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107, Nr. 4, 16.2.2017, (372)

Der finanzielle Start ins Berufsleben ist

kein Honigschlecken: Krankenversicherung,

Pflegeversicherung, Arbeitslosenversiche-

rung, Rentenversicherung, Privathaftpflicht-

versicherung, Erwerbsunfähigkeitsversiche-

rung und Hinterbliebenenversicherung. Das

sind sieben Policen auf einen Streich, die

bei manchem Betrachter den Eindruck er-

wecken, das Leben sei eine gefährliche

Sache. Viel größer ist die Gefahr, vor lauter

Bäumen den Wald nicht zu sehen und

sich von Banken, Bausparkassen und Ver-

sicherungen finanzielles Unkraut auf die

Nase binden zu lassen, das nun wirklich kein

Mensch braucht. Was in meinen Augen

nötig ist, will ich Ihnen am Beispiel eines

30 Jahre alten Zahnarztes schildern.

Der Bursche steht seit zwei Jahren in Lohn

und Brot. Das jährliche Brutto-Einkommen

beträgt 60.000 Euro. Das ist

auf den ersten Blick viel Geld,

doch bei genauem Hinsehen

schmilzt der Lohn wie Schnee

in der Sonne. Dreimal Steuer

plus viermal Versicherung

sorgen jeden Monat für Er-

nüchterung. Die Lohnsteuer

beträgt 1.051 Euro. Hinzu

kommt der Solidaritäts-

zuschlag von 58 Euro. Die

Kirchensteuer liegt im Süden

dieser Republik bei 84 Euro.

Die Krankenversicherung kos-

tet 365 Euro. Die Pflegeversicherung schlägt

mit 66 Euro zu Buche. In die Arbeitslosen-

versicherung sind 75 Euro einzuzahlen. Die

Rentenversicherung zieht 468 Euro ein.

Die Summe aller Abzüge beträgt 2.167 Euro.

Das ist ärgerlich, aber kaum zu ändern. An-

satzpunkte für Einsparungen bieten Kirche

und Krankenkasse. Was einem Glaube und

Kirche wert sind, muss jeder Jungakademiker

für sich entscheiden. Die knapp 100 Euro sind

bestimmt nicht die schlechteste Anlage. Die

flotte Freundin auf Kredit oder das schnelle

Motorrad auf Pump sind größere Sünden,

weil Kontoüberziehungen – für die Freundin –

und Ratenkredite – für das Motorrad – schnell

10 bis 12 Prozent pro Jahr kosten. Das größte

„Sparpotential“ bietet die gesetzliche Kran-

kenkasse. Wer zurzeit mehr als 57.600 Euro

pro Jahr verdient, kann von der gesetzlichen

in die private Krankenversicherung wechseln.

Das kann zu Vorteilen von 300 Euro pro

Monat führen. Der Wechsel kann aber auch

mit Nachteilen verbunden sein. Falls – zu

gegebener Zeit – die Freundin gegen eine

Frau und (gemeinsame) Kinder einge-

tauscht wird, können die Prämien gewaltig

steigen, und wenn im Alter die Ausgaben in

die Höhe schießen, können die Kosten zahn-

ärztliche Renten ganz schön anfressen.

Nicht viel zu überlegen gibt’s bei den priva-

ten Versicherungen. Nötig ist die Privathaft-

pflichtversicherung, sinnvoll ist die Rente bei

Berufsunfähigkeit, alle anderen sind frag-

würdig, zum Teil sogar vom Übel. Die erste

Police sichert Berufsanfänger bei Schäden ab,

die sie als Privatleute verursachen. Verträge

mit einer Deckungssumme von 50 Millionen

Euro kosten keine 100 Euro im Monat.

Die zweite Police bietet Schutz, falls die

Zahnärzte ihren Beruf nicht mehr ausüben

können. Möglich ist die Absicherung von

90 Prozent des Nettolohns. Das sind im vor-

liegenden Fall etwa 2.500 Euro pro Monat.

Die Prämie für einen Vertrag bis zum 67. Ge-

burtstag kostet 80 bis 90 Euro pro Monat.

Die Police muss aber keine 37 Jahre durch-

gehalten werden. Sie kann jeden Monat

gekündigt werden. Falls das Vermögen zu

gegebener Zeit so hoch sein wird, dass die

Absicherung nicht mehr nötig ist, kann die

Police zu den Akten gelegt werden.

In meinen Augen ist mehr Absicherung

nicht nötig. Ich gehe sogar einen Schritt

weiter und sage in aller Deutlichkeit: Hände

weg von Erwerbsunfähigkeits-, Hausrat-,

Lebens-, Rechtsschutz- und Unfallversiche-

rungen. Das ist alles Hokuspokus und zieht

Geld aus der Tasche, das für andere Dinge

sinnvoller eingesetzt werden kann!

Genauso fragwürdig sind Gedanken über

die Altersversorgung. Folglich will ich die

„Giftliste“ um folgende Verträge erweitern:

Hände weg von Kapitalversicherungen,

Rentenpolicen und Riesterverträgen. Kurz-

um: Lassen Sie sich auf keine „Diskussionen“

mit Verkäufern und Vertretern ein, machen

Sie einen Bogen um die Verkaufstruppen,

die sich darauf spezialisiert haben, junge

Zahnärzte mit Versicherungen und Spar-

verträgen abzufüllen. Das kostet Sie – mit

Verlaub gesagt – ein Schweinegeld, und

nach meinem Empfinden sind Sie einfach

noch nicht reich genug, um sich solche

Ausgaben leisten zu können.

Ich kann Ihnen als Vater von vier Kindern

nur den Rat geben, sich auf drei Dinge zu

konzentrieren. Geben Sie beruflich Vollgas,

finden Sie den richtigen Partner, und halten

Sie das Geld zusammen. Das ist wichtiger als

jeder Sparvertrag. Beruf und Liebe sind nicht

meine Fächer, beim Aufbau des Vermögens

kann ich Ihnen aber mit ein paar Hinweisen

behilflich sein. Fangen Sie mit dem Aufbau

einer Reserve an, legen Sie fünf bis sechs

Monatslöhne auf die hohe Kante. Das sind

im vorliegenden Fall etwa 15.000 Euro, so

dass Sie sich in den nächsten 24 Monaten

keine Gedanken über weitere Geldanlagen

machen müssen. Bitte stecken Sie jeden

Monat einfach 625 Euro in ein Sparschwein

und vergessen Sie jede Form von Zins. In

zwei Jahren werden wir uns dann Gedanken

über die nächste Etappe machen. Das kann

ein Sparvertrag für die eigene Praxis oder

das schöne Eigenheim sein. Im Augenblick

kümmern Sie sich aber bitte nur um den

Notgroschen. Einverstanden?

\

Volker Looman über finanzielles Unkraut

Was junge Zahnärzte wirklich brauchen

Der Autor ist freiberuf-

licher Finanzanalytiker

in Stuttgart. Jede Woche

veröffentlicht er in der

BILD und in der FAZ

einen Aufsatz über

Geldanlagen. Außerdem

unterstützt er Zahnärzte

auf Honorarbasis bei

der Gestaltung des

Privatvermögens.

www.looman.de

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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