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107, Nr. 5, 1.3.2017, (498)
40 Prozent der Deutschen putzen elektrisch, deutlich mehr als in den USA (20 Prozent)
und China (1 Prozent). Procter&Gamble hat als Marktführer in Deutschland beim
elektrischen Zähneputzen die Nase vorn. Frank Kressmann ist dort Chefentwickler
und hat maßgeblich an der Entwicklung einer elektrischen Zahnbürste mit Positions-
erkennung mitgearbeitet. Seit August des vergangenen Jahres ist die Bürste auf dem
Markt. Im Interview erklärt er mit seinem Kollegen, Daniel Grotzer, PAR-Manager, wie
Zähneputzen per Bluetooth funktioniert und warum der Zahnarzt sich die Putzdaten
seiner Patienten genau anschauen sollte.
Zahnbürste mit Positionserkennung
Freestyle-Putzen per Bluetooth
In den 80er-Jahren wurden die ersten elektrischen Zahnbürsten als revolutionärer technischer Durchbruch gefeiert. Mit
den heutigen Modellen soll das Putzen auch noch Spaß machen – schließlich soll der Patient nicht Sklave seiner Zahnbürste
werden. Wird er dafür jetzt zum Knecht von App und Kamera?
Viele elektrische Zahnbürsten haben
einen Timer, bieten Schutz gegen zu
festes Aufdrücken sowie mehrere
Putzmodi. Procter&Gamble hat als
erster Hersteller eine Zahnbürste mit
Positionserkennung und Smartphone-
Support vorgestellt – „eine neue Ära
in der interaktiven Zahnpflege“, heißt
es. Wodurch wird diese „neue Ära“
eingeleitet?
Frank Kressmann:
Was mit der Genius 9000
eingeführt wurde – und das ist wirklich eine
Marktneuheit –, ist, dass die Zahnbürste in
?
Zusammenhang mit der App erkennt, wo
der Nutzer im Mund gerade putzt – und
zwar individuell! Das heißt, die Nutzer kön-
nen beim Zähneputzen anfangen und auf-
hören, wo sie wollen. Wir messen, zu jedem
Zeitpunkt, in welcher Zone sie gerade put-
zen und können dies über das Smartphone
anzeigen und protokollieren.
Die Positionserkennung ist nur kombi-
niert mit dem Smartphone möglich?
Daniel Grotzer:
Genau, Sie brauchen die
Kamera Ihres Smartphones für die Gesichts-
?
Foto: Procter & Gamble
erkennung, um zusammen mit dem Sensor
in der Bürste die Position zu errechnen. Aber
selbstverständlich können Sie die Bürste
auch ohne Positionserkennung benutzen.
Warum ist es notwendig, live zu ver-
folgen, welcher Bereich des Mundes
gerade geputzt wird?
Kressmann:
Wir hören von Zahnärzten
immer wieder, dass die meisten Menschen
bestimmte Bereiche des Mundes sehr gut
putzen, es aber auch Bereiche gibt, die nicht
gut geputzt werden. Wir haben dies sogar
in einer Studie nachgeprüft und in der Tat
festgestellt, dass 60 Prozent der Studienteil-
nehmer den hinteren Backenzahnbereich
entweder zu kurz oder gar nicht putzen –
dafür aber den vorderen Bereich umso mehr.
Wir haben also festgestellt, dass die Putzleis-
tung im Mund in der Regel sehr ungleich
verteilt ist. Und dass sich die Menschen nach
20 Jahren Zähneputzen eine Routine ange-
eignet haben, die jeden Tag immer gleich
abgespult wird. Unser Ziel war, genau diese
Routine zu durchbrechen. Deswegen haben
wir die Positionserkennung eingeführt –
um sicherzustellen, dass jeder Bereich des
Mundes gleichwertig geputzt wird.
Grotzer:
An uns sind Zahnärzte heran-
getreten, die sagten, dass der Patient auf
lange Sicht nie 100-prozentig das macht,
was ihm in der Praxis beigebracht wurde,
sondern dass der Patient immer wieder in
seine alte Routine zurückfällt. Ein Zahnarzt
sagte: „Im Grunde genommen, müsste ich
immer neben dem Patienten im Badezimmer
stehen, um ihm zu sagen, wo er noch putzen
muss.“ Genau aus diesem Grund wurde dann
die Genius 9000 entwickelt.
In Ihrem Forschungszentrum in Kron-
berg erforschen Sie, wie Menschen
Zähne putzen. Nach Ihren Studien
putzen 80 Prozent der Teilnehmer
?
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