ZAHNMEDIZIN | 43 Keimspektrums als sinnvoll erwiesen. In Abhängigkeit vom Lokalbefund und der Symptomatik kann auch die Langzeitgabe von Antibiotika erforderlich sein [Al-Nawas, 2013; Dym und Zeidan, 2017]. In vielen Fällen kann bei rechtzeitiger Einleitung einer adäquaten Therapie eine vollständige Restitutio ad integrum erreicht werden. Bei chronisch fortschreitenden Verläufen können jedoch langwierige Behandlungen mit nur eingeschränkter Prognose notwendig werden. Im vorliegenden Fall wurde der Patient aufgrund einer Penicillinallergie initial – leitliniengerecht – mit Clindamycin behandelt. Im Hinblick auf die odontogene Infektion besteht allerdings eine höhere Resistenzrate der Keime gegenüber Clindamycin [Pigrau et al., 2009]. Daher erfolgte nach stationärer Aufnahme die Reevaluation und bei entsprechender Risikobewertung die Umstellung auf Amoxicillin/Clavulansäure. Die Penicillinallergie stellt somit eine relevante Herausforderung in der Antibiotikatherapie dar, denn etwa zehn Prozent der Bevölkerung geben an, allergisch auf Penicillin zu reagieren. Bei mehr als 95 Prozent dieser Patienten mit vermeintlicher Penicillinallergie ist aber eine komplikationslose Anwendung von Penicillin möglich [Shenoy et al., 2019]. Nichtsdestotrotz führt der Verdacht einer Allergie häufig zum Einsatz alternativer Antibiotika, wobei eine möglicherweise geringere Wirksamkeit oder unerwünschte Nebenwirkungen in Kauf genommen werden. Zur besseren Risikoeinschätzung und zur Vermeidung unnötiger Alternativbehandlungen hat sich der PEN-FASTScore als valider Bewertungsmaßstab etabliert [Trubiano et al., 2020]. Dabei werden die folgenden Faktoren evaluiert: PEN: Patient berichtet über Penicillin-Allergie F: in den letzten 5 Jahren (2 Punkte) A: Anaphylaxie oder Angioödem ODER S: schwere allergische Hautreaktion, zum Beispiel Stevens-Johnson-Syndrom (2 Punkte) T: Therapie der allergischen Reaktion erforderlich (1 Punkt) Erreicht werden können maximal fünf Punkte, wobei bei einer Punktzahl unter drei eine Penicillinallergie unwahrscheinlich ist. Der negative prädiktive Wert hierfür lag bei 96,3 Prozent. Zu beachten ist, dass der PEN-FAST Score nur bei erwachsenen Patienten angewendet werden sollte [Trubiano et al., 2020]. Durch die Anwendung dieses Scores kann eine validierte Einschätzung vorgenommen werden, ob tatsächlich eine Penicillinallergie vorliegt. Ob die Entwicklung einer Osteomyelitis beim oben beschriebenen Patienten durch eine frühzeitige Therapie mit einem Penicillin hätte verhindert werden können, bleibt unklar. Jedoch zeigt der Fall, dass eine irrtümlicherweise angenommene Penicillinallergie den Einsatz der optimalen Antibiotikatherapie verzögern und den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen kann. zm115 Nr. 03, 01.02.2025, (145) FAZIT FÜR DIE PRAXIS Die Osteomyelitis des Unterkiefers wird nach Zürich-Klassifikation in eine akute, eine sekundär chronische und eine primär chronische Verlaufsform unterteilt, wobei die sekundär chronische Osteomyelitis mit Sequesterbildung und Periostreaktion die häufigste Verlaufsform darstellt. Für die Diagnostik sind bildgebende Verfahren wie CT, DVT und MRT entscheidend, um die Ausdehnung der Entzündung, die Sequesterbildung und die periostale Reaktion darzustellen. Die häufigste Ursache der Kieferosteomyelitis ist eine dentogene Infektion. Bei einem großen Anteil der Patienten, die eine Penicillinallergie angeben, bestätigt sich diese nicht. Mittels PEN-FAST-Score kann das Risiko einer echten Penicillinallergie abgeschätzt werden. © 06/2023 · 420230V1 FQ. DerWeg zur sicheren Endo. www.kometdental.de
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