Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 109, Nr. 23-24, 1.12.2019, (2635) aber immer auch die Belastung des Patien- ten durch eine meist erhöhte Strahlenexpo- sition – er verwies in diesem Zusammen- hang auf das in Arbeit befindliche Update zur DVT-Leitlinie. Neben den Verfahren der Röntgen-Bildgebung rücke aber zunehmend die Diagnostik mit dem MRT in den Fokus des Interesses. „MRT ist teuer, aber MRT hat ein hohes Potenzial“, bilanzierte Schulze und demonstrierte anhand von Beispielen, dass die MRT-Technik inzwischen durchaus Bildauflösungen generiert, die mit der 3-D-Röntgentechnik mithalten kann. Mit den Potenzialen der MRT-Technik be- schäftigten sich gleich vier Kurzvorträge. PD Florian Probst, München, (MRT-basierte computergestützte 3-D-Implantatplanung) und Dr. Alexander Jürchott, Heidelberg, (In-vivo-Vergleich zwischen MRT- und DVT- basierter 3-D-Kephalometrie) sahen bei vergleichbarer Darstellungsqualität die Vor- teile für das MRT in der strahlungsfreien Diagnostik. Monika Probst, München, sah beim MRT in der Parodontitisdiagnostik sogar einen diagnostischen Mehrwert, da „potenziell reversible Areale der Erkrankung anzeigt werden“. „Wir Zahnärzte wollen Fluorid lokal geben.“ Die lokale Fluoridierung sei entscheidend, betonte Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Hamburg, in seinem Vortrag „Fluoridierungskonzepte auf dem Prüfstand“. Mit Blick auf die neuen Fluoridempfehlungen der deutschen Fach- gesellschaften verwies Schiffner auch auf die internationalen Empfehlungen von EAPD und WHO. Mit 1.000 ppm Fluorid „sind wir im Mainstream“. Zu den immer wieder disku- tierten toxischen Eigenschaften von Fluorid betonte Schiffner, es gehe hier nicht um ein tödliches Gift, sondern schlimmstenfalls um Übelkeit und Erbrechen, wenn das Kind ganze Zahnpastatuben verzehre. Chronisch seien Schmelz-Fluorosen die einzige unerwünschte Nebenwirkung mit „sehr milden oder milden Ausprägungen“. In Deutschland gebe es zu- dem generell ein geringes Fluorose-Niveau. Von der Zahngesundheit zur Mundgesundheit „Time to put the mouth back inside the body & talk about Oral Health not Dental Health.“ Die Keynote des Parodontologen Prof. Dr. Iain L. C. Chapple, Birmingham, gehörte zu den diesjährigen Höhepunkten. Im Zuge von parodontalen und periimplantären Er- krankungen gelangten pathogene Bakterien aus der Mundhöhle über parodontale Taschen in den Blutkreislauf und könnten sich im ganzen Körper ausbreiten und dort Effekte auslösen. Deshalb sei es heute nicht mehr zeitgemäß, allein von Zahngesundheit zu reden. Man müsse stattdessen von Mund- gesundheit sprechen und darüber hinaus die systemischen Konsequenzen für die All- gemeingesundheit einbeziehen. Mit der Frage „Was ist gesund?“ beleuchtete Chapple aus parodontologischer Sicht eine der zentralen Fragen in der Medizin. Die moderne Sicht auf Gesundheit sieht den Menschen in einer biologischen Balance – als Holobionten, als symbiotisches Zusammen- spiel des menschlichen Organismus mit sei- nen „Bewohnern“, den Bakterien. Verschiebt sich dieses Zusammenspiel ins Dysbiotische, im Fall von Gingivitis und Parodontitis bei- spielsweise durch Plaqueakkumulation und eine Veränderung des Mikrobioms, könne ein gesunder Zustand in eine Erkrankung umschlagen. Auch Investoren-betriebene MVZ waren Thema auf dem Zahnärztetag. Die Deutsche Gesellschaft für Orale Epidemiologie und Versorgungsforschung (DGOEV) hatte zu einer Diskussion geladen. Dr. Norbert Engel, Referent für Qualitätsmanagement und Versorgungsforschung bei der LZK Baden- Württemberg, diskutierte mit Dr. Ivona Leventic, geschäftsführende Zahnärztin im AllDent-Zahnzentrum, einem Investoren- MVZ mit vier Standorten in Deutschland. Engel kritisierte insbesondere die Gesund- heitspolitik, die der Überzeugung sei, dass Konzentrationsprozesse eine bessere Medi- zin hervorbringen. In Wirklichkeit folgten die MVZ einer völlig anderen Mechanik: Dort gehe es um Gewinnmaximierung und letzt- lich würden Versichertengelder aus der Wert- schöpfungskette entnommen, um als Ren- diten ins Ausland zu fließen. Auch Leventic sah die Gefahr, dass das ärztliche Ethos „in den Hintergrund rückt“. Aber letztlich wür- den nur die MVZ erfolgreich sein, die die Ethik in den Vordergrund stellen. Aufschlussreich war, was Leventic über die Strukturen bei AllDent berichtete. Dort habe man kleine Teams aus nur wenigen Zahn- ärzten gebildet, um eine engere Zahnarzt- Patient-Beziehung zu schaffen – das sei wichtig, „um die Patienten zu binden“. Pa- tientenbehandlung „mit ärztlichem Ethos“, Versorgung in kleinen Teams – kopieren da Großversorger-MVZ die Strukturen der Niedergelassenen? br Prof. Wolfgang Wahlster bei seinem Eröffnungsvortrag Der Vortrag von Prof. Dr. Iain L. C. Chapple war einer der Höhepunkte des zweiten Tages. 17

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