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107, Nr. 5, 1.3.2017, (496)

Werte Zahnärzte beiderlei Geschlechts!

Erinnern Sie noch an den Schlusssatz meiner

letzten Kolumne? Da habe ich an Sie appel-

liert, sich in den ersten Berufsjahren um den

Aufbau einer finanziellen Rücklage zu küm-

mern. Was für Hänschen gilt, ist natürlich

auch für Hans gültig. Es ist egal, ob Sie heute

40 oder 50 oder 60 Jahre alt sind. Der Not-

groschen ist das finanzielle Fundament

des Selbstständigen. Wer keine Rücklage in

Höhe eines halben Jahresgewinns hat, ist in

meinen Augen ein armer Hund. Bei zum Bei-

spiel einem Überschuss von 200.000 Euro

nach Steuern sollte eine Rücklage von min-

destens 100.000 Euro vorhanden sein, um

in schlechten Zeiten nicht bei Banken um

Geld betteln zu müssen. Das ist doch nach-

vollziehbar, oder nicht?

Nun muss ich eine Schippe drauflegen: Bitte

versuchen Sie nicht, aus dieser

Rücklage noch Zinsen heraus-

zupressen. Sicherheit und

Verfügbarkeit sind oberste

Gebote, und für solche Anla-

gen gibt es, dem Himmel sei‘s

geklagt, keine Zinsen mehr.

Wer heute 100.000 Euro in

Festgeld oder Geldmarktfonds

anlegt, weil in einem Jahr ein

neues Auto oder ein neues

Laborgerät nötig ist, kann das

Prozentrechnen vergessen. Ei-

gentlich. In der vergangenen

Woche hat mir eine Zahnärztin berichtet,

ihre Bank zahle für 100.000 Euro nur noch

„läppische“ 0,01 Prozent pro Jahr, und das

sei doch wirklich eine Schweinerei.

Der Fast-Null-Zins hat die Bank bewogen,

der Dame ein Angebot zu unterbreiten, dass

man wie bei der Cosa Nostra eigentlich

nicht ablehnen kann. 4 Prozent pro Jahr habe

die Bank angeboten, schrieb die Anlegerin

und wollte wissen, wie ich dazu stehe. Ich

habe mir, neugierig wie ich bin, die Offerte

in Ruhe angesehen und bin zu dem Ergebnis

gekommen, dass nicht der Zins, sondern das

Angebot eine Ferkelei ist. Die Sache scheint

kein Einzelfall zu sein, so dass ich einmal im

Detail vorrechnen möchte, was Ihnen droht,

wenn Sie sich auf die Pirsch nach hohen Zin-

sen begeben. Das kann Sie, um im Bild zu

bleiben, ein Schweinegeld kosten!

Die 4 Prozent gelten für den halben Anlage-

betrag und für einen Zeitraum von sechs

Monaten. 100.000 Euro geteilt durch zwei

sind 50.000 Euro, und 50.000 Euro mal

2 Prozent ergeben 1.000 Euro. Die erste

Hälfte der 100.000 Euro steigt also im Lauf

von sechs Monaten von 50.000 Euro um

1.000 Euro auf 51.000 Euro. Anschließend

gilt wieder der kümmerliche Zins von

0,01 Prozent pro Jahr, so dass das Festgeld

nach zwölf Monaten bei 51.002,55 Euro

stehen wird. Darauf sind Abgaben von

264,42 Euro fällig, so dass der Kontostand in

einem Jahr effektiv 50.738,13 Euro betragen

wird.

Die anderen 50.000 Euro wandern in einen

Aktienfonds. Richtig! Die Reserve wird an

der Börse geparkt. Mir stehen bei diesem

Vorhaben zwar die Haare zu Berge, doch

was soll man dazu sagen? Der Opfergang

beginnt mit dem Ausgabeaufschlag von 5

Prozent. Das sind 2.500 Euro, so dass in den

Investmentfonds nur 47.500 Euro fließen.

Nun kommt es! Wie hoch muss die Rendite

der Aktien sein, damit die 47.500 Euro auf

49.269 Euro und 23 Cent steigen? Der

krumme Betrag ist die Differenz zwischen

dem Endwert von 100.007,36 Euro, den die

Anlegerin für die risikolose Geldanlage zu

0,01 Prozent bekommen würde, und den

50.738,13 Euro, die die ersten 50.000 Euro

erbringen. Die Antwort lautet 3,72 Prozent

pro Jahr.

Nun haben wir es fast geschafft! Die 3,72

Prozent müssen noch durch 0,73625 geteilt

und um 180 Basispunkte erhöht werden.

Hinter der ersten Zahl stecken die Abgeltung-

steuer und der Solidaritätszuschlag, und die

zweite Zahl ist die jährliche Gebühr für die

Verwaltung der Aktien. Folglich müsste der

Wert der Aktien im Lauf des ersten Jahres um

6,85 Prozent steigen, damit die Anlegerin

für ihre 100.000 Euro eine nominale Verzin-

sung von 0,01 Prozent pro Jahr erzielt.

Sollte die Zahnärztin weiterhin an dem

frommen Wunsch festhalten, für die gesam-

ten 100.000 Euro jährlich 4 Prozent zu be-

kommen, müsste es an der Börse richtig

knattern. Der Endwert von 104.000 Euro

minus das Festgeld von 50.740 Euro erfor-

dern einen Depotwert von 53.260 Euro. Das

ist im Verhältnis zum Startwert von 47.500

Euro ein Zuwachs von 12,13 Prozent. Hinzu

kommen die Steuern und die Verwaltungs-

gebühr, so dass die notwendige Rendite bei

18,28 Prozent pro Jahr liegt.

Ich bitte Sie um Nachsicht, Sie mit so vielen

Zahlen malträtiert zu haben. Das soll nicht

wieder vorkommen, war aber nötig, um

Ihnen in aller Deutlichkeit vor Augen zu füh-

ren, dass Sie nach Strich und Faden hinters

Licht geführt werden, wenn Sie nicht wie ein

Schießhund auf Ihr gutes Geld aufpassen.

Das optische Frisieren von Zinsen ist so alt

wie die Menschheit, doch in Zeiten magerer

Zinsen ist die Gefahr besonders groß, von

arglistigen Rosstäuschern aufs Kreuz gelegt

zu werden. Ich kann Ihnen, wenn es um die

Anlage finanzieller Rücklagen geht, nur zwei

Dinge zurufen: Bitte achten Sie auf Sicher-

heit und Verfügbarkeit, und finden Sie sich

bitte damit ab, dass es für solche Anlagen im

Moment keine Zinsen gibt. Das ist kein Bein-

bruch, davon geht die Welt nicht unter. Viel

schlimmer sind Verluste, die Sie in wenigen

Monaten durch Kredite kompensieren müs-

sen. Das ist der (un)freiwillige Gang in die

„Gefangenschaft“!

Volker Looman zu Zinsen für den Notgroschen

4 Prozent ist weniger als 0,01

Der Autor ist freiberuf-

licher Finanzanalytiker

in Stuttgart. Jede Woche

veröffentlicht er in der

BILD und in der FAZ

einen Aufsatz über

Geldanlagen. Außerdem

unterstützt er Zahnärzte

auf Honorarbasis bei

der Gestaltung des

Privatvermögens.

www.looman.de

Kolumnen entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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