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107, Nr. 6, 16.3.2017, (616)

Sauer (* 12. Mai 1835 in Berlin) war der Sohn

eines Musikers und Lehrers an der Berliner

Königlichen Musikschule [Parreidt, 1909;

Holzhauer, 1962; Maretzky/Venter, 1974;

Tiburczy, 1982; Meyer, 1997; Marz/Zuhrt,

1992]. Da der Vater um 1838 verstarb, ge-

riet die Familie in finanzielle Nöte. Dennoch

konnte Sauer die Oberrealschule besuchen

und nach der Obersekunda abschließen

[Holzhauer, 1962]. Danach absolvierte er eine

zahntechnische Lehre. Seine Lehrmeister

waren der Berliner Zahnarzt Karl Hans Hesse

und dessen Bruder Julius, die ihre Fachkennt-

nisse beide bei ihrem Vater, dem renommier-

ten „Hof- und practischen Zahnarzt“ Johann

Friedrich Wilhelm Hesse (1782–1832), er-

worben hatten – dem ersten Privatdozenten

für Zahnheilkunde an der Berliner Universität.

Anschließend arbeitete Sauer bei dem Berli-

ner Zahnarzt und Hofrat Friedrich Wilhelm

Süersen (1827–1919), der zu den Behandlern

von König (beziehungsweise Kaiser) Wilhelm I.

(1797–1888) gehörte. Zudem kam Sauer in

Kontakt mit dem Berliner Arzt und Zahnarzt

Eduard Albrecht (1823–1883). Der konnte

sich 1858 an der Universität Berlin für das

Fach Zahnheilkunde habilitieren, blieb aber

neben seiner Lehrtätigkeit an der Universität

auch in eigener zahnärztlicher Praxis tätig

[Parreidt, 1909; Holzhauer, 1962; Maretzky/

Venter, 1974; Meyer, 1997].

Es darf als sicher angenommen werden, dass

Sauer durch dieses fachkundige berufliche

Umfeld motiviert wurde, das Studium der

Zahnheilkunde aufzunehmen – eine Ausbil-

dung, die damals noch nicht an den Nach-

weis der Reifeprüfung gebunden war und

somit auch „immaturen“ Studierenden offen-

stand. 1859 – im Alter von bereits 24 Jahren

– begann Sauer mit der zahnärztlichen Aus-

bildung. Nach zwei Jahren erhielt er seine

Approbation als Zahnarzt [Tiburczy, 1982].

Er trat zunächst eine Assistentenstelle bei

Julius Hesse an und ging dann für kurze Zeit

nach Greifswald, bevor er für eine Assisten-

tenstelle bei Eduard Albrecht nach Berlin

zurückkehrte [Holzhauer, 1962].

Schließlich eröffnete Sauer eine eigene Praxis,

die ihm finanzielle und fachliche Unabhängig-

keit gewährte. Daneben fungierte er noch eine

Zeit lang als Assistent von Eduard Albrecht

und als Konsiliarius bei Bernhard Rudolph

Conrad von Langenbeck (1810–1887) in

der Chirurgischen Universitätsklinik. Die

verschiedenen Tätigkeitsbereiche und die

vielfältigen, hierbei gewonnenen Eindrücke

boten eine ideale Grundlage für zahlreiche

wissenschaftliche Veröffentlichungen [Marz/

Zuhrt, 1992; Meyer, 1997].

Darüber hinaus erwachte Sauers Interesse an

der zahnärztlichen Standespolitik. Spätestens

seit den 1870er-Jahren trat er durch um-

fangreiche Aktivitäten im „Central-Verein

Deutscher Zahnärzte“ (CVdZ) hervor, die

unter anderem auf eine Verbesserung der

zahnärztlichen Ausbildungssituation zielten.

Tatsächlich fassten die zuständigen preußi-

schen Behörden zu Beginn der 1880er-Jahre

den Beschluss, an der Berliner Universität ein

zahnärztliches Institut zu gründen. Als der

designierte Institutsdirektor Eduard Albrecht

am 25. Januar 1883 überraschend verstarb

[Holzhauer, 1962], setzte sich der CVdZ für

Carl Sauer als künftigen Institutsleiter ein.

Sauer war zu diesem Zeitpunkt designierter

3. Vorsitzender des Vereins. Allerdings favo-

risierte der preußische Kultusminister Gustav

von Goßler den Chirurgen Friedrich Busch

(1844–1916) als künftigen Direktor. Goßler

entschied sich 1884 endgültig für Busch,

der fortan dem am 20. Oktober 1884 ge-

gründeten neuen Institut in der Dorotheen-

straße 40 vorstand, während der enttäuschte

Sauer (zusammen mit den Zahnärzten Wil-

loughby Dayton Miller und Johann Friedrich

August Paetsch) als Stellvertreter von Busch

fungieren sollte [Meyer, 1997]. Sauer war –

als Titularprofessor – vornehmlich für den

Bereich zahnärztliche Prothetik zuständig,

wobei er den prothetischen Unterricht aus

Platzmangel im Wesentlichen in seiner eige-

nen Praxis abhalten musste. Die organisierte

Zahnärzteschaft sah in der Berufung des

Nicht-Zahnarztes Busch zum Leiter eines

zahnärztlichen Instituts einen Affront. Ent-

sprechend solidarisch verhielt sich der CVdZ

gegenüber Sauer: Tatsächlich wurde dieser

1885 zum neuen Vorsitzenden des Vereins

gewählt [Groß/Schäfer, 2009].

Der Kampf gegen

die Kurpfuscher

In der Folgezeit spitzten sich die Querelen

zwischen Busch und Sauer so stark zu, dass

Sauer zum 1. September 1888 seine Stellung

an der Berliner Universität aufkündigte. 1889

legte er zudem auch den Vorsitz im Central-

Verein nieder. Ob die Amtsniederlegung der

Enttäuschung über sein glückloses Wirken als

Wegbereiter der Zahnheilkunde

Carl Sauer – Widersacher der Dentisten

Sauer kämpfte in seinen Funktionen als Standespolitiker und Wissenschaftler im

19. Jahrhundert gegen die nichtapprobierte Konkurrenz. Zudem setzte er sich für

bessere zahnärztliche Ausbildungsstandards und eine sukzessive Annäherung an

den akademischen Arztberuf ein. Schließlich wurde nach ihm ein Drahtschienen-

verband benannt, den er entwickelt hat.

Foto: A. Haesler

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