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107, Nr. 2, 16.1.2017, (154)

Vor vier Wochen hatte ich Ihnen angekün-

digt, mir Gedanken darüber zu machen, die

Schreiberei an den Nagel zu hängen, um

mich um „anlehnungsbedürftige Zahnärz-

tinnen“ und ihre Millionen zu kümmern.

Ich habe mir die Sache bei Champagner und

Hummer in der Bretagne durch den Kopf

gehen lassen. Nun weiß ich, was ich geahnt

habe: Das ist nichts für mich! Ich schaffe es

nicht, betuchten Damen für banale Gespräche

über Geld jedes Jahr mehrere Tausender aus

der Tasche zu ziehen. Malheureusement!

Ich bleibe Analytiker und Schreiber. Bei mir

gibt’s zu Jahresbeginn keine Prognosen,

sondern klare Worte. Wenn’s um Ihr gutes

Geld geht, kann ich Ihnen nur kurz und

bündig zurufen: Nu man bloß nich in’ Tüdel

geraten! Und wenn in Ihnen Unruhe auf-

kommt, was Sie in diesem Jahr

mit Ihrem vielen Geld machen

sollen, empfehle ich Ihnen

fünf Dinge: Fahren Sie zwei

Wochen ans Meer, marschie-

ren Sie jeden Tag bei Wind

und Wetter, lassen Sie den

Blick in die Ferne schweifen,

gönnen Sie sich hinterher –

nur – einen Armagnac, um

so nüchtern wie möglich

Bilanz zu ziehen. Das wird

nicht ohne Folgen bleiben.

Ich werde Ihnen jetzt nicht

zum 15. Mal schildern, wie man eine Privat-

bilanz austellt. Das werden Sie doch allein

schaffen, oder? Falls eine kleine Auffrischung

nötig ist, rate ich Ihnen, mit dem Bargeld

anzufangen. Bitte zählen Sie zusammen, was

auf Ihren verschiedenen Giro-, Spar- und

Termingeldkonten herumliegt: 100.000 Euro?

Dann sind die Kurswerte der Anleihen und

die Rückkaufswerte der Kapitalversicherun-

gen an der Reihe: 200.000 Euro? Bitte

vergessen Sie auf keinen Fall die Barwerte

der Rentenansprüche: 400.000 Euro? Die

Immobilien mögen 900.000 Euro wert

sein? Die Marktwerte aller Aktien liegen bei

200.000 Euro? Das Gold könnte zur Zeit

für 100.000 Euro versilbert werden?

Das sind insgesamt 1,9 Millionen Euro. Bevor

Sie bei den vielen Nullen jetzt vor lauter

Schreck auf härtere Getränke umsteigen,

zählen Sie zur Sicherheit noch einmal in

Ruhe nach. Wenn das Ihre Zahlen sind, sind

Sie einskommaneunfacher Millionär! Fangen

Sie jetzt umHimmels willen nicht an, sich für

diesen Reichtum zu rechtfertigen! Ich weiß

doch, wie hart Sie dafür gearbeitet haben.

Sie sind keinem Menschen Rechenschaft

schuldig! Bitte gehen Sie auch nicht, wie in

Schwaben üblich, in den Keller, um sich

nach allen Regeln der Kunst schämen zu

können. Ich gönne Ihnen den Reichtum von

Herzen!

Können Sie sich stattdessen vorstellen, dass

es für Sie im Bereich des Möglichen liegt,

einfach nichts zu sagen und sich über die

1.900.000 Euro zu freuen – einfach so, ohne

Wenn und Aber? Sie mögen mich für einen

Spinner halten, doch ich habe mich bei

Asterix und Obelix so gut erholt, dass ich

dieses Urteil ertragen würde. Ja, ich wünsche

Ihnen, zwei Wochen jeden Tag am Rand der

Steilküsten zu sitzen und mit dem Gefühl,

dass Sie (k)ein kleiner Fisch sind, aufs Meer

hinaus zu blicken.

Das Meer wasche alle Übel vom Menschen

ab, wusste Euripides, der griechische Dra-

matiker, im fünften Jahrhundert vor Christus

zu berichten. Ich weiß nicht, ob der Gelehrte

bei diesem Satz (auch) an Geld gedacht hat,

doch falls er das nicht getan haben sollte,

erlaube ich mir, den Kummer und die Sorge

über Geld zum menschlichen Übel hinzu-

zählen zu dürfen. D’accord?

Ich habe den Verdacht, dass achteinhalb

von zehn Zahnärzten – also 85 Prozent –

nicht in der Lage sind, sich eine Stunde

„bewusst und konzentriert“ über ihren

Wohlstand zu freuen. Irgendwann kommt in

diesen 60 Minuten die Angst auf, das Geld

ganz oder teilweise zu verlieren, irgend-

wann wird in dieser „Mußestunde“ die

Frage auftauchen, was aus dem Vermögen

in Zukunft werden wird. Bestimmt wissen

Sie, dass Ihnen diese Frage kein Mensch

dieser Welt beantworten kann, doch können

Sie – Hand aufs Herz – diese Ohnmacht auch

ertragen?

Wir können nicht sagen, wie sich die Ren-

diten festverzinslicher Anleihen entwickeln

werden. Wir wissen nicht, wie die Immobi-

lienpreise in Castrop-Rauxel am 1. Mai 2017

aussehen werden. Niemand kann uns dar-

legen, wo der DAX am 11. November 2017

stehen wird.

Und überhaupt: Diese Flüchtlinge, diese

Geldschwemme, diese Inflation, diese Politi-

ker! In diesem Jahr wird die Welt, ich sage es

Ihnen ganz im Vertrauen, nach der Bundes-

tagswahl untergehen. Bitte setzen Sie sich

also vorher nochmals ans Meer und schauen

Sie auf die Wellen. Die kommen, die gehen,

mal langsamer, mal schneller, und Sie wer-

den merken, dass Prognosen wertlos sind.

Das Leben macht, was es will, und Sie dürfen

diesem Leben eine Weile zusehen, mehr

aber auch nicht.

Ich will Ihnen mit diesem „Fatalismus“ nicht

auf die Zehen treten, sondern Sie wach-

rütteln. Die Beschäftigung mit Geld ist

langweilig und öde. Sorgen Sie für ein-

fache Strukturen. Verteilen Sie das Geld auf

viele Anlagen. Verlassen Sie sich auch 2017

weder auf Banker noch auf Sterndeuter.

Achten Sie auf die Kosten. Und bedenken

Sie, dass die Zahnmedizin nicht der

Nabel der Welt ist. Dann haben Sie gute

Aussichten, auch 2017 ohne Schäden zu

überstehen.

Je vous souhaite bonne chance!

Volker Looman zur Beschäftigung mit Geld 2017

Das Meer wäscht alles Übel ab

Der Autor ist freiberuf-

licher Finanzanalytiker

in Stuttgart. Jede Woche

veröffentlicht er in der

BILD und in der FAZ

einen Aufsatz über

Geldanlagen. Außerdem

unterstützt er Zahnärzte

auf Honorarbasis bei

der Gestaltung des

Privatvermögens.

www.looman.de

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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