Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 19

zm112, Nr. 19, 1.10.2022, (1810) INTERVIEW MIT STEPHAN PILSINGER ZUM GKV-FINANZSTABILISIERUNGSGESETZ „Lauterbach legt die Axt an bewährte und sinnvolle Präventionsmaßnahmen“ Das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz stößt in den Gesundheitsberufen auf erheblichen Widerstand. Die Zahnärzteschaft fürchtet durch die Wiedereinführung von Budgetierung und Deckelung einen erheblichen Schaden für die zahnärztliche Versorgung. Die zm sprachen über den Gesetzentwurf der Ampelkoalition mit Stephan Pilsinger, dem gesundheitspolitischen Sprecher der CSU im Bundestag. Herr Pilsinger, der Entwurf des geplanten GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes wird von allen Beteiligten des GKV-Systems heftig kritisiert. Bei der Zahnärzteschaft stößt der Rückfall in die Zeiten strikter Budgetierung auf Unverständnis, schwere Nachteile für die Patientenversorgung werden befürchtet. Wie schätzen Sie und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion den Entwurf ein? Stephan Pilsinger: Dass der Gesetzentwurf von allen maßgeblichen Akteuren des Gesundheitswesens kritisiert wird, ist nicht verwunderlich. Bundesminister Lauterbach und seiner Ampel geht es einzig darum, das 17-Milliardenplus-X-Defizit für 2023 irgendwie zu stopfen. So will er völlig undurchdachte Sparmaßnahmen in allen möglichen Bereichen durchziehen, ohne strukturelle Reformen anzupacken und das Defizitproblem, das uns auch über 2023 hinaus eklatant beschäftigen wird, nachhaltig zu beheben. Um seine 17 Milliarden Euro irgendwie zusammenzukratzen, legt Lauterbach die Axt sogar an bewährte und sinnvolle Maßnahmen im Bereich der Prävention, die uns schlussendlich deutlich mehr Geld einsparen, als wir für diese zunächst ausgeben. Das ist einfach zu kurz gedacht – beziehungsweise gar nicht gedacht. Bundesgesundheitsminister Lauterbach versprach, Leistungskürzungen für Versicherte blieben ausgeschlossen, es werde keine Abstriche in der Versorgung geben. Die Zahnärzteschaft sieht jedoch den Erhalt der neuen, präventionsorientieren Parodontitisbehandlung und somit die Mundund Allgemeingesundheit von über 30 Millionen Patientinnen und Patienten durch den Gesetzesentwurf gefährdet. Hat Herr Lauterbach sein Versprechen gebrochen? Dieser Schritt wäre de facto eine klare Leistungskürzung. Denn mit der von Lauterbach vorgesehenen Wiedereinführung der strikten Budgetierung der zahnärztlichen Leistungen stünde die innovative und hochwirksame neue Parodontitisbehandlung, die sich ja über mehrere Jahre erstreckt und erst 2021 eingeführt wurde, vor dem Aus. Der SPD-Minister sieht dabei überhaupt nicht, dass es hier nicht um zahnästhetische „Aufhübschungen“ geht, sondern um eine nachhaltig wirkende, höchst sinnvolle präventionsorientierte Therapie. Konkret geht es um die Prävention nicht nur vor Zahnerkrankungen, sondern etwa auch vor Herz- und Kreislauferkrankungen, vor Demenz oder Diabetes – systemische Krankheiten, mit denen Parodontitis in einem nachgewiesenen Zusammenhang steht. Denken Sie auch an schwangere Frauen und mögliche Schwangerschaftskomplikationen. Um diese Folgeerkrankungen zu behandeln oder gar zu heilen, muss die GKV wirklich viel Geld in die Hand nehmen – deutlich mehr, als sie für die Parodontitisbehandlung präventiv ausgegeben hätte. Diese Sparmaßnahme sorgt nicht nur für zahnlose Patientinnen und Patienten, sondern steht auch für eine hirnlose Gesundheitspolitik. Sie bemängeln den fehlenden politischen Weitblick des Bundesgesundheitsministers in der Erarbeitung dieser Gesetzesvorlage und bezeichnen das Gesetz als „ein Sammelsurium von offensichtlich unkoordinierten Maßnahmen“. Welche nachhaltigen Reformen halten Sie denn stattdessen für notwendig, um das GKV-System langfristig zu stabilisieren? Akut muss der Minister beziehungsweise müssen die Ampel-Fraktionen im Bundestag in den anstehenden parlamentarischen Verfahren die gerade genannte und andere unüberlegte Sparmaßnahmen zurücknehmen. Das darf so keinesfalls ins Bundesgesetzblatt. STEPHAN PILSINGER ... ist gesundheitspolitischer Sprecher der CSU im Deutschen Bundestag. Foto: Timo Hänseler 12 | POLITIK

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