Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 15-16

zm 109, Nr. 15-16, 16.8.2019, (1670) Elektrische Zigaretten sind seit rund 15 Jahren auf demMarkt. Es gibt viele verschiedene, hauptsächlich akkubetriebene Modelle. Sie funk- tionieren meist nach dem Verdampfer-Prinzip, dabei wird aus einer Flüssigkeit (Liquid) durch Erhitzung ein Aerosol gebildet und vom Benutzer inhaliert. Die Liquids gibt es ebenfalls in verschiedenen Zusammensetzungen, wobei die meisten neben Propylenglykol und Glycerol auch chemische Geschmacksstoffe und in variabler Dosis Nikotin enthalten. Es gibt zwar Liquids auf dem Markt, die als nikotinfrei deklariert werden, die WHO bemängelt aber, dass in vielen der getesteten Produkte den- noch Nikotin nachgewiesen werden konnte. Orale Effekte Eine Übersichtarbeit von Sultan et al. [2018] hat die Studienlage be- züglich der systemischen und der oralen gesundheitlichen Risiken von E-Zigaretten zusammengefasst: In Bezug auf die oralen Effekte gibt es nur vereinzelte Studien und noch keine Langzeitergebnisse. Eine Studie verglich E-Zigaretten-Raucher mit ehemaligen Rauchern konventioneller Zigaretten. Bei den Konsumenten von E-Zigaretten zeigten sich deutlich mehr orale Läsionen, zu denen insbesondere die Haarzunge, die Nikotin-Stomatitis und die angulare Cheilitis zählten. Die Autoren halten die Stomatitis für eine naheliegende Nebenwirkung aufgrund der Hitzeentwicklung. Einschränkend be- werteten sie die geringe Probandenzahl und die Tatsache, dass nur ehemalige (statt aktive) Raucher inkludiert wurden. Des Weiteren konnten Effekte von E-Zigaretten auf den Blutfluss der oralen Mukosa und eine Erhöhung der Durchblutung von oralem Gewebe nachgewiesen werden. So zeigten die Studienergebnisse eine erhöhte kapillare Durchblutung nach dem Konsum, der nach 30 Minuten wieder auf Baseline absinkt. Klinisch ableitbare Ergebnisse gibt es aber bislang nicht. Gelegentlich traten intraorale Explosionsverletzungen durch Über- hitzung der Lithium-Ionen-Batterie von E-Zigaretten auf. Zu den damit verbundenen Verletzungen zählten nach Sultan et al. [2018] Zahn- frakturen, Zahnavulsionen, dentoalveoläre Frakturen, Hämatome, traumatische Ulzerationen, intraorale Verbrennungen, palatinale Perforation, teilweise mit Extension bis in die Nasennebenhöhlen. E-Zigaretten stehen den Autoren zufolge zudem unter Verdacht, zur Entstehung von Parodontitis beizutragen. So haben Fibroblasten des parodontalen Ligaments unter Inkubation in Menthol-E-Zigaretten- Dampf deutlich niedrigere Proliferationsraten gezeigt. Eine andere Studie zeigte die Zytotoxizität und die Induktion von Apoptosen nach 48 Stunden E-Zigaretten-Exposition. Da es in beiden Studien keine Kontrollgruppen gab, beurteilten Sultan et al. [2018] diese Angaben in ihrer Übersichtsarbeit jedoch als wenig verlässlich. In einer anderen Studie konnten im Gegensatz zu normalen Zigaretten bislang keine Auswirkungen von E-Zigaretten auf die mikrobielle Flora nachgewiesen werden. Aufgrund der geringen Probandenzahl, feh- lender Geschlechterverteilung und des Aufbaus als Querschnittsstudie bewerten die Autoren allerdings auch diese als wenig verlässlich. Cotinin, ein Metabolit von Nikotin, konnte im Speichel von E-Zigaretten- Rauchern in ähnlicher Konzentration wie bei normalen Rauchern ge- messen werden. Nikotin ist als Suchtmittel bekannt, aber sein karzi- nogenes Potenzial sei bislang nicht gut untersucht, so die Autoren. Vermutet werden Tumor-induktive Prozesse, ein Unterdrücken der Apoptose und eine Induktion der Migration von OSCC-Zellen (Oral Squamous Cell Carcinoma). Gerade bei ehemaligen Rauchern sei bedenklich, dass durch E-Ziga- retten aus bestehenden, potenziell malignen Vorläuferläsionen durch das Triggern onkogener Signale dysplastische Läsionen entstehen könnten. Dazu wurden zytotoxische Effekte sowie induzierte DNA- Strang-Unterbrechungen bei normalen Epithelzellen und squamösen Zell-Karzinom-Zelllinien im Kopf und Halsbereich nachgewiesen. Diese unterbrochenen DNA-Stränge können in einer chromosomalen Um- strukturierung und Kanzerogenese enden, betonen die Wissenschaftler. Raucher-Entwöhnung mit E-Zigaretten In einer im „New England Journal of Medicine“ veröffentlichten Studie wurde geprüft, ob E-Zigaretten als Mittel zur Raucher-Entwöhnung geeignet sind. Das Ergebnis scheint positiv: Langjährigen Rauchern, die gewillt waren, das Rauchen zu beenden, gelang der Ausstieg über die E-Zigarette doppelt so häufig wie mit Nikotinersatzstoffen (Pflaster, Kaugummis, Lutschtabletten, medikamentöse Therapie). Nach zwölf Monaten waren 18 Prozent der E-Zigaretten-Raucher tabakabstinent. Aktuelle Studienlage E-Zigaretten – Fluch oder Segen? Der Umsatz mit E-Zigaretten ist in den vergangenen sieben Jahren von fünf auf 600 Millionen Euro gestiegen – allein in Deutschland. E-Zigaretten sind nicht nur ein Trend. Viele Raucher, die aufhören wollen, greifen in der Hoffnung auf einen leichteren Ausstieg zu E-Zigaretten. Die Frage ist aber, ob E-Zigaretten wirklich der erhoffte harmlosere Ersatzstoff sind – gerade im Hinblick auf die Folgen für die Mundgesundheit. Adobe Stock_Tanja Esser Das E-Zigaretten-Geschäft boomt. Doch welche Auswirkungen – insbesondere auf die Mundgesundheit – sind zu befürchten? 12 Zahnmedizin

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