ZAHNMEDIZIN | 41 Radiologisch ließ sich eine ausgedehnte Knochendestruktion mit Sequesterbildung und Periostreaktion im vierten Quadranten nachweisen (Abbildung 3). Gemeinsam mit dem Patienten und insbesondere unter Berücksichtigung seiner extremen psychischen Belastung wurde anschließend die Entscheidung zur Dekortikation mit dem Versuch des Erhalts der Unterkieferkontinuität getroffen, wobei bei dem ausgeprägten klinischen Bild von ärztlicher Seite eine Kontinuitätsresektion unter Erhalt des Nervus alveolaris inferior in Kombination mit einer mikrovaskulären Rekonstruktion empfohlen wurde. Die Operation konnte am Folgetag komplikationslos in Intubationsnarkose durchgeführt werden. Bei ausreichender Reststabilität des Unterkiefers wurde auf eine osteosynthetische Versorgung verzichtet (Abbildung 4). Die histopathologische Nachuntersuchung der intraoperativ gesammelten Knochenproben bestätigte die Verdachtsdiagnose einer sekundär chronischen Osteomyelitis. Es zeigten sich eine chronisch granulierende Entzündung der Schleimhaut sowie eine floride granulozytäre Infiltration der Markräume des erfassten kompakten Knochengewebes. Aufgrund einer laborchemisch vorliegenden Hyperkalzämie einhergehend mit dem hochgradigen Verdacht eines primären Hyperparathyreoidismus erfolgten ergänzende Bestimmungen von 25-OH-Vitamin D3 im Serum und der Calcium-Ausscheidung im 24-h-Sammelurin sowie eine Schilddrüsensonografie und eine Nebenschilddrüsenszintigrafie. Diese Verdachtsdiagnose wurde allerdings bei regelrechten Untersuchungsbefunden nicht bestätigt. Nach reizloser Abheilung der Wunden konnte der Patient in die ambulante Nachbehandlung entlassen werden. In den bisher durchgeführten Nachkontrollen über vier Monate zeigte sich ein beschwerdefreier Patient mit enoral stabilen und reizlosen Lokalverhältnissen. Dennoch ist bei Auftreten eines Rezidivs oder einer pathologischen Unterkieferfraktur eine Unterkieferkontinuitätsresektion mit mikrovaskulärer Rekonstruktion unumgänglich. Diskussion Die Osteomyelitis des Unterkiefers stellt ein komplexes und vielseitiges Entzündungsgeschehen des Knochens dar, bei der alle Strukturen einschließlich des Knochenmarks, der Kortikalis und des Periosts von der Entzündungsreaktion betroffen sind. Dabei kann die Erkrankung von nichtbakteriellen und chronisch-schubweisen Formen über bakterielle Infektionen, die einer Antibiotikatherapie zugänglich sind, bis hin zu ausgedehnten, eitrigen Knochennekrosen mit Sequesterbildung verlaufen [Al-Nawas und Kämmerer, 2009]. Der Begriff „Osteomyelitis“ leitet sich aus dem Griechischen ab: „osteon“ steht für Knochen und „muelinos“ für Mark, bezeichnet wird somit wortwörtlich eine Infektion des Knochenmarks. In der medizinischen Literatur wird der Begriff „Osteomyelitis“ allerdings häufig synonym für eine umfassende Entzündung des gesamten Knochens verwendet [Baltensperger und Eyrich, 2009]. Die Zürich-Klassifikation nach Baltensperger et al. unterscheidet die akute (20 Prozent) von der sekundär chronischen (70 Prozent) sowie der zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (143) Abb. 2: Postoperativer Zahnfilmnach Extraktion des Zahnes 45 und Trepanation des Zahnes 46 durch den Hauszahnarzt (Juli 2024) Foto: Universitätsmedizin Mainz Abb. 3: Präoperativ in der Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie Mainz angefertigtes DVT mit ausgedehnter knöcherner Destruktion im vierten Quadranten sowie sichtbaren Sklerosierungen und Osteolysen in sagittaler, coronarer und axialer Ansicht Foto: Universitätsmedizin Mainz A C B CME AUF ZM-ONLINE Risikofaktor Penicillinallergie? Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.
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