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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1293)
Luc Vanderborght hat das Werbeverbot für
belgische Zahnärzte zerlegt. Kein einfluss-
reicher Verband, keine politische Initiative
brachte diese Beschränkung zum Kippen,
nein: Vanderborght ist Zahnarzt. Schwer-
punkt ästhetische Zahnheilkunde, nieder-
gelassen in Opwijk, einem 14.000-Seelen-
Ort in Flandern. Um auf sich aufmerksam
zu machen, stellte er eine Stele auf: Auf drei
bedruckten Seiten standen dort sein Name,
seine Eigenschaft als Zahnarzt, die Adresse
seiner Website und die Telefonnummer sei-
ner Praxis. Im Internet informierte er seine
Patienten über sein Behandlungsspektrum,
in lokalen Tageszeitungen schaltete er zu-
sätzlich Werbeanzeigen. Ganz solide PR in
eigener Sache also, lange Zeit gut sichtbar
für jedermann: Elf Jahre – von 2003 bis
2014 – stellte er die Vorzüge seiner Praxis
öffentlich in dieser Form heraus.
Erst dann erhält er eine Beschwerde seines
zahnärztlichen Berufsverbands, dem „Ver-
bond der Vlaamse tandartsen“, woraufhin
strafrechtliche Ermittlungen gegen ihn
eingeleitet werden. Denn, das muss man
wissen, im Unterschied zu Deutschland
untersagt das belgische Recht wirklich
jedwede Werbung für Leistungen der Mund-
und Zahnversorgung. Alles verboten. Aus-
nahmslos. Erlaubt ist nur ein schlichtes
Zahnarztpraxisschild – bei Juristen bekannt
als „Ein-Schild-Regelung“.
Vor dem Hintergrund kann man Vanderborghts
Marketing schon fast als keck bezeichnen.
Konsequent ist er jedenfalls: Selbst als der
Fall vor Gericht geht, lässt sich der Zahnarzt
nicht beirren: Die fraglichen Regelungen
in seinem Land verstießen gegen das EU-
Recht, insbesondere gegen die Richtlinie
über den elektronischen Geschäftsverkehr
und die Dienstleistungsfreiheit, führt
Vanderborght zu seiner Entlastung an. Die
Nederlandstalige rechtbank van eerste aan-
leg te Brussel, strafzaken, das ist das nieder-
ländischsprachige Gericht erster Instanz für
Strafsachen Brüssel, bei dem das Verfahren
anhängig ist, reagiert – und ruft den Euro-
päischen Gerichtshof (EuGH) an. Das Ergebnis
kennen wir: Laut EuGH können Inhalt und
Form der kommerziellen Kommunikation
zwar durch berufsrechtliche Regelungen
wirksam eingegrenzt werden, jedoch dür-
fen solche Regelungen kein allgemeines
und ausnahmsloses Verbot jeder Form von
(Online-)Werbung zur Förderung der Tätig-
keit eines Zahnarztes beinhalten. Begründet
wird dies von den Richtern so:
„Der Gerichtshof lässt die Ziele der in Rede
stehenden Rechtsvorschriften, das heißt, den
Schutz der öffentlichen Gesundheit und der
Würde des Zahnarztberufs, als zwingende
Gründe des Allgemeininteresses gelten, die
eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit
rechtfertigen können. Ein intensives Betreiben
von Werbung oder die Wahl von Werbeaussagen,
die aggressiv oder sogar geeignet sind, die
Patienten hinsichtlich der angebotenen Versor-
gung irrezuführen, kann nämlich dem Schutz
der Gesundheit schaden und der Würde des
Zahnarztberufs abträglich sein, indem das
Image des Zahnarztberufs beschädigt, das
Verhältnis zwischen den Zahnärzten und ihren
Patienten verändert und die Durchführung
unangemessener oder unnötiger Behandlungen
gefördert wird. Der Gerichtshof ist allerdings
der Auffassung, dass ein allgemeines und
absolutes Verbot jeglicher Werbung über das
hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten
Ziele erforderlich ist. Diese könnten mit
weniger einschneidenden Maßnahmen erreicht
werden, die – gegebenenfalls stark – eingrenzen,
welche Formen und Modalitäten die von Zahn-
ärzten verwendeten Kommunikationsinstrumente
annehmen dürfen.“
Für belgische Kollegen hat Vanderborght
damit nicht nur Klarheit geschaffen,
sondern generell den Weg frei gemacht für
Werbemöglichkeiten jenseits des Praxis-
schilds. Aus deutscher Sicht wird mit dem
Urteil vor allem geltendes Recht bestätigt.
Keine Frage: Ohne berufsrechtliche Ein-
schränkungen geht es nicht. Ablesen lässt
sich anhand des Urteils aber auch, wie
rasant sich die Kommunikationswege und
-formen im Zuge der Digitalisierung ändern
– und entsprechend ihre Plattformen,
Werbemittel und -inhalte.
Mehr zum aktuellen EuGH-Urteil lesen Sie
in dieser Ausgabe auf Seite 30, wie Zahn-
ärzte werben dürfen, erfahren Sie auf den
Seiten 86 bis 88.
Foto: zm-Axentis.de
Herr Vanderborght macht Werbung
Claudia Kluckhuhn
Chefin vom Dienst
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Editorial