zm
107, Nr. 1, 1.1.2017, (36)
sieren. Am ‚Very-Point’ reagiert der Patient
unweigerlich mimisch und/oder verbal: So
wird der Punkt exakt geortet mit Hilfe des
spontan reagierenden und affirmierenden
Patienten, der zum Partner in der Therapie
wird [Gleditsch JM, Behrens N, 1996].
Die Very-Point-Technik hat sich speziell bei
den Mikrosystemen bewährt – so bei der
Ohr-, Schädel- und Mund-Akupunktur. Bei
den MAPS gilt – anders als bei der TCM – die
‚ON/OFF’-Regel: Die Punkte treten reaktiv
auf und verstummen, wenn die mit dem
Punkt korrelierende Funktionsstörung beho-
ben ist. Allerdings bleiben solche reaktiven
Signale bei destruktiven Prozessen – so auch
bei Tumoren – aus.
Die Somatotopien können als Mini-Funkti-
onsbilder des Organismus angesehen wer-
den: als Repräsentation des Ganzen auf um-
grenztem Gebiet ebenso wie der Homunku-
lus auf den Hirnrindenfeldern. Aus der mo-
dernen Physik, speziell der Fraktale, sind
solche Phänomene der Selbstspiegelung be-
kannt als Ausdruck der Wechselwirkung
zwischen dem Ganzen und dessen Teil-
aspekten (Abbildung 3). Diese Parallelen
ebenso wie die klinischen Erfahrungen ge-
ben den funktionellen beziehungsweise
reflektorischen Therapien eine kyberne-
tisch-informative Prägung.
Bedeutung des
Retromolargebiets
Nicht nur im Bereich der Tuber, sondern im
gesamten Ober-Unterkiefer-Retromolarge-
biet finden sich Punkte mit breiter therapeu-
tischer Wirkung. Diese erklärt sich aus der
von japanischen Forschern nachgewiesenen
direkten nervalen Verbindung der Region
am Arcus palatinus und der Plica pterygo-
mandibularis (zwischen oberem und unte-
rem Weisheitszahn) zum Grenzstrang des
Sympathikus, und zwar dem Ganglion zervi-
kale kraniale, zuständig für die autonome
Regulation im Kopf-Halsbereich [Oyagei S et
al., 1989]. Darüber hinaus weisen die über
Jahrzehnte dokumentierten Effekte hin auf
eine Regulation der HWS, speziell auf Atlas
und Axis, sowie auf das hier befindliche
Nackenrezeptorenfeld. Diese Rezeptor-Zen-
trale weist 100 mal mehr Rezeptoren – vor
allem Propriozeptoren – als andere Körper-
regionen auf. Hier wird auf der Ebene einer
verdichteten Leibwahrnehmung die optima-
le Augen-Ebene wie auch die Rumpf-Kopf-
Stellung reguliert, vermutlich mit Rückwir-
kung auf die in der gleichen Etage agieren-
den Kiefergelenke [Gleditsch JM. , 2001].
Die Unterkiefer-Retromolarregion lässt sich
allerdings nicht palpativ in Bezug auf Druck-
dolenzen beurteilen. Hier ist der feine Ku-
gelstopfer nötig oder die Nadel-Detektion
(Very-Point-Technik). Von Punkten lingual-
distal der unteren Weisheitszähne – dem so-
genannten Neuner-Gebiet – können ferner
Anteile des medialen Pterygoid-Muskels
erreicht und relaxiert werden. In der Thera-
pie der craniomandibulären Dysfunktion
(CMD) haben sich die Retromolar-Punkte
des Ober- und Unterkiefers zur Entspan-
nung der Pterygoid-Muskeln bewährt, zu-
mal die zumeist mit betroffene HWS eben-
falls angesprochen wird. Als optimal hat sich
die Kombination von Mund-, Ohr- und
Handpunkten erwiesen in der Initial-Thera-
pie der CMD [Simma I et al., 2009; Schmid-
Schwab M et al., 2005]. Auch die weltweit
häufigste Kopfschmerzform, der Span-
nungskopfschmerz, spricht oft gut auf die
mittels enoraler Punkte mögliche Relaxation
der inneren Kopfmuskeln samt der Hals-
Nackenmuskulatur an (Abbildung 4).
Lymphbelt und
extraorale Punkte
Erfahrungsgemäß treten meist gleichzeitig
mit einem drucksensiblen Schleimhautareal
an den unteren Prämolaren druckdolente
Abbildung 4:
Aktive drucksensible
Punkte im Retromo-
largebiet (Neuner-
Areal 39 / 49) sind
therapeutisch wirk-
sam bei Dysfunktion
der HWS, speziell der
Kopfgelenke, des
Nackenrezeptorfeldes
sowie bei Funktions-
störung des Musculus
pterygoideus
medialis.
Abbildung 3:
Mittels Punkten der
Akupunktur-Mikro-
systeme (MAPS) –
Ohr-,Schädel-,
Mund-, Hand-Aku-
punktur – lassen sich
funktionelle Störun-
gen therapieren: Die
Abbildung zeigt
Punkte, die bei Dys-
funktion der HWS
auftreten. Erfolgrei-
che Therapie an
einem der MAPS
löscht zumeist
Signalpunkte an
anderen MAPS aus.
36
Zahnmedizin