Table of Contents Table of Contents
Previous Page  85 / 108 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 85 / 108 Next Page
Page Background

zm

107, Nr. 2, 16.1.2017, (179)

begrenzt an kariösem Dentin [Yoshiyama et

al., 2003]. Wenn große Flächen der Kavität

kariös sind, ist daher der Haftverbund zwischen

Zahn und Restauration kompromittiert.

Empfehlung: In weiten Teilen der Kavität

sollte hartes, mechanisch unterstützendes

und haftungsfähiges Dentin nach der Exka-

vation verbleiben. Im pulpanahen Bereich

ist dies jedoch nicht zwingend notwendig.

Bei der Exkavation von Dentin in tiefen

Läsionen in vitalen, asymptomatischen

Zähnen droht die Exposition der Pulpa.

Eine solche Pulpaexposition kompromittiert

nachweislich die Vitalerhaltung der Pulpa

(zumindest wenn, wie bisher üblich und

empfohlen, eine direkte Überkappung der

exponierten Pulpa erfolgt) [Schwendicke et

al., 2013b; Whitworth et al., 2005; Bjørndal

et al., 2010]. Im pulpanahen Bereich sollte

demnach nicht auf die Entfernung des ge-

samten weichen Dentins abgezielt werden.

Hier ist das Zurücklassen kleiner Anteile

weichen Dentins akzeptabel, insbesondere,

weil verbleibende Bakterien durch die plat-

zierte Restauration isoliert werden und

größtenteils absterben. In pulpafernen Be-

reichen sollte jedoch nur hartes Dentin ver-

bleiben, um eine ausreichende Stabilität

und Haftung der Restauration zu gewähr-

leisten (siehe Abbildung).

Empfehlung: In kariösen Läsionen, die nicht

bis in Pulpanähe ausgedehnt sind (also nicht

das innere Dentindrittel oder -viertel betref-

fen), sollte exkaviert werden, bis zentral

festes und peripher hartes Dentin verbleibt.

In tiefen, pulpanahen Läsionen in vitalen

Zähnen ohne irreversible Pulpitis sollte hin-

gegen zentral weiches oder ledriges Dentin

belassen werden, um die Pulpa nicht zu ex-

ponieren (siehe Abbildung).

Letzteres Vorgehen wird auch als selektive

Exkavation bezeichnet. Eine solche selektive

Exkavation ist – wie dargestellt – unter Einsatz

subjektiver Exkavationskriterien möglich. Al-

ternativ ist der Einsatz fluoreszenz-assistierter

Methoden [Lennon et al., 2007; Lennon et

al., 2009] oder sogenannter selbstlimitie-

render Exkavationssysteme (rückgekoppelte

Laser, Polymerbohrer) möglich, diese sind

bisher aber klinisch nur begrenzt validiert

[Lennon et al., 2006; Lennon et al., 2007;

Lennon et al., 2009; Boston, 2003]. Daneben

ist eine sogenannte schrittweise Exkavation

möglich [Bjørndal et al., 1997; Bjørndal and

Larsen, 2000; Paddick et al., 2005]. Hierbei

wird in einem ersten Schritt weiches Dentin

in Pulpanähe belassen, während in der Peri-

pherie hartes Dentin verbleibt, und eine

temporäre Restauration platziert. Nach sechs

bis zwölf Monaten wird die temporäre Res-

tauration entfernt und auch pulpanah so

exkaviert, dass nur festes Dentin verbleibt.

Da der zweite Schritt das Risiko der Pulpaex-

position birgt [Ricketts et al., 2013; Schwen-

dicke et al., 2013a; Maltz et al., 2012] und

aufwendig ist, wird dieses Verfahren heute

nur noch selten empfohlen [Kidd, 2004].

Kavitäten-Liner

Traditionellerweise wird bei tiefen Kavitäten

ein Kavitäten-Liner, etwa Kalziumhydroxid,

platziert, um die Pulpa vor thermischen oder

chemischen Noxen wie Monomeren aus

dem Adhäsivsystem zu schützen, Bakterien

zu töten und das Dentin zu remineralisieren

beziehungsweise um Reizdentinbildung zu

induzieren [About et al., 2001]. Vorhandene

Studien stützen ein solches Vorgehen nur be-

grenzt [Schwendicke et al., 2015; do Amaral

et al., 2015; Corralo and Maltz, 2013] oder

deuten sogar auf mögliche Nachteile einer

Liner-Platzierung hin [Galler et al., 2005;

Modena et al., 2009; Fusayama, 1997;

Dalpian et al., 2014; Hebling et al., 1999;

Schwendicke et al., 2013a]. Zusammen-

fassend kann zur Nutzung von Kavitäten-

Linern keine eindeutige Empfehlung abge-

geben werden.

Zusammenfassung

Ein weniger invasives Vorgehen bei der Ex-

kavation tiefer Läsionen ist durch eine zu-

nehmende Zahl von Studien gestützt und

wird basierend auf einem internationalen

Konsensus empfohlen. Dieser kann aller-

dings nationale Stellungnahmen nicht er-

setzen. Letztere könnten die hier dargeleg-

ten Empfehlungen jedoch aufnehmen.

PD Dr. Falk Schwendicke MDPH, Oberarzt

Abteilung für Zahnerhaltung und Präventiv-

zahnmedizin

Charité – Universitätsmedizin Berlin

Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin

falk.schwendicke@charite.de

Prof. Dr. Christian H. Splieth

Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheil-

kunde

Rotgerberstr. 8, 17475 Greifswald

Prof. Dr. Andreas Schulte

Department für Zahn-, Mund- und Kieferheil-

kunde / Lehrstuhl für Behindertenorientierte

Zahnmedizin

Universität Witten/Herdecke

Alfred-Herrhausen-Str. 44, 58455 Witten

Danksagung

Wir danken den Teilnehmern der Konferenz

und Autoren der englischen Originalmanu-

skripte: Jo E. Frencken, Lars Bjørndal, Marisa

Maltz, David J. Manton, David Ricketts,

Kirsten Van Landuyt, Avijit Banderjee,

Guglielmo Campus, Sophie Doméjean,

Margherita Fontana, Soraya Leal, Edward Lo,

Vita Machiulskiene, Andrea Ferreira Zandona

und Nicola P.T. Innes. Danke auch an Prof.

Edwina Kidd, Prof. Bente Nyvad und Prof.

Wolfgang Buchalla für die Teilnahme an der

Konferenz und ihre wertvollen Anregungen.

Die Konferenz wurde finanziell unterstützt

durch GC Europe (Leuven, Belgien), DMG

(Hamburg, Germany), 3M Espe (Seefeld, Ger-

many) und Dentsply DeTrey (Konstanz, Ger-

many). Die finanzielle Unterstützung wurde

ohne Auflagen gewährt. Die Diskussionen in

Leuven sowie die Erstellung der Manuskripte

erfolgte ohne Beteiligung von Firmenvertretern.

Details zu möglichen Interessenkonflikten

finden sich in den Addenda zu den Original-

publikationen.

Unbehandelte kariöse Läsionen sind

die Erkrankungmit der weltweit höchs-

ten Prävalenz [Marcenes et al., 2013]

und generieren Behandlungskosten im

Milliardenbereich [Listl et al., 2015].

Eine Internationale Kariologische Kon-

sensuskonferenz – ein informeller Zu-

sammenschluss von 21 Experten aus

12 verschiedenen Ländern – traf sich

im Februar 2015, um Empfehlungen

zur Entfernung kariösen Gewebes (Ka-

riesexkavation) in Zähnen mit vitaler

asymptomatischer oder reversibel ent-

zündeter Pulpa (also Zähnen, die zu-

nächst keiner Wurzelkanalbehandlung

bedürfen) zu erarbeiten. Diese Emp-

fehlungen wurden in zwei Artikeln auf

Englisch publiziert [Innes et al., 2016,

Schwendicke et al., 2016] und vor

Kurzem ins Deutsche übertragen.

\

Genese Konsensuspapier

I

NFO

85