Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

58 | POLITIK DIE WELTGESUNDHEITSORGANISATION FORDERT Europa muss mehr für die Mundgesundheit tun Sebastian Ziller Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ruft die Staaten Europas zu dringenden Maßnahmen für die Mundgesundheit auf: Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen dort hatte 2019 eine schwere orale Erkrankung. Das ist die höchste Prävalenz weltweit. Zahn-, Mund- und Kiefererkrankungen sind ein weltweites Public-Health-Problem. Sie haben im Laufe eines Lebens einen erheblichen Einfluss auf die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen – über alle Altersgruppen hinweg. Aus diesem Grund hat die WHO im Mai 2022 eine „Globale Strategie für die Mundgesundheit (Global Strategy on Oral Health)“ verabschiedet [WHO, 2022a]. Dabei handelt es sich um eine weltweit angelegte Initiative, bei der Europa durchaus die Führung übernehmen sollte, um die Verbesserung der Mundgesundheit seiner Bevölkerung voranzutreiben und Maßnahmen zur Beseitigung mundgesundheitlicher Ungleichheiten zu ergreifen. Die Mundgesundheit müsse sich deutlich in den Public-Health-Prioritäten der EU niederschlagen, fordert die WHO. Der Mundgesundheitszustand weltweit Nach Angaben der WHO ist rund die Hälfte der Weltbevölkerung von Zahn- und Munderkrankungen (45 Prozent oder 3,5 Milliarden Menschen weltweit) betroffen [WHO, 2022b, 2022c], drei Viertel davon leben in Ländern mit durchschnittlich niedrigem oder mittlerem Einkommen. In den vergangenen 30 Jahren ist die Zahl der Munderkrankungen um eine Milliarde gestiegen. Zu den häufigsten zählen Karies, Parodontalerkrankungen, Zahnausfall und Mundhöhlenkrebs. Allein die unbehandelte Zahnkaries betrifft laut WHO-„Global Oral Health Status Report" (GOHSR) jährlich 2,5 Milliarden Menschen. Parodontalerkrankungen, die die Hauptursache für Zahnverlust sind, betreffen etwa eine Milliarde Menschen jedes Jahr, bei Mundhöhlenkrebs sind es 380.000 neue Fälle pro Jahr. Die Zahl der Menschen, die weltweit von unbehandelten Zahn- und Munderkrankungen betroffen sind, ist um etwa eine Milliarde höher als die Zahl derer, die an den fünf wichtigsten nicht übertragbaren Krankheiten leiden (psychische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, chronische Atemwegserkrankungen und Krebserkrankungen) [WHO, 2022a]. Damit gehörten Zahn- und Munderkrankungen zu den weltweit am weitesten verbreiteten nicht übertragbaren Krankheiten (Non-communicable diseases, NCD) [WHO, 2022b]. Die WHO ruft daher aktuell auch die Staaten Europas zu dringlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Mundgesundheit auf: Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Europa hatte 2019 eine schwere orale Erkrankung. Das ist die höchste Prävalenz weltweit [WHO, 2023]. Der Mundgesundheitszustand in der europäischen WHO-Region Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat 193 Mitgliedsstaaten, davon gehören 53 Länder zur Europäischen Region der WHO. Von diesen 53 hatten 34 keine explizite nationale Mundgesundheitspolitik, in elf Ländern gab es im zuständigen Gesundheitsministerium kein eigenes Personal für Zahn- und Munderkrankungen. Die zahnärztliche Versorgung erfolgt größtenteils durch private Zahnärzte und deren Teams, so dass viele Patienten hohe Behandlungskosten haben, die sie aus eigener Tasche bezahlen müssen. Staatliche Programme und Versicherungen decken die Mundgesundheitsversorgung nur teilweise oder gar nicht ab. Von den 53 Ländern gaben zehn weniger als 10 US-Dollar pro Person und Jahr für die Mundgesundheitsversorgung aus, bei 14 waren es zwischen 11 und 50 US-Dollar. „Dies ist äußerst problematisch, da Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit dem größten Bedarf an Mundgesundheitsversorgung den geringsten Zugang zu den Dienstleistungen haben“, heißt es dazu im WHO-Bericht [WHO, 2023]. Foto: Andrei_stock.adobe.com zm113 Nr. 10, 16.05.2023, (852)

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