38 | POLITIK DEBATTE UM BLAUMACHEN, KARENZTAGE UND ANREIZSYSTEME Was tun bei zu hohem Krankenstand? Allianz-Chef Oliver Bäte hat vorgeschlagen, am ersten Tag einer Krankmeldung keinen Lohn mehr zu zahlen. Aber würde ein sogenannter Karenztag das Problem der hohen Krankenstände lösen? Angesichts des hohen Krankenstandes rund um den Jahreswechsel hatte Bäte empfohlen, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen und einen sogenannten Karenztag wiedereinzuführen: Arbeitnehmer in Deutschland seien im Durchschnitt 20 Tage pro Jahr krank, der EU-Durchschnitt liege hingegen bei acht Krankheitstagen. So könnten pro Jahr 40 Milliarden Euro eingespart werden. In Schweden, Spanien oder Griechenland gibt es den Karenztag weiterhin, in Deutschland wurde er abgeschafft, um Arbeiter und Angestellte gleichzustellen. Der Karenztag führt dazu, dass Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen. Die Gründe für den hohen Krankenstand könnten jedoch auch ganz woanders liegen. Nach Aussagen des Präsidents der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, sind die Krankschreibungen mit der Einführung der elektronischen Krankschreibung (eAU) 2021 auf einen Schlag in die Höhe gegangen. Heute werden alle Krankschreibungen zu 100 Prozent erfasst. Vor Einführung der eAU habe der Versicherte die Kopie an die Krankenkasse aber häufig gar nicht weggeschickt, sondern nur die an den Arbeitgeber. Reinhardt verweist auf eine neue Studie des IGES-Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit: Auch sie hat das neue Meldeverfahren der eAU für die hohen Fehlzahlen ausgemacht, da seitdem Arzt-Atteste automatisch bei den Krankenkassen eingehen. Insgesamt sei die Zahl der Krankentage der DAKversicherten Beschäftigten von 2021 auf 2022 um 37,6 Prozent angestiegen. Bezogen auf 100 Versicherte waren es von einem auf das andere Jahr 546 Ausfalltage mehr. Seit der eAU sind viele mit einer leichten Erkältung krank Als Beispiel nennt die Kasse leichte Erkrankungen. So waren mit Bauchschmerzen in jedem Jahr ungefähr gleich viele Beschäftigte in einer Arztpraxis in Behandlung. Nach Einführung der eAU tauchten jedoch deutlich mehr solche Fälle in den Kassendaten auf, die deswegen nicht nur behandelt, sondern auch krankgeschrieben wurden. Während vorher nur für zehn Prozent der Betroffenen eine entsprechende Krankschreibung bei der DAKGesundheit vorlag, sind es nach der Etablierung des Verfahrens 18 Prozent. Bei den Erkältungskrankheiten lässt sich ebenfalls der Anstieg zu 60 Prozent durch das neue elektronische Meldeverfahren erklären. Ein zweiter wesentlicher Treiber für den sprunghaften Anstieg von 2021 auf 2022 sind demnach Atemwegserkrankungen: Mehr als ein Drittel (35 Prozent) der 564 zusätzlichen Fehltage je 100 Versicherte wurden von Schnupfen, Husten und anderen Atemwegsinfekten verursacht, für ein Fünftel des Anstiegs waren Corona-Infektionen verantwortlich. Ein ganz anderer Lösungsansatz kam übrigens von der FDP: Sie schlägt einen Bonus vor, den Arbeitgeber für jeden Kalendermonat ohne Krankmeldung steuer- und abgabenfrei und zusätzlich zum Grundgehalt gewähren könnten. Dies sei gegenüber der Bestrafung einer Krankmeldung zu bevorzugen. pr Der Vorschlag, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen und einen sogenannten Karenztag wieder einzuführen, stößt auf geteilte Meinungen. Foto: Rawpixel.com - stock.adobe.com zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (140)
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