Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 14

zm112, Nr. 14, 16.7.2022, (1378) einer translatorischen Zahnbewegung führen [Wehrbein et al., 1991]. Nach ungefähr neun Monaten konnten der aktive Lückenschluss abgeschlossen (mit dreimonatiger Behandlungsunterbrechung wegen COVID-19), die Suprakonstruktion entfernt und anschließend für weitere vier Monate das Ergebnis mit der Multibracketapparatur retiniert werden (Abbildung 4). Wie die Abbildungen 4a und 4b zeigen, konnte ein regelrechter Overjet und Overbite erzielt werden. Durch die Aufrichtung der Oberkieferfrontzähne und die daraus resultierende Vergrößerung des Overjets konnten der retrale Zwangsbiss aufgelöst und der Nasolabialwinkel zugunsten des extraoralen Profils verkleinert werden. Durch die indirekte Verankerung der zentralen Inzisivi konnten reaktive Kräfte durch eine unerwünschte Retraktion auf die Oberkieferfront und ein Verlust der Mittellinie während des aktiven Lückenschlusses vermieden werden. In Regio 22 wurde eine mesio-distale Lückenbreite in symmetrischer Anlehnung zur Gegenseite geschaffen. Nach Entfernen der Brackets wurde der konservierende Aufbau der Zähne 13 und 22 vorgenommen (Abbildung 5). Auf einen konservierenden Aufbau beziehungsweise Umbau des Zahnes 14 und eine begleitende Gingivektomie wurde auf Wunsch der Patientin verzichtet, die sich schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Ergebnis absolut zufrieden zeigte. Zur Rezidivprophylaxe wurden im Oberund im Unterkiefer permanente Retainer eingegliedert und ein herausnehmbares Retentionsgerät für die Nacht mitgegeben. DISKUSSION Patienten mit einer non-syndromalen Hypodontie gehören zum Alltag in kieferorthopädischen und zahnärztlichen Praxen, denn diese Symptomatik liegt bei 5,5 Prozent der europäischen Bevölkerung vor. Dabei ist das Vorkommen bei weiblichen Patienten um das 1,4-Fache häufiger als bei männlichen Patienten. Das unilaterale Auftreten in einem Kiefer ist häufiger als das bilaterale [Polder et al., 2004]. Der seitliche Schneidezahn ist mit 22,9 Prozent die zweithäufigste Aplasie im Oberkiefer noch vor den zweiten Prämolaren [Polder et al., 2004]. Eine genetische Beteiligung gilt bei dem Vorkommen einer Hypodontie als erwiesen [Kim et al., 2006; Vastardis, 2000; Matalova et al., 2008] und muss deswegen insbesondere in der familiären Anamnese berücksichtigt werden. An dieser Stelle ist insbesondere die zahnärztliche Diagnostik im Rahmen der halbjährlichen Kontrolle junger Patienten für das frühzeitige Erkennen einer Nichtanlage von besonderer Bedeutung. Im Verdachtsfall kann hier die Überweisung zum Kieferorthopäden Klarheit schaffen, der – anhand einer weiterführenden Diagnostik – die Diagnose zwischen einer Nichtanlage oder einer möglichen Spätanlage altersgemäß zu treffen hat. Nach der gesicherten Diagnose einer Aplasie spielen neben der Anzahl fehlender Zähne eine Reihe weiterer Parameter eine entscheidende Rolle für die Therapieplanung. Wie das Patientenbeispiel mit einer unilateralen Nichtanlage eines seitlichen Schneidezahns zeigt (Abbildungen 1 und 2), müssen dabei neben der Form, der Farbe und der Durchbruchsposition des bleibenden Eckzahns [Brough et al., 2010] das dentale und das chronologische Alter, der Wachstumsund Profiltyp, die Okklusion, die Mundhygiene und die Compliance des Patienten berücksichtigt werden. Abb. 4a: Ansicht von intraoral rechts: Distalverzahnung von einer Prämolarenbreite rechts nach erfolgtem Lückenschluss, 4b: Ansicht intraoral frontal a b UNIV.-PROF. EM. DR. MED. DR. MED. DENT. HEINRICH WEHRBEIN Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55116 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz 32 | ZAHNMEDIZIN

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