zm
107, Nr. 6, 16.3.2017, (610)
Ihr Projekt hat den Zuschlag für eine
Förderung aus dem Innovationsfonds
erhalten. Warum gerade dieses Thema
– und wo liegen die Bedarfe in der
Versorgung?
Prof. Dr. Dr. Stefan Listl:
Mit Dent@Prevent
wollen wir ein innovatives Konzept zur
besseren Verzahnung der allgemeinmedizi-
nischen mit der zahnmedizinischen Versor-
gung entwickeln. Die Grenzen bei der inter-
sektoralen Versorgung sind ja bereits seit
vielen Jahren sowohl in der Wissenschaft als
auch in der Gesundheitspolitik ein Thema.
Auch vor dem Hintergrund der zunehmen-
den Komplexität von Informations- und
Wissensmengen, der zunehmenden Verfüg-
barkeit versorgungsrelevanter Daten, ich
denke da beispielsweise an Routinedaten
der Krankversicherer, sowie der zunehmend
patientenzentrierten Versorgung stellt sich
die Frage: Wie finden wir geeignete Strate-
gien und Methoden zur nachhaltigen Inten-
sivierung der intersektoralen Versorgung?
Genau hier setzt unser Projekt an.
Wie sieht das Projekt genau aus und
welche Hauptzielrichtung hat es?
Unser Projekt will einen methodischen
Beitrag für eine verbesserte Qualität und
Ressourcenallokation in der Versorgung von
Patienten mit zahnmedizinischen und chro-
nischen Erkrankungen leisten. Hauptziel ist
ein Modell
für ein EDV-basiertes,
interdisziplinäres (zahn-)ärztliches Entschei-
dungsunterstützungssystem, das auf wis-
senschaftlicher Evidenz sowie auf Patienten-
angaben beruht. Es soll im Rahmen des Pro-
jekts auf seine Machbarkeit erprobt werden.
Wir wollen damit Antworten auf folgende
Fragen finden:
\
Lassen sich in der Literatur und mittels
anonymisierter Routinedaten statistische
Zusammenhänge zwischen zahnmedizi-
nischen und chronischen Erkrankungen
verifizieren und präzisieren?
\
Lassen sich durch eine mobile Smartphone-
App verlässliche Informationen erheben,
wie Patienten mit chronischen Erkrankun-
gen ihren Zahn- und ihren allgemeinen
Gesundheitszustand bewerten?
\
Ist ein elektronisches Entscheidungs-
unterstützungssystem zum Einsatz in der
Arzt- und Zahnarztpraxis realisierbar, das
Informationen aus Routinedaten, von Pa-
tienten selbst berichtete Informationen
sowie aus bester verfügbarer wissenschaft-
licher Evidenz integriert?
Wie lassen sich Zusammenhänge
zwischen zahnmedizinischen und
chronischen Erkrankungen darstellen
und wie wollen Sie damit die Praxis-
wirksamkeit gewährleisten?
Der Schwerpunkt unseres Vorhabens liegt
auf der Identifikation von Kausalzusammen-
hängen. Dazu wollen wir anonymisierte
Routinedaten von gesetzlichen Kranken-
kassen auswerten. Da GKV-Routinedaten
bislang keine klinischen Diagnosen für zahn-
medizinische Erkrankungen enthalten, zielen
unsere im Projekt geplanten Routinedaten-
analysen vorwiegend darauf ab, Zusammen-
hänge zwischen zahnmedizinischen Inter-
ventionen und chronischen Erkrankungen
(Diagnosen aus Routinedaten) zu identifi-
zieren. Beispielsweise interessiert uns der
Zusammenhang zwischen der Behandlung
parodontaler Erkrankungen und Diabetes.
Die Ergebnisse unserer Analysen sollen nicht
nur zu einer stärkeren Sensibilisierung von
Zahnärzten für die Relevanz chronisch-sys-
temischer Erkrankungen führen. Sie sollen
umgekehrt auch Humanmediziner für Fragen
der Mundgesundheit sensibilisieren.
Die Routinedatenanalysen sollen nicht zu-
letzt auch als wesentliche Informations-
grundlage für die Entwicklung des Ent-
scheidungsunterstützungssystems und der
Smartphone-App dienen. Dabei wollen wir
eng mit den relevanten Endanwender-
Gruppen zusammenarbeiten – also: mit
Patienten, Ärzten und Zahnärzten.
?
?
?
Pilotprojekt zur Verzahnung von Allgemein- und Zahnmedizin
Denken in Zusammenhängen verbessern
Dent@Prevent, das als zweites zahnmedizinisches Konzept vom Innovations-
fonds gefördert wird, soll Ärzten und Zahnärzten helfen, bei ihren Patienten
Zusammenhänge zwischen zahnmedizinischen und chronischen Erkrankungen
zu erkennen. Zentrales Instrument ist eine App – wie diese funktioniert, erklärt
Projektleiter Prof. Stefan Listl aus Heidelberg.
Prof. Dr. Dr.
Stefan Listl,
Universitäts-
klinikum Heidel-
berg, Sektion
Translationale
Gesundheits-
ökonomie,
Poliklinik für
Zahnerhaltungs-
kunde, ist Pro-
jektleiter von
Dent@Prevent.
Foto: Simone de Blouw
Mit dem Projekt Dent@Prevent wollen
die Forscher GKV-Routinedaten und
patientenzentrierte Parameter (Patient
Reported Outcome Measures, PROMs)
in die evidenzinformierte intersektorale
(zahn-)medizinische Versorgung im-
plementieren, um Qualität und Res-
sourcenallokation bei der Versorgung
von Patienten mit zahnmedizinischen
und allgemeinmedizinischen chronischen
Erkrankungen zu verbessern.
Inhalte sind
\
eine Präzisierung der Zusammenhänge
zwischen zahnmedizinischen und allge-
meinen Erkrankungen,
\
die Entwicklung einer Smartphone-
App zur Erhebung patientenzentrierter
Outcomes und
\
die Entwicklung eines Decision Sup-
port System (DSS) zum Einsatz in der Pra-
xissoftware mit dem Ziel, den Arzt
beziehungsweise Zahnarzt bei der Ent-
scheidungsfindung zu unterstützen.
\
Dent@Prevent im Überblick
40
Zahnmedizin