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107, Nr. 7, 1.4.2017, (790)
bekannten Phänomene können Knackgeräusche
beziehungsweise Limitationen der Bewegungs-
kapazität des Unterkiefers bewirken. Auch
können gelegentlich Schmerzen hierauf
zurückgeführt werden beziehungsweise es
bestehen psychosoziale Belastungen durch
die von anderen Personen wahrnehmbaren
Geräusche während der Nahrungsaufnahme.
Prävalenz
Studien zeigen, dass etwa 5 bis 17 Prozent
der Allgemeinbevölkerung ein oder mehrere
überbewegliche Gelenke im Sinne einer an-
geborenen benignen Hypermobilität auf-
weisen, wobei Frauen dreimal so häufig be-
troffen sind [Jessee et al., 1980; Seow et al.,
1999]. Glücklicherweise haben die meisten
Personen keine Probleme mit ihren über-
beweglichen Gelenken. Auch nimmt be-
kanntermaßen die Gelenkbeweglichkeit mit
dem Alter ab. Einige Betroffene leiden je-
doch unter ungewollten Dislokationen der
Gelenkanteile, unter häufigen schmerzhaften
Verstauchungen beziehungsweise einem
Gelenkhypermobilitätssyndrom.
Wie häufig Luxationen der Kiefergelenke in
der Allgemeinbevölkerung vorkommen ist
leider unbekannt. Prinzipiell ist dies aber
selten und tritt vorwiegend nach trauma-
tischen Ereignissen (lang anhaltende weite
Mundöffnung) auf. Eine anteriore Diskus-
verlagerung mit Reposition, mit dem Kardi-
nalsymptom des Knackens im betroffenen
Kiefergelenk, ist bei elf Prozent der Erwach-
senen der deutschen Allgemeinbevölkerung
zu finden [Hirsch et al., 2008]. Eine Studie
bei Kindern und Jugendlichen zeigte kli-
nisch eine Prävalenz der Diskusverlagerung
mit Reposition in einem oder beiden Kiefer-
gelenken von 27 Prozent [Huddleston Slater
et al., 2007]. Hierbei ist zu beachten, dass
Diskusverlagerungen klinisch stumm sein
können, das heißt bei der körperlichen
Untersuchung keine Knackgeräusche verifi-
zierbar sind. Hierdurch wird bei einer rein
auf klinischen Daten basierenden Diagnose-
bildung die tatsächliche Anzahl von Diskus-
verlagerungen um circa ein Viertel unter-
schätzt [Manfredini et al., 2008].
Diagnostik
Die Beighton-Skala ist ein etabliertes Mess-
instrument um den Grad der Hypermobili-
tät eines Individuums auch unter den Bedin-
gungen einer Zahnarztpraxis zu erfassen
[Hirsch et al., 2007]. Sie nutzt dabei die Be-
weglichkeit bei neun klinischen Manövern
(Tabelle 1, Abbildungen 2 und 3). Bei vier
oder mehr erreichten Punkten gilt die be-
troffene Person als erheblich überbeweg-
lich. Die Erfassung der Luxation der Kiefer-
gelenke erfolgt in der Regel klinisch durch
Palpation. Hier ist in der terminalen Phase
der Mundöffnung eine ruckhafte Bewegung
nach Überschreiten des Scheitelpunkts des
Tuberculum articulare spürbar. Ergänzend
kann diese Bewegung mittels einer Gelenk-
bahnaufzeichnung grafisch dargestellt be-
ziehungsweise die Position des Kondylus in
Relation zum Tuberculum articulare bei ma-
ximaler Mundöffnung bildgebend verifiziert
werden (Abbildung 4).
Die klinische Diagnose einer Diskusverlage-
rung sollte entsprechend den Diagnostic
Criteria for Temporomandibular Disorders
erfolgen. Hierfür muss einerseits der Patient
das Auftreten von Geräuschen im Bereich
der Kiefergelenke selbst wahrnehmen und
andererseits entweder bei „Mundöffnung
und Mundschluss“ oder bei „Mundöffnung
oder Mundschluss und bei Seitwärts-
oder Protrusionsbewegung“ palpatorisch
ein Knacken in dem jeweiligen Kiefergelenk
(sogenanntes reproduzierbares reziprokes
Knacken) spürbar sein. In unklaren Fällen
kann der diagnostische Goldstandard, das
Magnetresonanztomogramm, zur Diagnose-
sicherung hinzugezogen werden.
Testkriterien zur Feststellung des Hypermobilitätgrades
Durchführung
Handflächen können bei gestreckten Knien auf den Boden aufgelegt
werden
Überstreckbarkeit der Ellbogen um
≥
10°, jeweils rechts oder links
Daumen berührt den Unterarm, jeweils rechts oder links
Überstreckung des Grundgelenks des kleinen Fingers auf 90°,
jeweils rechts oder links
Überstreckbarkeit der Kniegelenke um
≥
10°, jeweils rechts oder links
Bei vier oder mehr erreichten Punkten gilt die betroffene Person als erheblich überbeweglich.
Quelle: Beighton P, Solomon L, Soskolne CL: Articular mobility in an African population. Ann Rheum Dis
1973;32(5):413–8. 1973;32(5):413–8.
Anzahl Punkte
1 Punkt
2 Punkte
2 Punkte
2 Punkte
2 Punkte
Beispiel für ein hypermobiles Hand- und Dau-
mengelenk gemäß den Beighton-Kriterien (hier:
generalisierte konstitutionelle Hypermobilität)
Foto: O. Schierz
Bücken mit gestreckten Beinen, so dass
die Hände flach auf dem Boden liegen
(hier: Leistungshypermobilität)
Foto: O. Schierz
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Zahnmedizin