Table of Contents Table of Contents
Previous Page  59 / 108 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 59 / 108 Next Page
Page Background

zm

107, Nr. 2, 16.1.2017, (153)

therapie bei physiologischer Mund- und

Zungenhaltung ist zu vermeiden, da die

Behandlung für Kinder und Eltern eine

zusätzliche zeitliche Belastung darstellt.

\

Besteht ein pathologischer parodontaler

Befund sollte die Einleitung einer syste-

matischen Parodontitistherapie unter Be-

rücksichtigung der Kooperationsfähigkeit

erfolgen.

\

Besteht ein pathologischer kieferortho-

pädischer Befund sollte die Einleitung

einer kieferorthopädischen Therapie unter

Berücksichtigung des Alters und der

Kooperationsfähigkeit erfolgen.

\

Der funktionellen Harmonisierung kommt

aufgrund von Form und Funktionsrelationen

zusätzlich eine besondere Bedeutung zu,

da die oben beschriebenen dysfunktionellen

Komponenten die für DS charakteristischen

skelettalen (transversal und sagittal unter-

entwickelte Maxilla) und dentalen (Eng-

stand und Verlagerung) Anomalien unter-

halten. Daher ist in vielen Fällen bereits im

Milch- oder frühen Wechselgebiss eine kie-

ferorthopädische Frühbehandlung mittels

herausnehmbarer Geräte oder festsitzender

Gaumennahterweiterungsapparaturen –

gegebenenfalls in Kombination mit einer

Gesichtsmaske – indiziert. Kieferorthopä-

dische Studien zeigten neben der skeletta-

len Harmonisierung auch eine Verbesserung

der Nasenatmung.

\

Je nach Art und Ausprägung der Anomalie

sowie des individuellen Funktionsbefunds

und unter Berücksichtigung der allgemeinen,

der speziellen und der Familienanamnese

sowie des mentalen Alters und somit des

individuell vorliegenden Kooperationslevels

sollte die kieferorthopädische Intervention

organisiert werden, da positive Effekte für

die Kinder mit DS nicht nur durch die

Verbesserung der Motorik und Reduktion

der Kreuzbissgefahr via Stimulationsplatten-

therapie erzielt werden, sondern im weite-

ren Verlauf zum Beispiel auch durch die

signifkante Erweiterung der Nasenpassage

via kieferorthopädischer Frühbehandlung

bereits im Milchgebiss bei einer transversa-

len Enge des Oberkiefers, via Frühbehand-

lung bei vorliegenden Anomalien des pro-

genen Formenkreises (frontaler und/oder

zirkulärer Kreuzbiss), via Normalbehand-

lung zu Beginn des späten Wechselgebisses

zur Korrektur bei – gegebenenfalls vorlie-

genden – Anomalien der Klasse II sowie via

Therapie bei Zahndurchbruchsstörungen

(Verlagerung von permanenten Zähnen)

und via Erwachsenenbehandlung gegebe-

nenfalls mit einer kombiniert kieferortho-

pädisch-kieferchirurgischen Intervention bei

zu starker Ausprägung oder nicht erfolgter

früherer kieferorthopädischer Therapie. Alle

kieferorthopädischen Ansätze vereinen das

Ziel der Harmonisierung der kraniofazialen

Anatomie mit sekundärer Verbesserung der

Funktion.

\

Aufgrund klinischer Expertise sollten

Kinder mit DS jeden Alters, die auffällige

Mundfunktionen wie eine Zungenprotrusion

aufweisen, eine orofaziale, ganzkörperlich

orientierte Therapie erhalten. Dabei lohnt

sich zur Unterstützung zusätzlich eine

Stimulationsplatte nach Castillo Morales®.

Je ausgeprägter die orofazialen Auffällig-

keiten sind, desto mehr profitieren die

Kinder von der Therapie. Auch Kinder mit

geringeren Symptomen können eine Ver-

besserung nach Therapie zeigen. Für eine

Therapieentscheidung sollten Faktoren wie

die Kooperation des Kindes und/oder der

Familie in Betracht gezogen werden.

Die Originalversion der Leitlinie mit Literatur-

verzeichnis ist auf der Website der AWMF

unter

www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/

027–051.html veröffentlicht.

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Ariane Hohoff

Poliklinik für Kieferorthopädie

Universitätsklinikum Münster

Albert-Schweitzer-Campus 1

48149 Münster

Univ.-Prof. Dr. med. dent. Heike Korbmacher-

Steiner

Klinik für Kieferorthopädie

Philipps Universität Marburg

Georg-Voigt-Str. 3

35039 Marburg

Dr. med. dent. Julian Schmoeckel

Präventive Zahnmedizin und Kinderzahn-

heilkunde

Universitätsmedizin Greifswald

Walther-Rathenau-Str. 42

17475 Greifswald

Dr. med. dent. Anna Wolff

Poliklinik für Zahnerhaltungskunde

Universitätsklinikum Heidelberg

INF 400

69120 Heidelberg

anna.wolff@med.uni-heidelberg.de

Die optimale medizinische Betreuung

von Patienten mit Down-Syndrom (DS)

ist eine interdisziplinäre Kooperation

unterschiedlicher medizinischer/zahn-

medizinischer Ansätze. Hierzu Hand-

lungsempfehlungen für die Vorsorge,

Diagnostik, Therapie und Entwick-

lungsförderung von Kindern und

Jugendlichen mit DS zu entwickeln,

war Ziel der Arbeitsgruppe um Prof.

Dr. med. Tilman R. Rohrer, Sektion

Pädiatrische Endokrinologie und

Diabetologie, Universitätsklinikum des

Saarlandes und Medizinische Fakultät

der Universität des Saarlandes.

Die von der Deutschen Gesellschaft für

Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ)

herausgegebene Leitlinie wurde inter-

disziplinär im Konsensusverfahren

unter der Mitwirkung von 25 Fach-

gesellschaften beziehungsweise Orga-

nisationen erstellt. Seitens der zahn-

medizinischen Fachgebiete waren die

DGZMK, die DGKFO und die DGKiZ in

die Leitlinienarbeit eingebunden.

\

Hintergrund zur Leitlinie

hypotone anteriore Zungenlage bei

Trisomie 21

Foto: A. Hohoff

59