Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 10

zm112, Nr. 10, 16.5.2022, (966) FORTBILDUNG ANTIBIOTIKA UND RESISTENZENTWICKLUNGEN Endokarditisprophylaxe: Entwicklungen und aktuelle Empfehlungen Martin Kunkel Seit 2007 wurden die Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe deutlich reduziert. Die Auswirkungen dieser Deeskalation werden allerdings international nicht einheitlich bewertet. Daher lassen die deutschen Empfehlungen dem Zahnarzt/Arzt und der Zahnärztin/Ärtzin einen gewissen Rahmen für patientenindividuelle Entscheidungen. Die Erstbeschreibung der infektiösen Endokarditis durch Sir William Osler geht bereits auf das Jahr 1885 zurück [Osler, 1885]. Die ursprünglich durchgehend letale Erkrankung bleibt auch 135 Jahre später ein sehr ernsthaftes Krankheitsbild mit einer hohen frühen, aber auch mittelfristigen Mortalität um 20 bis 30 Prozent [Jung & Duval, 2019]. In Westeuropa liegt die jährliche Inzidenz heute um 35/1.000.000 Einwohner, wobei der Altersgipfel in der siebten und in der achten Lebensdekade zu finden ist [Selton-Suty et al., 2012, Thornhill et al., 2018]. Besondere Risiken bestehen nach Herzklappenersatz, implantierten kardialen Geräten und vorausgegangener Endokarditis mit jährlichen Inzidenzraten bis über 10/1.000. Diese Risikogruppen sind in Europa mittlerweile für gut ein Drittel aller infektiösen Endokarditiden verantwortlich. Darüber hinaus sind angeborene und vor allem degenerative Klappenveränderungen im hohen Lebensalter bedeutsam. In Japan entstehen sogar zwei Drittel aller Endokarditiden auf der Grundlage vorbestehender Herzerkrankungen [Nakatani et al., 2013]. Im Gegensatz hierzu wird das Ursachenspektrum in Ländern mit niedrigem Einkommen und niedrigen medizinischen Versorgungsstandards von Herzklappenschädigungen nach rheumatischem Fieber und angeborenen Herzfehlern dominiert, so dass der Erkrankungsgipfel hier bei jungen Erwachsenen liegt. Die weltweite Mortalität lag 2013 bei 1/100.000 [GBD, 2013]. PATHOGENESE UND KLINIK DER ENDOKARDITIS Die Pathogenese der Endokarditis beinhaltet drei wesentliche Prozesse [Cahill et al., 2017]. Am Anfang der Entwicklung steht die Bakteriämie, wobei die typischen Eintrittspforten in der Mundhöhle, dem Gastrointestinaltrakt, den Harnwegen und der Haut liegen. Hinzu kommt die Vielzahl iatrogener Maßnahmen, beginnend bei Verweilkanülen und Kathetern bis zu invasiven Maßnahmen und Operationen. Der nächste Schritt der Pathogenese ist die Adhäsion von Mikroorganismen, die insbesondere durch vorbestehende Schädigungen der endothelialen Auskleidung mit Fibrinauflagerungen und MikroCME AUF ZM-ONLINE Endokarditisprophylaxe: Entwicklungen und aktuelle Empfehlungen Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK. Foto: Adobe Stock_rob3000 48 | ZAHNMEDIZIN

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