Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 3

42 | ZAHNMEDIZIN selteneren primär chronischen (10 Prozent) Verlaufsform [Baltensperger et al., 2004; Baltensperger und Eyrich, 2009]. Die Entzündungsreaktion beginnt häufig in der Spongiosa des Kieferknochens und breitet sich über die Havers- und Volkmann-Kanäle auf das Periost sowie das umliegende Weichgewebe aus. Dieser Prozess geht mit der Bildung von intramedullären und subperiostalen Ödemen einher, die wiederum die Mikrozirkulation im Knochen weiter beeinträchtigen. Daraus resultieren eine Ischämie, Nekrosen und letztendlich die Sequesterbildung [Baltensperger und Eyrich, 2009]. Der häufigste Auslöser der Erkrankung ist eine dentogene Infektion, bei der mehrere Hauptfaktoren eine entscheidende Rolle spielen: die Anzahl und die Virulenz der Bakterien, der Zustand der lokalen und der systemischen Immunität des Patienten sowie die Gewebeperfusion. Störungen dieses Gleichgewichts können zur Begünstigung der Krankheitsmanifestation führen [Fenelon et al., 2023]. Deutlich seltener lassen sich zurückliegende Traumata oder radioaktive Strahlung als Auslöser identifizieren. Die Ödem-bedingte Beeinträchtigung der lokalen Mikrozirkulation vermindert weiterhin die Immunantwort und begünstigt somit die Ausbreitung der Infektion. Dementsprechend ist der Unterkiefer häufiger von einer Osteomyelitis betroffen, da die Mandibula anatomisch bedingt eine schlechtere Durchblutung aufweist. Von einer schlechteren Sauerstoffversorgung profitieren insbesondere anaerobe Keime, die häufig in der vorhandenen Mischflora identifiziert werden können [Calhoun et al., 1988; Baltensperger et al., 2004; Dym und Zeidan, 2017]. In der Regel verläuft die Erkrankung in zwei Stadien: Eine bakterielle Invasion markiert den Beginn als akute Osteomyelitis, die sich innerhalb der ersten vier Wochen manifestiert. Anschließend geht die akute Osteomyelitis in die sekundär chronische Form über. Dabei kann es zur Sequester- und Fistelbildung sowie zur eitrigen Sekretion kommen. Abzugrenzen davon ist die primär chronische Osteomyelitis, die nicht eitrig verläuft. Die zugrundeliegende Ätiologie hierfür konnte bisher noch nicht erklärt werden [Baltensperger et al., 2004; Al-Nawas und Kämmerer, 2009]. Typischerweise präsentiert sich die sekundär chronische Osteomyelitis mit dumpfen Schmerzen und einer derben Schwellung, die auf die ausgeprägte periostale Knochenreaktion zurückzuführen ist. Diese charakteristische Periostreaktion lässt sich ebenfalls radiologisch nachweisen. Im DVT oder CT zeigen sich bildmorphologisch Knochendestruktionen neben Sequestern und Sklerosierungen sowie Periostschwielen. Ein weiteres diagnostisches Hilfsmittel ist die Magnetresonanztomografie, womit sich die Ausdehnung der Entzündung im Knochenmark gut darstellen lässt. Im T2-gewichteten Bild zeigt der von einer Osteomyelitis betroffene Knochen, bedingt durch das Markraumödem, eine Zunahme der Signalintensität, während im Gewebe eine durch die erhöhte Gefäßpermeabilität gesteigerte Kontrastmittelanreicherung zu sehen ist [Schuknecht et al., 1997; Schuknecht und Valavanis, 2003]. Die Ausbreitung der Entzündung findet entlang des neurovaskulären Bündels statt und die damit einhergehende Nerv-Irritation führt zur Hypästhesie im Versorgungsgebiet des Nervus alveolaris inferior, dem sogenannten Vincent-Symptom [Dym und Zeidan, 2017]. Therapeutisch stehen eine adäquate Antibiotikatherapie und chirurgische Eingriffe im Vordergrund. Das Hauptziel besteht in der vollständigen Entfernung des entzündlichen und nekrotischen Gewebes sowie in der Sanierung des Infektionsfokus [Haeffs et al., 2018]. Für die antibiotische Therapie hat sich Amoxicillin/Clavulansäure aufgrund der Knochenpermeabilität sowie der Abdeckung des zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (144) DER BESONDERE FALL MIT CME Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer ist langjähriger Autor und seit 2021 wissenschaftlicher Beirat der zm. In Zusammenarbeit mit der zm-Redaktion betreut er die Rubrik „Der besondere Fall mit CME“, in der wir bevorzugt das präsentieren, was über den berühmten „Tellerrand“ der alltäglichen Praxis hinausreicht. Interessierte Autorinnen und Autoren, die besondere Patientenfälle behandelt und gut dokumentiert haben, sind herzlich eingeladen, diese bei der Redaktion der zm einzureichen. Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, MA, FEBOMFS Leitender Oberarzt/ Stellvertr. Klinikdirektor Universitätsmedizin Mainz Foto: Kämmerer Abb. 4: Darstellung des Unterkieferknochens in 3-D-Rekonstruktion präoperativ (A) sowie postoperativ (B) nach Dekortikation und plastischer Deckung Foto: Universitätsmedizin Mainz A B

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