Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 4

zm113 Nr. 04, 16.02.2023, (255) POLITIK | 65 Schirbort wurde aktiv. In seiner standespolitischen Heimat, dem Freien Verband, dem er seit 1968 angehörte, meldete er sich fortan kritisch zu Wort. Zu jener Zeit gehörten auch zumindest die „einfachen“ Mitglieder im FVDZ zu den eher unkritischen Befürwortern der neuen Regelungen – wie überwiegend die Kolleginnen und Kollegen im Land. Zu Beginn war gegen diese Allianz der Nutznießer nur schwer anzukommen. Als standespolitischer Querulant mit wenigen Gleichgesinnten war er in der Minderheit – nicht nur im Freien Verband. Aber schnell wurde er zu seinen Vordenkern, entwickelte Vorschläge, wie sich der Berufsstand aus der Falle und Umklammerung der sich ankündigenden Kostendämpfungsgesetze lösen könnte. Antritt zum Auftritt 1989 setzte ihn sein Landesverband Niedersachsen des FVDZ mit einer Mehrheit in der Vertreterversammlung der KZV Niedersachsen als neuen Vorsitzenden der KZV durch. Fortan mischte er zusammen mit dieser Hausmacht und mit ähnlich denkenden Kollegen aus dem bayerischen Landesverband zuerst die moderate Bundespolitik des Freien Verbandes, später die der KZV-Landschaft auf. Der Mainstream tickte noch anders. Auf den Bundesversammlungen des FVDZ prägten heftige, auch giftige Rededuelle der Delegierten aus Bayern und Niedersachsen mit den „Softies“ aus den anderen Landesverbänden die Abläufe. Ein neues Dreigestirn führte das Wort: der schnell polternde, menschlich aber sehr feinfühlige Bayer Ralph Gutmann, der unterkühlt-nüchterne „Chefideologe“ Hans-Henning Bieg aus Bremen und der von der Mehrheit der KZV-Chefs als eher starrköpfig beschriebene Karl Horst Schirbort. Legendär seine Antritte zum Rednerpult: Die Mimik geprägt von leicht zusammengekniffenen Augen und zusammengepressten Lippen, den Kopf leicht nach vorn gebeugt, stampfte er mit Kampfesschritten aus den hinteren Reihen zum Podium. Ob bewusst oder nicht: So war sein Antritt zum Auftritt! Er konnte austeilen, wenn er die Dinge, die ihn quälten, benannte; wenn er die Positionen und Argumente der anderen mit zunehmendem Temperament und rotem Rage-Kopf zu zerpflücken suchte. Ich bin aber überzeugt: Keiner seiner Gegner konnte sich je persönlich verunglimpft fühlen. Wer kein Erfüllungsgehilfe sein will, muss raus aus der GKV Die einsetzenden Kostendämpfungsgesetze zeigten in den Praxen zunehmend spürbare Wirkung. Eine eher hilflose Gesundheitspolitik setzte auf Reglementierung und auf für die Zahnärzteschaft unheilvolle Umstrukturierung. 1992 spitzte sich die Lage zu. Die Eckpunkte für das von der damaligen Bundesregierung angepeilte Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) waren bekannt geworden. Im „Lahnsteiner Kompromiss“ wollten CDU, FDP und SPD die explodierenden Kosten im Gesundheitswesen in den Griff bekommen und hatten sich auf die Instrumente geeinigt: Bedarfsplanung und Zulassungsbeschränkungen, Altersgrenze 68 Jahre, Gewährleistung – und eine auf Jahre festgelegte strikte Budgetierung der ärztlichen und zahnärztlichen Vergütung. Schirbort formulierte seine Analyse in einem Vortrag Ende 1992 in Mainz so: „In der Praxis werden wir Erfüllungsgehilfen der Krankenkassen sein und in den Ehrenämtern der Selbstverwaltung zu reinen Erfüllungsgehilfen der Ministerialbürokratie degradiert. Eine qualifizierte Zahnheilkunde wird es damit nicht geben. Wer das mit sich geschehen lassen will, muss im System der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben. Wer das alles nicht will, muss die GKV verlassen.“ Die unselige Gesetzgebung und die Schirbort'sche Analyse machten eine Initiative populär, die er schon Mitte der 80er-Jahre in Niedersachsen vorgestellt hatte. Das „Korb-Modell“ fand zunehmend Interesse, in den Bundesländern bildeten sich „Korb-Initiativen“. Dabei verpflichteten sich die teilnehmenden Kolleginnen und Kollegen unter notarieller Begleitung, zum Zeitpunkt X die Kassenzulassung zurückzugeben. Der Notar sammelte diese Verpflichtungen „in einem Korb“. Ausgeleert wurde er nicht, das Modell nicht realisiert. Karl Horst Schirbort: „Wir hatten schon über 50 Prozent im Korb, konnten uns aber dann berufsintern nicht einig werden, ob das reicht, deshalb haben wir das Modell nicht umgesetzt. Das Ergebnis wäre zu knapp geworden.“ Das ist die richtige Bilanz, aber geschönt formuliert. Wir Zahnärzte gingen überzeugt in den Korb (auch ich), da es ja „nur“ eine Bereitschaft für den Tag X sein sollte. Als dann aber dieser Tag X näher kam, wurden die meisten zögerlich (auch ich): Die Alten hatten ja womöglich ihre Schäfchen im Trockenen, wir Junge hatten Praxisschulden und Familien. Wir kniffen. Denn der Gesetzgeber antwortete mit einer sechsjährigen Zulassungssperre bei Kollektivverzicht. Aber die Parole „Raus aus der GKV“ war für die nächsten Jahre Leitspruch derjenigen, die die Korbniederlage nicht verwinden konnten. Am Ende war Schirbort neuer KZBV-Chef Aus dieser Stimmungslage heraus entschloss sich Schirbort, gefordert und gefördert von Gleichgesinnten, 1994 für den KZBV-Vorsitz zu kandidieren und gegen den amtierenden Vorsitzenden Wilfried Schad anzutreten. Schirbort galt zwar als Radikaler, die (Noch-) Mehrheit in der KZBV-Vertreterversammlung und der KZBV-Vorstand angesichts der politischen Umstände aber als zu moderat. Für das Schirbort-Team, das den neuen Vorstand unter seiner Führung komplettieren sollte, war die Mehrheit allerdings höchst ungewiss. Karl Horst Schirbort hatte neben einigen niedersächsischen Getreuen auch einige junge KZV-Vorsitzende in seinem Team aus Freiverbandlern – auch mich als Vorsitzenden der KZV Hessen. Als Stellvertreter sollte Peter Kuttruff aus Baden-Württemberg antreten. Für den Fall des Wahlsiegs war ich ausgeguckt, zwischen dem „Ideologen“ Schirbort und dem „Technokraten“ Kuttruff im Ernstfall zu vermitteln. Für die Wahlvorgänge war ein penibel erstelltes Regiebuch vorbereitet, dass

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