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107, Nr. 11, 1.6.2017, (1304)
Wer als Zahnarzt, Arzt oder auch Rechtsan-
walt unbefugt ein fremdes Geheimnis offen-
bart, das ihm in seiner beruflichen Eigen-
schaft anvertraut oder sonst bekannt ge-
worden ist, macht sich nach Paragraf 203
Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Soweit so
gut. Doch wussten Sie, dass Sie bereits ein
Geheimnis „offenbaren“, wenn eine dritte
Person Kenntnis von den von Ihnen ge-
schützten Geheimnissen erlangen könnte –
sogar, wenn diese dritte Person zur Ver-
schwiegenheit verpflichtet und durch Sie
kontrolliert werden würde?
Ein Beispiel: Wenn ein Zahnarzt seine Soft-
ware von einem IT-Dienstleister warten
lässt, gewährt er ihm Zugriff auf die Compu-
teranlage der Praxis – und Einsicht in Patien-
tendaten. Hat der Patient dem aber nicht
ausdrücklich zugestimmt, verletzt der Zahn-
arzt – streng genommen – in diesem Mo-
ment sein Arztgeheimnis. Zumindest geht
er ein rechtliches Risiko ein, sein Arztge-
heimnis verletzten zu können.
Wenn der IT-Experte zum
Problem wird
Einen Weg aus dieser Zwickmühle zu finden,
ist schwierig – Lösungen gibt es kaum: Auch
wenn neue Patienten bereits bei der Auf-
nahme einer Datenweitergabe zustimmen
(müssen), gibt es immer noch jene, die vor
10 oder 15 Jahren aufgenommen wurden
und diese Einwilligung nicht gegeben ha-
ben. Zudem können Patienten ihre Einwilli-
gung jederzeit zurückziehen. De facto führt
damit derzeit jeder Einsatz eines externen
IT-Dienstleisters, der mit geschützten Daten
in Berührung kommt, zu einem Strafbar-
keitsrisiko für den Zahnarzt – sogar wenn es
sich bei dem IT-Dienstleister um ein Unter-
nehmen handelt, das extra auf den Umgang
mit sensiblen Daten spezialisiert ist.
„Der Paragraf 203 im Strafgesetzbuch ist
nicht für die digitalisierte Welt geschaffen
worden“, sagte Eric Hilgendorf, Jura-Profes-
sor an der Universität Würzburg. „Die Norm
ist hundert Jahre alt und wurde zu einer Zeit
formuliert, in der man an Digitalisierung
noch gar nicht denken konnte.“ Auch der
Gesetzgeber hat erkannt, dass es derzeit
keinen rechtssicheren Weg gibt, um das
Arztgeheimnis zu wahren, sobald Dritte hin-
zugezogen werden. Deshalb – so lautet der
Vorschlag des Gesetzgebers – soll das straf-
rechtliche Risiko durch die Mitwirkung Drit-
ter reduziert werden.
Die Neuregelung soll
Rechtsicherheit schaffen
Im Kern sieht die Neuregelung des Para-
grafen 203 StGB eine Einschränkung der
Strafbarkeit vor: Wenn also „der Berufsge-
heimnisträger“ – der Zahnarzt – „eine dritte
Gesetzentwurf zur Neuregelung des Arztgeheimnisses
Der Paragraf ist hundert Jahre alt!
Wer das Arztgeheimnis verletzt, dem droht eine Freiheitsstrafe in Höhe von bis zu
einem Jahr. Sie fühlen sich nicht angesprochen? Nun, das sieht der Gesetzgeber
anders. Es bestehe derzeit ein „konstantes rechtliches Risiko“, dass sich Zahn-
ärzte nach Paragraf 203 Strafgesetzbuch strafbar machen. Die Rechtslage ist so
schwammig, dass vermutlich auch Sie sich in einer Grauzone bewegen.
Der „Entwurf eines Gesetzes zur Neurege-
lung des Schutzes von Geheimnissen bei
der Mitwirkung Dritter an der Berufsaus-
übung schweigepflichtiger Personen“
wurde imDezember 2016 vom Bundesmi-
nisterium der Justiz und für Verbraucher-
schutz veröffentlicht. Sowohl Bundes-
zahnärztekammer (BZÄK) als auch Kassen-
zahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV)
haben zu diesem ersten Referentenent-
wurf Stellung bezogen.
Die Hauptkritik bezog sich darauf, dass der
Zahnarzt dafür hätte Sorge tragen müs-
sen, dass sich auch „berufsmäßig tätige
Gehilfen“ zur Geheimhaltung verpflich-
ten. Der Zahnarzt wäre als künftig ver-
pflichtet gewesen, die Tätigkeit des Praxis-
personals explizit zu überwachen. „Hier
wird ein zusätzlicher Straftatbestand für
Zahnärzte geschaffen, den sie nur einge-
schränkt beherrschen können“, kritisier-
ten BZÄK und KZBV damals in einer ge-
meinsamen Stellungnahme.
Im nun vorliegenden Regierungsentwurf
hat der Gesetzgeber dies „sinnvollerweise
und damit richtig ersatzlos gestrichen“,
freut sich die BZÄK. „Es bleibt eine Straf-
barkeit des Berufsgeheimnisträgers, wenn
er nicht dafür Sorge getragen hat, dass ei-
ne sonstige mitwirkende Person, die unbe-
fugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung
oder bei Geleggenheit ihrer Tätigkeit be-
kannt gewordenes Geheimnis offenbart,
zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.“
Das Gesetzgebungsverfahren läuft nun
seit dem 15. Februar 2017. Der Bundesrat
will Anfang Juli dazu Stellung nehmen.
Vom Referentenentwurf zum Regierungsentwurf
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