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107, Nr. 7, 1.4.2017, (785)
Frau Dr. Thumeyer, wie häufig ist
Approximalkaries im Milchgebiss?
Die Statistik sagt, dass nur etwa die Hälfte
aller Kinder zahngesund im Milchgebiss
bleibt. Die Karieslast verteilt sich auf eine
kleine Gruppe von Kindern mit einer
frühen Milchzahnkaries, auf Kinder
mit Karies auf den Kauflächen
und auf die Kontaktpunkt-
karies zwischen den Milch-
molaren. Ich würde aus mei-
ner praktischen Erfahrung
sagen, dass fast ein Drittel
aller Kinder diese Kontakt-
punktkaries entwickelt.
Welche Bereiche sind zu welchem
Zeitpunkt besonders betroffen?
Zuerst ist fast immer der Vierer distal
betroffen, dann folgt der Fünfer mesial.
Milchzähne haben durchschnittlich nur
eine Schmelzdicke von einem Millimeter,
der Schmelz am Vierer distal ist noch
dünner, das heißt noch anfälliger. Der
Kontaktpunkt 4/5 bildet sich erst in der
Gebrauchsphase des Milchgebisses, wobei
dieser zusätzlich häufig flächiger wird. Die
anderen Kontaktpunkte im Milchgebiss
lösen sich durch die physiologische Lücken-
bildung eher auf, das Kontaktpunktkaries-
risiko sinkt also.
Wann und wie sollten Eltern ange-
sprochen werden, um dieser Karies-
form vorzubeugen?
Wie wir die Eltern zur Zahnpflege mit der
Zahnbürste anleiten, so leite ich sie auch zur
Verwendung von Zahnseide an: Bei jedem
Vorsorgetermin prüfe ich selbst mit der
Zahnseide, ob ein Kontaktpunkt vorhanden
ist und ob sich dort Plaque befindet. Ich
zeige den Eltern die Plaque auf der Zahn-
seide. Wenn Plaque vorhanden ist, demons-
triere ich den Eltern die Anwendung von
Zahnseide mithilfe eines Zahnseidensticks
oder des üblichen Fadens – flaches Band
finde ich besser als runde Zahnseide.
Danach lasse ich die Eltern üben, damit sie
in der Anwendung bei ihrem Kind sicher
sind. Denn die Pflegehandlung der Eltern
soll für das Kind angenehm sein. So müssen
manche Eltern schon bei ihrem zwei-
einhalbjährigen Kind Zahnseide
anwenden, manche nur oben
oder nur unten, manche gar
nicht. Durch dieses indivi-
duelle Vorgehen machen fast
alle Eltern mit. Übrigens:
Interdentalraumbürstchen sind
theoretisch anwendbar, passen
aber in der Realität nur im Ausnahme-
fall in die Zahnzwischenräume der Milch-
molaren.
Wie wichtig ist die Bissflügelaufnahme
für die Diagnose?
Ich mache immer mehr Bissflügelaufnah-
men und immer früher. Denn wenn ich eine
initiale Karies früh erkenne, kann ich diese
mit den Eltern zusammen ausheilen, sprich
eine Füllung beziehungsweise – abhängig
vom Alter und von der Kooperations-
bereitschaft des Kindes – eine Sanierung in
Narkose verhindern. Das Röntgenbild zeigt
den Eltern das Problem und hilft mir,
sie für die Verwendung von Zahnseide zu
gewinnen.
Und: Wenn immer mehr Kinder unter drei
Jahren durch das neue Verweissystem und
die neuen Früherkennungsuntersuchungen
zur halbjährlichen zahnärztlichen Vorsorge
kommen, dann wird die Zahnseide zum
Standardthema für alle Prophylaxekräfte in
der Zahnarztpraxis werden.
Dr. Andrea Thumeyer ist niedergelassene
Zahnärztin in Wiesbaden und Vorsitzende
der Landesarbeitsgemeinschaft für Jugend-
zahnpflege in Hessen.
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Perspektive der Praktikerin
„Der Vierer distal ist
entscheidend!“