Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 4

ZAHNMEDIZIN | 53 zm113 Nr. 04, 16.02.2023, (243) Dr. Bruno Imhoff, Spezialist für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) Josef-Haubrich-Hof 5, 50676 Köln imhoff@dgfdt.de Foto: Privat tion in aller Regel eine gute Prognose haben. Abzugrenzen sind CMD-Beschwerden, die Ausdruck einer Schmerzerkrankung und/oder starker unspezifischer Belastungen sind. Daher ist vor Therapiebeginn die Erfassung von Belastungsfaktoren international anerkannter Therapiestandard. In Anlehnung an einen internationalen Forschungsstandard aus dem Jahr 1992 (RDC/TMD) werden diese Faktoren als Achse II bezeichnet; deren systematische Erfassung bildet daher ein Achse-II-Screening. Geräusche der Kiefergelenke (Knacken und Reiben) beunruhigen oftmals Betroffene und Behandelnde. Hierzu wird festgestellt, dass Kiefergelenkgeräusche allein in der Regel keiner Behandlung bedürfen. Dies kann sich ändern, wenn Schmerzen oder Funktionsbeeinträchtigungen bestehen. In der Funktionstherapie stehen verschiedene Therapiemittel zur Verfügung; diese werden einzeln oder in Kombination eingesetzt. Okklusionsschienen Als zahnärztliche Maßnahmen haben sich Okklusionsschienen bewährt. Unterschieden werden drei Schienentypen, die indikationsbezogen eingesetzt werden können. Relaxierungsschienen (zum Beispiel Typ Michigan) können mit hoher therapeutischer Sicherheit und sehr geringem Nebenwirkungspotenzial (auch langfristig) eingesetzt werden. Reflexschienen (zum Beispiel anteriores Plateau, Frontzahn-Jig) sind ebenfalls wirksame Therapiemittel. Sie werden aufgrund ihres Nebenwirkungsrisikos in der Regel nur kurzzeitig eingesetzt. Positionierungsschienen sind besonderen Fällen vorbehalten, in der Regel, wenn eine Arthropathie Ursache von Schmerzen oder Funktionseinschränkungen ist. Sie werden für mehrere Monate dauerhaft getragen. Ein Ausschleichen aus demdauerhaften in einen nur stundenweisen Tragerhythmus nach spätestens sechs Monaten reduziert die Wahrscheinlichkeit, dass eine Folgebehandlung erforderlich wird. Spezifische kieferorthopädische Verfahren zur Therapie der CMD an sich fanden sich in der Literatur nicht; die CMD wird nicht primär mittels kieferorthopädischer Verfahren therapiert. Es können solche kieferorthopädischen Geräte eingesetzt werden, deren Wirkung ähnlich der von Okklusionsschienen ist. Besonders eng sollte das Indikationsspektrum für Folgebehandlungen nach zahnärztlicher Funktionstherapie gefasst werden. Die Autorengruppe betont, dass prothetische und/ oder dauerhafte kieferorthopädische Maßnahmen nur in besonderen Ausnahmefällen und nach erfolgreicher Funktionstherapie begründet sind. In der Regel betrifft dies Situationen, in denen nach Abschluss der Funktionstherapie die Funktion der Kaumuskulatur und der Kiefergelenke wiederhergestellt ist, die therapeutische Kieferrelation aber mit einer unphysiologischen statischen und/oder dynamischen Okklusion einhergeht. Wenn im Rahmen der funktionellen Behandlung kein ausreichender Therapieerfolg erzielt werden kann, sollte eine weitergehende Abklärung der Belastungsfaktoren erfolgen und auf eine Umsetzung der therapeutischen Kieferrelation verzichtet werden. Nach dem neuen Standard sollten Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke, wenn eine fachgerechte konservative Funktionstherapie von einigen Wochen keine Linderung bringt, durch minimalinvasive chirurgische Verfahren therapiert werden (Arthrozentese, gegebenenfalls Arthroskopie). Weitere chirurgische Verfahren werden in der wissenschaftlichen Mitteilung adressiert; sie sind spezifischen Krankheitsbildern vorbehalten. Multimodale Therapie Insbesondere bei myogenen Beschwerden sind physiotherapeutische Maßnahmen ergänzend zur Schienentherapie ein bewährtes Therapiemittel. Ergänzend oder alternativ hierzu können auch physikalisch-medizinische Maßnahmen hilfreich sein. CMD-Patienten mit lang andauerndem und/oder besonders intensivem Definition der craniomandibulären Dysfunktion Craniomandibuläre Dysfunktion (CMD) umfasst Schmerz und/oder Dysfunktion: Schmerz tritt in Erscheinung als Kaumuskelschmerz und/ oder Kiefergelenkschmerz sowie als (para)funktionell bedingter Zahnschmerz. Dysfunktion kann in Erscheinung treten in Form von „ schmerzhafter oder nicht schmerzhafter Bewegungseinschränkung (Limitation), Hypermobilität oder Koordinationsstörung (auf Unterkieferbewegungen zielender Aspekt), „ schmerzhafter oder nicht schmerzhafter intraartikulärer Störung (auf das Kiefergelenk zielender Aspekt), „ die Funktion störenden Vorkontakten und Gleithindernissen (auf die Okklusion zielender Aspekt). GRUNDSÄTZE DER CMD-DIAGNOSTIK Zur Diagnostik craniomandibulärer Dysfunktionen (CMD) sind die Erfassung somatischer Funktionsbefunde (in Bezug auf Kiefermuskeln, Kiefergelenke, Okklusion) sowie Screenings in Bezug auf verschiedene Risikofaktoren etabliert (übermäßige Stressbelastung, Angststörungen, Depressionen, Komorbiditäten wie zum Beispiel Schmerzchronifizierung/Schmerzerkrankung).

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