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107, Nr. 3, 1.2.2017, (219)
Sehr geehrter Herr Lehmann,
Sie irren.
Wir denken zuerst als Mediziner und finden,
(zahn)medizinische Therapie kann man
nicht versteigern wie Turnschuhe. Denn
eine Therapieentscheidung ist eine hoch-
komplexe Angelegenheit: Mundgesund-
heitszustand, systemische Erkrankungen,
medizinische Prognosen, Wünsche des
Patienten, geeignete Materialien.
Dass ein Patient bei so einer komplexen
Thematik eine Zweitmeinung wünscht,
ist verständlich – und wird von uns unter-
stützt. Was aber nicht für die Einholung
einer Zweitmeinung geeignet ist, ist ein
Auktionsportal. Denn hier wird nicht ein
Patient vorstellig, sondern allein sein Heil-
und Kostenplan. Mit der Bitte um ein
darunterliegendes finanzielles Angebot.
Ohne Befunderhebung, ohne alles.
Da schüttelt der Mediziner den Kopf.
Nicht zu viel für eine Leistung bezahlen zu
wollen, ist das gute Recht des Patienten. Er
soll sich gerne eine echte zweite Meinung
einholen. Ein anonymes Bewertungsportal
ist hierfür aber zwingend ungeeignet.
Die verschiedenen Behandlungs-
alternativen werden gemeinsam
zwischen Patient und Zahnarzt
besprochen, damit – auch
unter Berücksichtigung der
Kosten – eine Behandlungs-
entscheidung getroffen werden
kann. Von Fachfremden kann das nicht
bewertet werden.
Erst nach der Entscheidung wird der end-
gültige Heil- und Kostenplan erstellt.
Ohne genaue Diagnostik auch kein ver-
bindlicher Therapieplan. Nichts anderes
fordern die Zahnärztekammern, denn die
Berufspflichten fordern wissenschaftliches
Vorgehen.
Ob Sie es wahrhaben wollen oder nicht:
Unsere Intervention hat nicht zuletzt die
Interessen der Patienten im Blick. Und nur
ein zufriedener Patient kommt wieder. Das
hilft dann dem Zahnarzt.
Sie dagegen sind ausschließlich altruistisch
unterwegs? Wieviel Prozent Provision
kassieren Sie denn für jeden vermittelten
Patienten? 10 Prozent der Behandlungs-
kosten? Oder sogar 20 Prozent? Sie
bekommen Geld für eine Behandlung,
die sie gar nicht ausführen.
Sie behaupten, dass Sie nur ein Ziel verfolgen:
Die Patienten vor – von Ihnen titulierten –
Halsabschneidern zu bewahren. Dann
rufe ich Sie auf, den zuständigen (Landes-)
Zahnärztekammern Ross und Reiter zu
benennen. Ich darf Ihnen versichern, dass
es ureigenstes Interesse der Zahnärzte ist,
die schwarzen Schafe aus dem Verkehr
zu ziehen. Und dass uns die Heil-
berufe- und Kammergesetze
hierfür die Mittel in die Hand
geben.
Die pauschale Diffamierung
des Berufsstands hilft hierbei
aber nicht weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter Engel
Präsident der Bundeszahnärztekammer
Chausseestr. 13, 10115 Berlin
„Herr Lehmann:
Sie irren!“
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Foto: Axentis.de