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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1302)

Die Aufbereitung zahnärztlicher Instrumente

Die andere Sicht der Dinge

Der Ausschuss Praxisführung und Hygiene der Bundeszahnärzte-

kammer (BZÄK) und der Deutsche Arbeitskreis für Hygiene in der

Zahnmedizin (DAHZ) nehmen hier zu dem Artikel „Die Aufbereitung

zahnärztlicher Instrumente: Eine Geschichte von Ungereimtheiten

und Widersprüchen“ von Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle in den Zahn-

ärztlichen Mitteilungen [zm 7/2017, S. 76–87] Stellung:

Beim Lesen des Artikels entsteht der Eindruck, dass die Wertigkeit der

bewährten Desinfektionsverfahren falsch eingeschätzt wird. Eine voll

viruzide, chemische Desinfektion oder eine thermische Desinfektion

im RDG oder im Autoklaven versetzt Instrumente in einen Zustand,

dass sie bei einer weiteren Verwendung nicht mehr infizieren können.

Vegetative Bakterien werden bei chemischen Desinfektionsverfahren

mindestens um fünf Log-Stufen reduziert.

Bei thermischen Desinfektionsverfahren beträgt die logarithmische

Abtötungszeit (D-Wert) des thermoresistentesten pathogenen Bakte-

riums Enterococcus faecium bei 75

0

C etwa 0,07 Minuten [Pisot et

al., 2011]. Daraus lässt sich berechnen, dass bei dem in Thermo-

desinfektoren notwendigen A0-Wert von 3000 eine Inaktivierung

von mehr als 10

100

Enterococcus faecium erfolgt. Die genannten

Desinfektionsverfahren sind in der Lage, auch mit Hepatitis- oder mit

HI-Viren kontaminierte Instrumente sicher aufzubereiten.

Eine Sterilisation ist nur erforderlich, wenn zusätzlich Sporen ab-

getötet werden müssen. Dies betrifft Wundbrand, Milzbrand oder

Tetanus, also Krankheitserreger, die in der zahnmedizinischen

Infektiologie nicht relevant sind. Die genannten Erreger sind obligat

anaerob und wären daher nur dann von Bedeutung, wenn ein

speicheldichter Wundverschluss durchgeführt wird. Aus diesem

Grund ist es schlüssig, dass die RKI-Empfehlung 2006 besondere

hygienische Anforderungen nur für Eingriffe mit speicheldichtem

Wundverschluss fordert. Sterile Instrumente ergeben nur einen Sinn,

wenn auch ansonsten konsequent auf Sterilität geachtet wird. Dazu

gehören auch sterile Handschuhe und sterile Spüllösungen.

Selbstverständlich sind die Beobachtungen des Autors richtig, dass

bei restaurativen und prothetischen Behandlungen mit derzeit als

semikritisch eingestuften Instrumenten die Mundschleimhaut ver-

letzt oder Schleimhautverletzungen berührt werden können. Im

Gegensatz zu den Aussagen im Artikel stellt dies nach der Definition

der KRINKO aber keinen Grund dar, diese zu sterilisieren. In der

Empfehlung der KRINKO zu den „Anforderungen an die Hygiene

bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ [2012] sind kritische

Instrumente als solche definiert, „… die bestimmungsgemäß die

Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit

Blut […] kommen“. Das trifft auf Mundspiegel oder Übertragungs-

instrumente und rotierende oder oszillierende Instrumente bei

restaurativen und prothetischen Behandlungen sicher nicht zu.

Wir sehen hier keinerlei Abweichung von den gegenwärtigen

Empfehlungen der KRINKO. Natürlich ist es schwierig, die von der

KRINKO benutzte „Spaulding-Klassifikation“ [Spaulding, 1972] in un-

kritische, semikritische und kritische Medizinprodukte auf das Gebiet

zahnärztlicher Behandlungen anzuwenden. Das Problem haben aber

andere medizinische Fachdisziplinen auch. Beispielsweise wird eine

perkutane endoskopische Gastrostomie unter Verwendung eines

als „semikritisch B“ eingestuften (desinfizierten) Gastroskops, aber

mit weiteren als „kritisch B“ eingestuften (sterilen) Instrumenten

durchgeführt.

Vergleichende klinische Untersuchungen mit desinfizierten oder

sterilisierten Instrumenten zum Thema des Infektionsrisikos bei

restaurativen oder prothetischen Behandlungen fehlen. Das liegt

sicherlich daran, dass bei diesen Prozeduren seit vielen Jahrzehnten

mit desinfizierten Instrumenten gearbeitet wird und postoperative

Wundinfektionen nicht bekannt sind. Das wird durch eine aktuelle

Publikation bestärkt [Brewer et al., 2016]. Dort wurde selbst bei

zahnärztlich-chirurgischen wie auch bei dermatologischen Eingriffen

kein Unterschied in der Rate der Wundinfektionen gefunden, wenn

mit unsterilen Handschuhen und damit möglicherweise mit

durch diese kontaminierten Instrumenten gearbeitet wurde. Dem

im Staehle-Artikel formulierten Postulat, bei restaurativen oder pro-

thetischen oder im Zweifelsfall bei allen zahnmedizinischen Unter-

suchungen und Behandlungen besser sterile Instrumente zu ver-

wenden, können wir daher nicht folgen.

In seinem Beitrag „Eine Geschichte von Ungereimtheiten und Widersprüchen zur Instrumenten-

desinfektion“ diskutiert Prof. Hans Jörg Staehle in den zm 9, ob zahnärztliche Instrumente

sterilisiert oder desinfiziert werden müssen. Möglicherweise im Hinblick auf die in der Zahn-

heilkunde traditionell angewandte Dampfdesinfektion (=Sterilisation) und früher übliche

Arbeitsabläufe in seiner Arbeitsstätte postuliert der Autor, dass die Sterilisation ein höheres

Maß an Sicherheit gewähre und damit auch für restauratives Instrumentarium notwendig sei.

Von diesem Standpunkt leitet Prof. Staehle eine Rechtsunsicherheit für aufbereitende Zahn-

ärzte und einen Überarbeitungsbedarf der KRINKO-Empfehlungen zur Risikoeinstufung ab.

Der Ausschuss Praxisführung und Hygiene der Bundeszahnärztekammer und der Deutsche

Arbeitskreis für Hygiene in der Zahnmedizin widerlegen unter Verweis auf die wissenschaft-

lichen Grundlagen der Aufbereitungsverfahren die Aussagen des Autors.

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