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107, Nr. 4, 16.2.2017, (313)
„Nur wer ein Warum kennt, versteht und
erträgt jedes Wie“. Schon Nietzsche war
bewusst, dass ohne Aufklärung, ohne Infor-
mationen für ein Individuum kein Begreifen
und damit auch kein (Ein-)Verständnis
möglich ist. Wir dürfen annehmen, dass
Nietzsche eine Gesundheitsversorgung
à la Deutschland 2017 nicht kannte und
demzufolge nicht einmal ansatzweise eine
Vorstellung von der Komplexität und Rege-
lungsdichte hatte, die so ein „modernes“
Gesundheitswesen erreichen kann. Unter-
stellt, er wäre heute gesetzlich kranken-
versichert: Würde er Begrifflichkeiten wie
„Festkostenzuschuss“, „Mehrkostenverein-
barung“, „Mehr- oder Zusatzleistungen“
verstehen und im Kontext der vielfältigen
Versorgungsmöglichkeiten einordnen und
für sich eine Entscheidung treffen können?
Ich fürchte nein. Armer Philosoph ...
... oder armer Patient? In der medizinischen
Versorgung gibt es aus Sicht des GKV-Ver-
sicherten zwei für seine persönliche Per-
spektive sehr unterschiedliche Regelkreise.
Im Mund gelten für ein und denselben
Menschen fundamental andere Versor-
gungsregeln als beim Hausarzt. Stichwort
Prävention: Prävention ist in der Zahn-
medizin keine Wunschvorstellung, sondern
von Zahnärztinnen und Zahnärzten und
Patienten gelebte Wirklichkeit. Die Brücke,
die beide Welten miteinander verbindet, ist
das Bonusheft. Dank dieser segensreichen
Erfindung erschließt sich für die Patienten
die Welt der Prävention vulgo der Eigenver-
antwortung für die Zähne und der dafür
notwendigen Mundhygiene recht schnell.
Und auch nachhaltig, weil die Zuzahlung je
nach Präventionswillen und Versorgungs-
wunsch des Patienten unterschiedlich große
Löcher in der Geldbörse hinterlassen kann.
Soweit zum Idealfall – Zahnarzt und Patient
schwingen im präventiven Gleichklang,
weil die Spielregeln bekannt sind und von
den allermeisten auch verstanden wurden.
Dies gilt allerdings nicht für alle Bereiche
in der Zahnmedizin. Je dynamischer – ob
durch wissenschaftlich-therapeutische Er-
kenntnis und/oder technischen Fortschritt –
sich Versorgungsbereiche wie zum Beispiel
die Kieferorthopädie entwickeln, um so
schwieriger scheinen die Grenzziehungen
zu werden. Mit Blick auf den möglichen
Individualisierungsgrad der Therapie –
angenehmer, leichter, schöner, gerne auch
besser genannt – nehmen das Verstehen des
Patienten und seine Entscheidungsfähigkeit
im gleichen Maße ab wie seine Kosten
steigen. Leider nimmt gleichzeitig die
Anzahl meist deutlich negativer Medien-
berichte, die angesichts der aufgerufenen
Preise für die kieferorthopädische Versor-
gung Zeter und Mordio oder gar Rotlicht-
milieu schreien, erheblich zu.
Dabei – und das mag wundersam klingen –
stehen die gesetzlichen Regelungen und
die Wahlfreiheit des GKV-Versicherten nicht
im Widerspruch. Allerdings nur dann, wenn
man sich an die Grundlage hält, die hier
und da wohl mal „vergessen“ wurde: Für
alle Zahnärzte mit Kassenzulassung gilt
der verbindliche Rechtsanspruch des
GKV-Patienten auf eine zuzahlungsfreie
Behandlung! Zudem kennt das SGB V keine
Mehr- oder Zusatzleistungen in der Kiefer-
orthopädie, auch wenn es seitens der
Techniker Krankenkasse seit 2004 eine
Positivliste gibt.
Aber wie kann für die KFO-Patienten in dem
dynamischen Therapiekontext gemäß
Nietzsches Warum das Wie „(er)tragbar“
werden? Dazu haben die KZBV und der
BDK eine wegweisende und praxisnahe
Vereinbarung getroffen*. Wer mittels struk-
turierter Formulare ** (das Prinzip des Bo-
nusheftes lässt grüßen) nachvollziehbar be-
rät und aufklärt, hat zum einen sauber und
nachvollziehbar dokumentiert und gemäß
dem vereinbarten Prozedere seine KZV auf-
wandsarm ins Boot geholt. Zum anderen
wird so für die Patienten die notwendige
Transparenz geschaffen, eben selber ent-
scheiden zu können. Selbst wenn man die
erstattungsfähige GKV-Behandlungsmethode
in der eigenen Praxis nicht wirklich gut
finden mag – für den Patienten ist dies die
Basis. Welche „Extras“ er sich leisten will,
ist seine Wahlfreiheit, nicht die seines
Zahnarztes oder gar des Berufsverbands.
Foto: zm-Axentis.de
BDK und KZBV finden wegweisende Vereinbarung
Dr. Uwe Axel Richter
Chefredakteur
* Den Artikel zur KFO-Vereinbarung finden Sie auf S. 16.
** Die Mustervereinbarung zwischen KZBV und BDK sowie
die Formulare finden Sie in der zm 3/2016 auf S. 10–13.
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Editorial