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107, Nr. 3, 1.2.2017, (224)

Diskussion um Zuzahlungen bei Zahnersatz

Wahlkampf mit Eigenanteilen

„Bürger müssen für Zahnersatz immer tiefer in die Tasche greifen“, lautete die Schlagzeile – und sofort beschwören SPD

und Linke reflexartig eine angebliche Zwei-Klassen-Zahnmedizin. Das klingt wahlkampfverdächtig. Ein Brief der KZBV stellt

die Sache indes sehr schnell klar: Das 2005 eingeführte – und von der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt

(SPD!) unterstützte – Modell der Festzuschüsse war ein Segen. Dadurch hat sich die Mundgesundheit der Deutschen nämlich

stark verbessert.

Auslöser für die Schlagzeile war eine Anfrage

der stellvertretenden Vorsitzenden der Linken-

Fraktion im Deutschen Bundestag, Sabine

Zimmermann, an das Bundesgesundheits-

ministerium (BMG). Sie wollte wissen, wie

viele gesetzlich Versicherte in welcher Höhe

Eigenanteile beim Zahnersatz geleistet haben.

In seiner Antwort wies das BMG darauf hin,

dass die GKV-Statistik lediglich die GKV-

Anteile für Festzuschüsse beim Zahnersatz

erfasst – die Eigenanteile der Versicherten

nicht. Mit Bezug auf das Statistische Bun-

desamt gibt das BMG an, dass private Haus-

halte für Zahnersatz (Material- und Labor-

kosten) im Jahr 2005 2,62 Milliarden Euro,

im Jahr 2010 3,02 Milliarden Euro und im

Jahr 2014 (so die aktuellsten Zahlen) 3,14

Milliarden Euro ausgegeben haben.

Bereits im Sommer des vergangenen Jahres

hatte Zimmermann in der Presse gefordert,

dass medizinisch notwendiger Zahnersatz

kostenlos sein müsse. Als Aufhänger für ihre

Argumente zog sie die Haushaltsbefragung

„Leben in Deutschland“ des Statistischen

Bundesamtes heran. Dort hatte man – auf

Basis von Selbstauskünften der Probanden –

festgestellt, dass 48,3 Prozent der Befragten

in 2014 aus finanziellen Gründen auf einen

Zahnersatzbesuch verzichtet hätten.

Angesichts dieser in der Presse erneut ver-

breiteten Diskussion meldete sich auch die

SPD zu Wort. Man könne „inzwischen die

soziale Situation eines Menschen wieder an

seinen Zähnen erkennen“, sagte der stell-

vertretende Vorsitzende der SPD-Bundes-

tagsfraktion, Prof. Karl Lauterbach, der Pas-

sauer Neuen Presse. Gerade Rentner hätten

oft schlechte Zähne. Zahnsanierungen wür-

den aus finanziellen Gründen häufig auf-

geschoben oder gar nicht erst durchge-

führt. Er forderte, den Umfang der von der

GKV zu ersetzenden Zahnersatz-Leistungen

zu überprüfen und zu erweitern.

Ein Brief an Lauterbach

„In Deutschland muss niemand aus Kosten-

gründen auf einen Besuch beim Zahnarzt

verzichten“, konterte der KZBV-Vostand.

Auf die Aussagen Lauterbachs reagierte

er mit einem persönlichen Brief an den

Politiker. Die aktuellen Daten aus der

Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie

(DMS V) zeigten, dass Lauterbachs Aus-

sagen nicht der Realität entsprechen, heißt

es in dem Schreiben: „Die Zahn- und

Mundgesundheit der Bevölkerung hat sich

in allen Bereichen deutlich verbessert.

Waren im Jahr 1997 lediglich 41,8 Prozent

der 12-Jährigen kariesfrei, sind es heute 81

Prozent. Bei den jungen Erwachsenen hat

sich die Wurzelkaries zwischen 1997 und

2014 halbiert und immer weniger ältere

Patienten sind völlig zahnlos.“ In seinem

Schreiben verweist der Vorstand ferner

auf die Studie „EURO-Z-II – Preisvergleich

zahnärztlicher Leistungen im europäischen

Kontext“, die sieben Länder in Europa mit

unterschiedlichen nationalen Gesundheits-

systemen vergleicht. Die Studie kommt zu

dem Schluss, dass Deutschland im Bereich

der zahnmedizinischen Versorgung einen

Spitzenrang einnimmt.

„Diese Ergebnisse demonstrieren eindrucks-

voll den Erfolg der Hinwendung zu einer

präventionsorientierten Versorgung, ohne

dabei die prothetische Versorgung mit

Zahnersatz aus den Augen zu verlieren“,

betont der Vorstand in seinem Schreiben.

Das 2005 unter der SPD-Gesundheits-

ministerin Ulla Schmidt eingeführte befund-

orientierte Festzuschussmodell mit Eigen-

beteiligung und einer Härtefallregelung

habe sich bewährt.

Für die Umsetzung des Festzuschusssystems

hatte sich die Zahnärzteschaft seinerzeit

vehement eingesetzt.

Der Vorstand geht in seinem Schreiben

auch auf die von Zimmermann angeführte

Haushaltsbefragung des Statistischen Bun-

desamtes ein. Auch diese Aussagen lassen

sich relativieren: Denn aus der Befragung

wird deutlich, dass es sich lediglich um

3,76 Prozent der über 16-Jährigen handelt,

die auf einen vermeintlich notwendigen

Zahnarztbesuch verzichtet haben. Davon

wiederum haben 48,36 Prozent finanzielle

Erwägungen angeführt. Aber das wäre

wahrscheinlich keine Schlagzeile wert ge-

wesen.

pr

Wieder einmal wurde eine Sau durchs Dorf getrieben: Dieses Mal ging es um den angeblich

immer teureren Eigenanteil bei Zahnersatz.

Foto: fotomaster - Fotolia.com

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