Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 07

zm 108, Nr. 7, 1.4.2018, (731) Behandlung: Die Behandlung einer akuten Migräneattacke erfolgt in aller Regel medi- kamentös: Bei einer leicht- bis mittelgradigen Schmerzintensität raten die Experten zur Einnahme peripher wirksamer Analgetika, respektive nichtsteroidaler Antirheumatika (NSAR). Empfohlen werden die Wirkstoffe Acetylsalicylsäure (ASS), Paracetamol, Ibu- profen, Diclofenac, Metamizol und Napro- xen. Die Einnahme sollte erfolgen, sobald sich das Auftreten der Migräne abzeichnet. Etwa zehn Minuten vor dem Analgetikum sollte zudem ein Antiemetikum wie Meto- clopramid oder Domperidon genommen werden, um der Übelkeit entgegenzuwirken und die Resorption des Analgetikums zu ver- bessern. Bei schweren Migräneattacken oder nicht ausreichender Wirksamkeit der genannten Wirkstoffe ist die Einnahme eines selektiven Serotonin-1B/D-Rezeptorantagonisten, also eines Triptans, angezeigt. Die früher gebräuch- lichen Ergotaminpräparate gelten heute als weitgehend obsolet und kommen lediglich bei lang andauernden Attacken in niedriger Frequenz zum Einsatz. Bei den Triptanen gibt es inzwischen eine Vielzahl verschiedener Präparate, die sich hin- sichtlich des Wirkstoffs und der Applikations- form unterscheiden. Als Wirkstoffe sind Almotriptan, Eletriptan, Frovatriptan, Nara- triptan, Rizatriptan, Sumatriptan und Zolmi- triptan verfügbar. Sie unterschieden sich zum Teil in ihrer klinischen Wirksamkeit, ihrem Wirkeintritt und in ihrer Wirkdauer, so dass die Medikation der individuellen Be- schwerdesituation angepasst werden kann. Dies gilt umso mehr, als einzelne Präparate in verschiedenen Darreichungsformen ver- fügbar sind – etwa zur oralen, nasalen, rektalen oder auch subkutanen Applikation sowie als Schmerztablette. Zu beachten ist, dass Triptane nur an maximal zehn Tagen im Monat eingenommen werden dürfen und dass manifeste Herz-Kreislauf-Erkrankungen eine Kontraindikation darstellen. Prophylaxe: Treten im Mittel mehr als drei akute Migräneattacken pro Monat auf, ist eine medikamentöse Migräneprophylaxe angezeigt. Diese ist auch in Betracht zu ziehen, wenn die akuten Attacken durch die übliche Akutmedikation nicht zu be- herrschen sind. Üblicherweise eingesetzt werden Beta- blocker wie Propranolol und Metoprolol, die jedoch bei einer arteriellen Hypotonie, einer Bradykardie und bei einem Asthma bronchiale kontraindiziert sind. Charakteris- tische Nebenwirkungen der Betablocker sind Müdigkeit, eine Gewichtszunahme und Schlafstörungen. Alternativ kann die Prophylaxe mit dem Kalziumantagonisten Flunarizin erfolgen, wobei hinsichtlich po- tenzieller Nebenwirkungen auf Depressionen und extrapyramidale Bewegungsstörungen zu achten ist. Eine weitere Option stellen Antiepileptika wie Valproat oder Topiramat dar. Sie sind in ihrer Wirksamkeit den Beta- blockern und Flunarizin vergleichbar, wobei keine kardiovaskulären oder psychiatrischen Kontraindikationen bestehen, so dass die Wirkstoffe breit eingesetzt werden können. Es kann laut DKMG unter Valproat allerdings zu einer Gewichtszunahme kommen, wäh- rend Topiramat eher eine Gewichtsabnahme bedingt. Weitere potenzielle Nebenwirkungen sind Müdigkeit, Tremor und eventuell eine Leberenzymerhöhung sowie dermatologische Reaktionen wie ein allergisches Exanthem und/oder Haarausfall unter Valproat sowie Kribbelparästhesien und eventuell auch kog- nitive Störungen und möglicherweise sogar Wesensänderungen unter Topiramat. Die meisten Migräneprophylaktika werden einschleichend dosiert eingenommen und man sollte zur Dokumentation der Wirkung ein Kopfschmerztagebuch führen. Die Ein- nahme sollte mindestens drei Monate lang in ausreichender Dosierung erfolgen. Erst danach ist die Wirksamkeit zu beurteilen. Als wirksam gilt die Prophylaxe, wenn die Häufigkeit der Migräneattacken um min- destens 50 Prozent gesenkt oder die Schmerzintensität deutlich verringert wird, so dass man die akute Migräne wieder mit der Standardmedikation in den Griff bekommt. Rund 70 Prozent der Migränepatienten sprechen nach Expertenangaben auf die Migräneprophylaxe an. Es gibt laut DKMG weitere Substanzen, denen eine Wirksamkeit als Migräneprophylaktikum zugeschrieben wird, deren Effektivität jedoch weniger gut in klinischen Studien dokumen- tiert ist und die daher als Mittel der zweiten Wahl gelten. Hierzu gehören unter anderem Amitriptylin, Venlafaxin, Naproxen und ASS. Nicht sicher geklärt ist der Stellenwert von Magnesium bei der Migräneprophylaxe. Der Wirkstoff ist wahrscheinlich nur bei ver- gleichsweise milder Migräne wirksam, kann laut DKMG aber eine gute Alternative dar- stellen, wenn in der Schwangerschaft eine Migräneprophylaxe nötig ist. Als Hoffnungsträger bei der Migränepro- phylaxe gelten die derzeit in Entwicklung befindlichen monoklonalen Antikörper ge- gen das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP). Das aus 37 Aminosäuren bestehende CGRP scheint eine wichtige Rolle bei der Pathophysiologie der Migräne zu spielen. Es wird offensichtlich während eines Migräne- anfalls aus den Fasern des Trigeminus-Nervs freigesetzt und führt zu einer starken Vaso- dilatation im Gehirn sowie zu einer neuro- genen Entzündung. Durch das Binden des CGRP-Antikörpers an den Botenstoff kann ersten Studien zufolge eine Reduktion der Migräne erwirkt werden. Derzeit sind die drei Wirkstoffe Fremanezumab, Galcanezumab und Eptinezumab zur gezielten Migräne- prophylaxe in klinischer Entwicklung. Nicht-medikamentöse Prophylaxe: Es gibt auch nicht-medikamentöse Strategien zur Vorbeugung der Kopfschmerzattacken. Wichtig ist, Triggerfaktoren der akuten Migräne zu vermeiden. So ist bekannt, dass bei vielen Betroffenen ein abrupter Kohlen- hydratentzug, ein unregelmäßiger Schlaf- Wach-Rhythmus sowie ein wechselnder Koffeinkonsum akuten Attacken den Weg bahnen kann. Davon abgesehen gilt ein gutes Stressmanagement als bedeutsam, wobei Entspannungsverfahren wie die pro- Neues und Bewährtes aus Medizin, Praxis und Forschung. 99

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