Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm112, Nr. 21, 1.11.2022, (2104) INTERVIEW MIT DR. ALEXANDER SCHAFIGH UND DR. ARMIN REINARTZ „Jeder Mensch hat das Recht auf Schmerzlinderung“ Dr. Alexander Schafigh und Dr. Armin Reinartz fliegen – wann immer es ihre Arbeit in Deutschland zulässt – zu Hilfseinsätzen auf die griechische Insel Chios. Was sie antreibt, erzählten sie uns im Interview. Was treibt Sie immer wieder zu Hilfseinsätzen an? Dr. Alexander Schafigh: Gerade in diesen Zeiten ist mir noch einmal bewusst geworden: Wir dürfen keine Unterscheidungen von Geflüchteten machen. Ob sie nun seit diesem Jahr aus der Ukraine kommen oder seit vielen Jahren aus Syrien, aus Afghanistan oder auch aus afrikanischen Staaten – jeder Mensch hat ein Recht auf Schmerzlinderung und muss medizinisch versorgt werden. Das hat die Politik in den GeflüchtetenCamps schlicht vergessen. Dort werden nur dringende Notfälle behandelt. Alles Weitere ist von Hilfsorganisationen initiiert und mit Spenden finanziert. Mein Weg hat mich auf die griechischen Inseln geführt. Ich brenne für die Sache, denn wir können mit unserer Arbeit vor Ort Menschen helfen, die meist viel Schreckliches erlebt haben. Die Gründe für die Flucht, die Odyssee selbst und dann noch das lange Warten auf die Entscheidung über den Asylantrag – das alles ist enorm belastend für diese Menschen. Wann kommen Sie an Ihre Grenzen? Dr. Armin Reinartz: Vor Ort sind wir inzwischen gut organisiert mit unserer Zahnstation. Die Camp-Organisatoren kennen uns, wir sind etabliert und die Abläufe laufen meistens rund. Allerdings nimmt es mich bei aller Erfahrung und Routine immer noch mit, wenn mir Patienten ihr persönliches Schicksal rund um die Flucht berichten. Im Sommer beispielsweise kam ein Mann aus Afghanistan zu uns in die Station, der hatte gar kein Problem mit seiner Mundgesundheit, er wollte einfach darüber reden, was er erleben musste. Seine Frau und seine Tochter sind bei der Überfahrt von der Türkei nach Chios ertrunken. Tot, für immer weg aus seinem Leben. Und er konnte sie nicht einmal bestatten lassen, um Abschied zu nehmen. Auf der Suche nach einem besseren Leben für seine Familie und sich hat er sie verloren. Bei dieser Geschichte lagen wir uns am Ende in den Armen, auch ich habe geweint. Denn ich konnte ihm nicht helfen, nichts sagen, was seinen Schmerz gelindert hätte. Das werde ich nie vergessen. Genauso wenig wie Geflüchtete, die nach den stundenlangen Pushbacks vor lauter Erschöpfung in ihren Verstecken in den Dünen versterben. Das darf nicht passieren! Im ersten halben Jahr unserer Arbeit, damals waren wir ja noch auf Lesbos im Camp Moria, habe ich viel von den Schicksalen mit nach Hause genommen. Es hat wahnsinnig in mir gearbeitet. Ich war einerseits stiller als sonst, andererseits dünnhäutiger und leichter gereizt. Das ist meiner Familie aufgefallen. Dennoch haben wir entschieden weiterzumachen. Die Hilfe abzubrechen war keine Option. Mit der Routine bin ich dann auch ein Stück weit gelassener geworden. Wie würden Sie Kolleginnen und Kollegen für die Arbeit motivieren? Erst einmal ist jeder, der helfen will, sehr herzlich willkommen. Ob mit nur einer Woche Zeit oder mit mehWENN SIE HELFEN WOLLEN SPENDENKONTO Dental Emergency Team apoBank IBAN: DE 35 3006 0601 0007 6168 41 BIC: DAAEDEDDXXX Für die Spendenquittung bitte Name und Adresse unter „Verwendungszweck“ angeben. Dental Emergency Team e. V. Dr. Alexander Schafigh dental-emt@web.de http://dental-emt.org/ DR. ALEXANDER SCHAFIGH UND DR. ARMIN REINARTZ Schafigh (l.) und Reinartz haben gemeinsam die zahnmedizinische Hilfsorganisation Dental Emergency Team (Dental-EMT) gegründet. Foto: Schafigh Foto: Reinartz 82 | GESELLSCHAFT

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