.712 (2017) DHs: 2.850 (2016) Bedarf an Zahnärzten: Es gibt zu wenig Ausbildungsplätze an den Universitäten. Pro Jahr werden 250 Zahnärzte zu wenig ausgebildet, benötigt werden also 250 Zahnärzte aus dem Ausland. Bedarf an DHs: Es gibt zu wenig. Benötigt werden 3.000 DHs. Quellen: CED 2017; EU-Kommission (2016); Angaben der KNMT Daten zur Versorgung in NL Der niederländische Gesundheitsminister Bruno Bruins will Dentalhygienikerinnen ab 2020 eine größere Autonomie ein- räumen. DHs können dann selbstständig, also ohne Aufsicht eines Zahnarztes Lokalanästhesien durchführen, primäre Karies behandeln und auf eigene Entscheidung hin Röntgen- aufnahmen anfertigen und beurteilen. Welche Absicht verfolgt der niederländische Staat damit? Dr. Henk Donker: Die Regierung geht von der Tatsache aus, dass wir in Holland einen großen Zahnarztmangel haben. Die DH soll künftig einfache Tätigkeiten der Zahnheilkunde selbstständig durchführen können, wodurch der Zahnarzt mehr Freiraum für die komplexeren Behandlungsfälle bekommt. Die Politik vergisst dabei jedoch, dass der DH – wenn sie konservierende Behandlungen durchführt – weniger Zeit für die Prävention bleibt. Hinzu kommt: Wir haben DHs mit einer zweijährigen, mit einer dreijährigen und mit einer vierjährigen Ausbildung. Aber nur diejenigen, die vierjährig ausgebildet wurden, haben gelernt, einfache Kavitäten zu füllen. Wir Zahnärzte haben kein Problem damit, dass die DH die genannten Tätigkeiten ausführt. Das muss aber im Zahnarztteam geschehen. Für uns gilt das Teamkonzept, bei dem alle mitarbeiten. Das bedeutet: Der Zahnarzt ist immer verantwortlich, wir stehen für Delegation statt Substitution. Die Regierung plant jetzt aber, dass die DH eigen- ständig arbeitet, ohne dass der Zahnarzt draufschaut. 85 Prozent der Zahnärzte in Holland arbeiten heute mit einer oder mehreren DHs. Diese DHs machen auch Röntgenaufnahmen, die allerdings vom Zahnarzt beurteilt werden müssen. Nur ein kleiner Anteil von ihnen, etwa 15 Prozent, legen einfache Füllungen. 98 Pro- zent der Zahnärzte sind zufrieden mit der Zusammenarbeit mit der DH – so, wie sie jetzt läuft. Welche Gefahren bergen die Pläne für den zahnärztlichen Berufsstand? Es gibt vor allem Gefahren für den Patienten! Wir als Berufsstand wollen, dass die Zahnärzte die Diagnose stellen und dann die Behandlung – nach Bedarf – delegieren. Ein Beispiel: Es ist schwierig, vorab zu beurteilen, wie tief eine Kavität ist. Oft erweist diese sich als umfangreicher, als anfangs gedacht. Man kann also nicht vorher- sagen, ob es bei der Behandlung Probleme geben wird. Und da ist natürlich der Zahnarzt als Experte gefragt. Hinzu kommt, dass das Bohren immer weniger medizinisch indiziert ist und dass eine prä- ventive Versorgung immer mehr an Bedeutung gewinnt. Was ist aus ökonomischer Perspektive von der Maßnahme zu halten – arbeitet eine DH billiger als ein Zahnarzt und können dadurch Kosten im Gesundheitswesen eingespart werden? Nein, Kosten werden nicht gespart. In den Niederlanden gibt es ein einheitliches Vergütungssystem für zahnärztliche Leistungen. Das heißt, eine Leistung ist nicht abhängig davon, wer sie macht, son- dern davon, was gemacht wird. Mit anderen Worten: Eine einfache Füllung ist beim Zahnarzt ebenso teuer wie bei einer DH. Wir gehen im Gegenteil davon aus, dass die Behandlungskosten langfristig zunehmen werden – wenn die Pläne ab 2020 greifen. Ein Beispiel: Eine DH macht eine Röntgenaufnahme, begutachtet diese und schickt sie dann an den Zahnarzt. Der Zahnarzt begutachtet ? ? ? Interview mit Dr. Henk Donker „Wir rechnen mit Doppelarbeit und mehr Kosten“ Mehr Autonomie für die DH in den Niederlanden? Für Dr. Henk Donker, Vizepräsident der nieder- ländischen Zahnärzteorganisation KNMT führen die Pläne der Regierung zu weit. Hollands Zahn- ärzte stehen für Teamwork – für die Arbeit mit der DH gemeinsam unter einem Dach. Foto: privat 16 Politik

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