Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm 109, Nr. 23-24, 1.12.2019, (2636) „Zu einer guten Debatte gehört, dass man – selbst am Ende – nicht immer einer Meinung sein muss“, setzte Spahn an. „Ich persönlich fühle mich immer herausgefordert, tiefer über eine Sache nachzudenken, wenn der Gegner gute Argumente hat. Wenn man Probleme so löst, dass das Ergebnis den Bürgern hilft, haben Sie mich immer an Ihrer Seite! Mir geht es darum, die Dinge ans Fliegen zu bringen!“ Der Berliner Flughafen des Gesundheitswesens Negativbeispiel ist für ihn die elektronische Gesundheitskarte: „Mit der eGK geht es doch auch deshalb kaum voran, weil mittendrin ständig die Verfahren geändert werden“, ver- deutlichte Spahn. Die eGK sei für ihn „der Berliner Flughafen des Gesundheitswesens“. Klar sei die Karte nur Mittel zum Zweck, die Patientenakte das eigentliche Ziel. „Aber wenn Sie jetzt sagen, die ePA gibt es ja noch gar nicht, sind wir beim Henne-Ei-Problem – was muss zuerst da sein: das Netz oder die Akte? Und Sie können einfach keine Anwendung flächendeckend einführen, wenn nicht alle Leistungserbringer an die Infrastruktur ange- schlossen sind.“ Das BMG werde eine sichere Anbindung für die Praxen gewährleisten. Dass der Großcousin nebenbei die TI in der Praxis installiert und wartet, sei heutzutage einfach nicht mehr angezeigt. Spahn: „In der Pflicht für einen korrekten Anschluss sind die Praxen, Kliniken und Apotheken – nicht die gematik! Doch werden wir abschließend klären, welche Verantwortung die gematik datenschutzrecht- lich hat.“ Dass man auf dem Land – hallo Funkloch! – per se vom Internet abgehängt ist, müsse sich dringend ändern: „Natürlich brauchen wir in ganz Deutschland Breitband und Sendemasten, aber die Genehmigungs- verfahren dauern und die Bau-Industrie hat Engpässe. Deshalb heißt es in Schritt eins: Alle werden angeschlossen, und in Schritt zwei: Die Plastikkiste hat ausgedient, es wird auf Software umgestellt!“ Ziel der Telemedizin sei, Digitales nutzbar zu machen. Spahn: „Ich möchte Sie einladen, diesen Prozess gemeinsam zu gestalten.“ Apple, Google, Amazon & Co. investierten Milliarden in die Gesundheitsbranche, um mit den gesammelten Daten Profit zu machen. China horte Informationen, um seine Bürger zu überwachen. Spahn: „Ich möchte nicht, dass wir die eine oder die andere Variante erleiden, sondern dass wir mit unseren Vor- stellungen von Datenschutz und -sicherheit eine eigene Infrastruktur und eigene Angebote für unser Gesundheitswesen entwickeln.“ Spahn gab sich erneut als „Fan der Selbst- verwaltung“. Über seine Begründung mussten freilich viele Delegierte schmunzeln: „Wir haben fast kein Gesetz vorgelegt, in demwir die Selbstverwaltung nicht gestärkt und Ihnen nicht neue Aufgaben zugewiesen hätten – eben weil wir Ihnen das zutrauen!“ So leiste der Gemeinsame Bundesausschuss zu 95 Pro- zent gute Arbeit. Aber: „Es gibt auch Fälle, in denen die gemeinsame Selbstverwaltung alleine nicht zu Entscheidungen kommt.“ So etwa bei der Methodenbewertung – für Spahn ein Thema, wo es ums Vertrauen geht: „Wenn Bürger mit Behandlungsfragen auf mich zukommen, und man als Gesundheits- minister sagt, da gebe es einen Gemeinsamen Bundesausschuss – den müssen Sie nicht kennen –, wann die aber zu einem Ergebnis kommen, weiß ich nicht und zu welchem auch nicht. Stärkt das das Vertrauen in die Entscheidungsfähigkeit der Politik? Ich denke nicht. Und mal ehrlich: Die Torte kriege ich sowieso ins Gesicht – dann aber wenigstens zu Recht!“ „Dialogbereit sind Sie!“, bestätigte der KZBV- Vorsitzende Eßer. „Was Ihre Liebe zur Selbst- verwaltung angeht, würde ich gern noch ein- fügen: Sie sind Fan der FUNKTIONIERENDEN Selbstverwaltung! Was uns eint, ist: Wir wollen Gesundheit gestalten und die Dinge nach vorn bringen.“ Aktuell habe die KZBV jedoch große Sorge, ob die im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) hinterlegte Steue- rungswirkung bei den MVZ überhaupt ein- trete. Eßer: „Gerade hat wieder ein belgischer Investor ein Minikrankenhaus mit 15 Betten nahe Stuttgart gekauft, um dann am Starn- berger See – nicht gerade eine unterversorgte Gegend – ein MVZ gründen zu können. Das KZBV-Vertreterversammlung in Berlin Die Dinge ans Fliegen bringen Seit drei Jahren führen Dr. Wolfgang Eßer, Dr. Karl-Georg Pochhammer und Martin Hendges die KZBV – Halbzeit. Zu diesem Bergfest besuchte Jens Spahn die Vertreterversammlung in Berlin – als erster Bundesgesundheitsminister überhaupt. Nach anderthalb Stunden Frage-und-Antwort-Pingpong wurde klar: So sehr sie auch miteinander um den richtigen Weg ringen, eins eint Zahnärzte und Minister. Beide Seiten wollen „die Dinge ans Fliegen bringen“. Der Gastgeber empfängt den Gastredner. Foto: Michelle Spillner 18 Deutscher Zahnärztetag 2019

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