Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 4

zm113 Nr. 04, 16.02.2023, (225) GESELLSCHAFT | 35 Frauen in verschiedene Berufe kanalisieren. Diese beruflichen Merkmale, wie Einkommen, Qualifikationseinsatz oder durchschnittliche Arbeitszeiten, können die Mobilität, sprich die Berufswechsel, in mehrfacher Hinsicht beeinflussen: zum Beispiel durch Merkmale, die einen Beruf für Frauen im Vergleich zu Männern zu einem attraktiven Mobilitätsziel machen (Pull-Faktoren); oder durch Merkmale eines Berufs, die dazu führen, dass Menschen ihren Beruf verlassen (Push-Faktoren). Welche Merkmale beeinflussen die Berufswahl? Dies führt zu einer strukturellen Beschreibung von Mobilitätsmustern. Beispiele dafür sind: „Frauen verlassen eher als Männer Berufe, die regelmäßige Überstunden erfordern" oder „mobile Männer wechseln eher in Berufe, die mathematische Fähigkeiten erfordern, als mobile Frauen". Da es sich um eine strukturelle Beschreibung der Mobilität handelt, ist es für die Modellierung irrelevant, durch welche Mechanismen die beruflichen Merkmale die Mobilität beeinflussen. Wichtig ist nur, dass die relevanten Merkmale, die nachweislich einen unterschiedlichen Einfluss auf die Berufswahl von Frauen und Männern haben und damit die unterschiedliche Mobilität von Frauen und Männern vorhersagen, ins Modell aufgenommen werden. In dieser Studie wurde ein Netzwerk verwendet, das auf empirischen Daten basiert, die berufliche Veränderungen in Großbritannien von 2000 bis 2008 beschreiben (N = 5.967, 50,9 Prozent Frauen). Die Studie vergleicht zwei hypothetische Berufe, die in allen Berufsmerkmalen identisch sind und sich nur darin unterscheiden, dass in einem 25 Prozent und im anderen 75 Prozent Frauen arbeiten. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass Männer mit doppelter Wahrscheinlichkeit den sich feminisierenden Beruf verlassen. Die Auswirkung dieses Verhalten wird in einer Simulationsstudie erforscht, in der Frauen und Männer sich nicht vom Geschlecht der anderen Arbeitnehmer in Berufen beeinflussen lassen. Würden Frauen und Männer bei ihrer Entscheidung, in einem Beruf zu bleiben oder ihn zu verlassen, nicht auf die Geschlechterzusammensetzung achten und würden tatsächlich nur berufsspezifische Attribute (wie Lohn, Flexibilität oder Charakteristiken der Tätigkeit) die Berufswechsel beeinflussen, sagt die Simulationsstudie eine Abnahme der Geschlechtertrennung in Berufen um 19 bis 28 Prozent voraus. Block folgert daraus, dass Geschlechtertrennung nicht nur von geschlechtstypischen Berufsattributen verursacht wird, sondern auch von Männern (und Frauen), die sich bewusst oder unbewusst gegen eine Durchmischung wehren. DieWahrnehmung von Berufen ist möglicherweise also auch eine Konsequenz der Geschlechterzusammensetzung statt nur ihre Ursache. Block gibt ein Beispiel: „Der Pflegeberuf wird eher mit stereotyp weiblichen Attributen beschrieben: sozial, empathisch, kümmernd. Wären die meisten Pflegepersonen Männer, würden wir den Beruf vielleicht ganz anders wahrnehmen, zum Beispiel als verantwortungsbewusst, durchsetzungsstark oder körperlich anstrengend." nb Per Block: Understanding the self-organization of occupational sex segregation with mobility networks. Social Networks. 30. December 2022. Doi: 10.1016/j.socnet.2022.12.004 FRAUENANTEIL IN DER ZAHNMEDIZIN WÄCHST KONTINUIERLICH DerFrauenanteil inderZahnmedizin nimmt seit Jahren kontinuierlich zu – ebenso in der Human- und der Veterinärmedizin [1]. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mit dem Wegfall überkommener Rollenbilder wurde immer mehr jungen Frauen der Weg zu einem höherwertigen Bildungsabschluss mit Hochschulreife geebnet. Der Anteil der Abiturientinnen liegt bereits seit zwei Jahrzehnten über dem der jungen Männer. Hinzu kommt, dass Frauen im Schnitt die besseren Abiturnoten haben [2]. Bei den sogenannten Numerus-clausus-Fächern erfüllen somit signifikant mehr Frauen als Männer die Zugangsvoraussetzungen zum Studium. Das wiederum hat zur Folge, dass sich aktuell deutlich mehr Frauen (72 Prozent) als Männer für einen Studienplatz im Fach Zahnmedizin bewerben. Der „Zustrom“ führt insofern automatisch zu einer „Feminisierung“ der Zahnmedizin. Schaut man sich hingegen ältere Jahrgänge an, die aus dem Beruf ausscheiden, so scheiden hier vor allem Männer aus. In der Gruppe der 65-Jährigen und älteren sind aktuell in den alten Bundesländern 78 Prozent Männer und nur 22 Prozent Frauen, in den neuen Bundesländern sind es 55 Prozent Männer und 45 Prozent Frauen. Auch hier führt die ungleiche Geschlechtsverteilung in der Alterspyramide [3] also automatisch zu einer Zunahme des Frauenanteils. Dr. David Klingenberger, Stellvertretender Wissenschaftlicher Direktor Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) [1] https://www.zeit.de/ campus/2019-10/geschlechterverhaeltnis-studiengaenge-frauenmaenner-studium-universitaet?utm [2] https://www.clearinghouse. edu.tum.de/reviews/geschlechterunterschiede/bekommenmaedchen-tatsaechlich-bessereschulnoten-als-jungen/ [3] Vgl. Kettler, Junge Zahnärztinnen und -ärzte, Köln 2021, S. 93. ANTEIL DER FRAUEN AN DEN ... (IN PROZENT) im Jahr 2000 im Jahr 2021 Studienanfängern der Zahnmedizin 60,7 71,7 Studierenden der Zahnmedizin 52,2 68,0 Studienabschlüssen der Zahnmedizin 48,7 69,0 Promotionen in der Zahnmedizin 41,7 65,7 zahnärztlich tätigen Zahnärzten 36,3 47,5 niedergelassenen Zahnärzten 34,0 39,0 Quelle: BZÄK, 2022

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