Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 1-2

zm 111, Nr. 01-02, 16.1.2021, (35) schon in der Schule gelegt werden. Auch dafür, dass man digitale Kompe- tenz ein Leben lang weiterentwickeln muss“, hält Schäwel fest. MICROLEARNING BOOMT Wie unverzichtbar die Kompetenz ist, Informationen aus dem Internet rich- tig einzuordnen, wird auch vor dem Hintergrund klar, dass das sogenannte Microlearning boomt. Damit gemeint ist der Konsum kurzer Videos mit Lern- inhalten aus allen Lebensbereichen. Microlearning-Content vom Tutorial bis zum Lifehack ist auf allen Platt- formen im Internet beliebt und auch auf TikTok zu einem wichtigen Trend geworden. Das Unternehmen möchte diese Entwicklung nutzen, um sich zu diversifizieren – und abseits der Tanz- Challenges zu wachsen. Im Juni 2020 startete TikTok in diesem Sinne die Ini- tiative #LearnOnTikTok, in Deutsch- land entsprechend #LernenMitTikTok. „Ziel ist es“, teilt das Unternehmen mit, „ein Ökosystem des Lernens zu schaffen, in dem kreative Videoinhalte im Kurzformat immer und überall ver- fügbar sind. Vom Fachwissen von Me- diziner*innen, Sexualpädagog*innen und Lehrer*innen über Lifehacks, Motivationstipps oder Kochideen – um Lerninhalte dieser Art zu fördern, investiert TikTok europaweit 13 Mil- lionen Euro, davon rund 4,5 Millionen in Deutschland. Dabei arbeitet TikTok mit mehreren Hundert Creator*innen, Pädagog*innen, Expert*innen und gemeinnützigen Organisationen zusammen.“ Im Rahmen einer #TeileDeinWissen- Hashtag-Challenge konnte man auf TikTok bis Ende Juni Videos zu All- gemeinwissen, Beruf und Karriere, Körper und Fitness sowie Gesundheit erstellen. TikTok wählte die besten Bei- träge aus. Die Urheber erhalten für eine begrenzte Zeit finanzielle Unter- stützung für ihr Programm und werden von einer professionellen Influencer- Agentur betreut. Offizielle Creatoren für #LernenMitTikTok in Deutschland wurden unter anderem der Allgemein- arzt Dr. Felix Berndt (@doc_felix mit 412.000 Followern) sowie das Gynäko- login-Urologen-Duo Dr. Sheila de Liz und Volker Wittkamp (@doktorsex mit 531.000 Followern). Doch gibt mir da wirklich eine Zahn- ärztin Tipps zum Aufhellen meiner Zähne? Ist das ein echter Kieferortho- päde, der mir sagt, wie ich meine Zahnspange reinigen soll? Medien- wissenschaftlerin Schäwel sieht TikTok in der Verantwortung, die Qualifikation seiner Creatoren zu verifizieren: „Natürlich ist TikTok hauptsächlich für Unterhaltung da. Aber wenn man nach eigener Aussage in die Wissens- kommunikation einsteigen möchte, gehört die Qualitätskontrolle dazu.“ Auf die Frage, ob die Betreiber der Gewinner-Accounts, ihre Qualifikation belegen müssen, reagierte TikTok bisher nicht. Eine Unternehmenssprecherin betont, dass man sich „der Bedeutung seriöser Informationen zum Thema Gesundheit auf TikTok bewusst“ sei. TikTok entfernt nach eigenen Angaben „Fehlinformationen, die der Gesund- heit einer Person oder der öffentlichen Sicherheit insgesamt schaden könnten. Außerdem entfernen wir Inhalte, die im Rahmen von Desinformations- kampagnen verbreitet werden. Das gilt auch für Inhalte, die sich auf den Bereich Gesundheit beziehen.“ Ein „offizieller Creator #LernenMitTik- Tok“ ist der Zahnmedizinstudent Henrik Ridder – auf TikTok als @smile_expert unterwegs. Der Kanal des 22-Jährigen, der an der Uni Greifswald studiert, hat 132.000 Abonnenten. Für die Challenge im Sommer 2020 schickte Ridder ein Video über das Thema Zahnstein ins Rennen. In anderen TikToks erklärt er, was man gegen Mundgeruch tun kann, wie man sich Vampirzähne an Halloween anfertigt oder wie Zahn- spangen hergestellt werden. Ridder ist schon länger in den sozialen Medien aktiv. Vor TikTok hatte er sich auf Instagram eine große Follower- schaft aufgebaut. Seine Motivation: „Ich möchte vor allen Dingen zeigen, wie das Studium der Zahnmedizin ab- läuft und was zum Beruf des Zahn- arztes dazugehört. Nach der Schule wissen viele nicht, was sie beruflich machen möchten. Meine TikToks sollen eine Orientierungshilfe für alle sein, die sich für ein Zahnmedizin- studium interessieren. Social Media ist eine tolle Möglichkeit, sie hinter die Kulissen blicken zu lassen, damit sie die richtige Entscheidung für sich tref- fen können.“ Ridder stellt auch Mit- studierende aus anderen Fächern vor. Die Reaktionen seien bisher überwie- gend positiv, so der Student. „Bei mir läuft nicht immer alles perfekt. Daraus mache ich keinen Hehl und das kommt gut an“, lautet sein Fazit. WAS ERLAUBT EIGENTLICH DIE BERUFSORDNUNG? Aber dürfen Heilberufler in den sozia- len Medien medizinische beziehungs- weise zahnmedizinische Tipps geben? Was ist eigentlich erlaubt? Die Bundes- ärztekammer (BÄK) hat in ihrem Leit- faden „Ärzte in sozialen Medien“ aus dem Jahr 2014 festgehalten, wie sich Mediziner und Studierende in den sozialen Medien verhalten sollten: „Ärztinnen und Ärzte dürfen individuelle Was ist, wenn auch nur ein Zahnputzmuffel zu mehr Hygiene motiviert wird? Der Kieferorthopäde Dr. Benjamin Winters alias @thebentist (6,9 Millionen Menschen in der Community) betreibt auf TikTok lustige Wissensvermittlung. Foto: screenshot zm GESELLSCHAFT | 37

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