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107, Nr. 12, 16.6.2017, (1436)

Medizin im digitalen Zeitalter bedeutet

fundamentale Veränderungen in Bezug auf

Patienten, Ärzte und medizinische Praxis.

Neue Kompetenzprofile der Ärzte sind

gefordert. Die Veränderungen sind nicht

zu verhindern, Digitalisierung „geht nicht

weg“. Die Ärzteschaft tut gut daran, diese

Fortschritte auch mitzugestalten.

Prof. Dr. Andreas Lehr

LetV Verlag Berlin,

Universität Köln

„Der 120. Deutsche Ärztetag 2017 be-

grüßt grundsätzlich die Möglichkeiten

dieser digitalen Anwendungen, da sie die

Chance bieten, bessere Informationen als

Grundlage für diagnostische und thera-

peutische Entscheidungen zur Verfügung

zu stellen“, heißt es im Abschlussbericht

der Bundesärztekammer. Voraussetzung sei,

dass Ärzte und Patienten bei der Nutzung

der digitalen Anwendungen auf die ärztliche

Schweigepflicht vertrauen können und die

Gesundheitsdaten vor dem Zugriff unbe-

rechtigter Dritter geschützt sind. Auch

dürfe die Nutzung nicht zu mehr

Bürokratie in Arztpraxen führen, die

Patienten müssten zudem das Recht

behalten, sich freiwillig für oder gegen

die Nutzung der Anwendungen ent-

scheiden zu können. Dabei sei der Auf-

bau der Telematikinfrastruktur sowie der

Anschluss der Arztpraxen eine Aufgabe,

deren Finanzierung nicht nur die gesetzliche,

sondern auch die private Krankenversiche-

rung stemmen muss. Eine gesetzgeberisch

initiierte Infrastruktur sei darüber hinaus aus

Steuermitteln mitzufinanzieren: „Damit wäre

sichergestellt, dass die für die Versorgung

der Versicherten vorgesehenen Mittel für

den Erwerb von Lesegeräten, Konnektoren

etc. sowie mögliche und wünschenswerte

Anschubanreize nicht zweckentfremdet

werden.“ Hierzu sei zügig ein staatliches

Infrastrukturprogramm aufzusetzen.

Gütesiegel für Gesundheits-Apps

Die Ärzte sprachen sich außerdem für

die Einführung eines bundeseinheitlichen

Gütesiegels von Gesundheits-Apps aus,

das die

Datensicherheit

und -zuverlässigkeit gewährleisten soll.

Für eine Positivliste für sinnvolle Gesund-

heitsapps sollten in standardisierten Ver-

fahren diese analysiert und im Hinblick

auf Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und

medizinische Qualität bewertet werden.

Die Einführung digitaler Anwendungen

wie die elektronische Patientenakte müsse

kontinuierlich wissenschaftlich untersucht

und begleitet werden.

Digitale Angebote und Regelversorgung

Der Deutsche Ärztetag begrüßte auch

die Durchführung von Modellprojekten

zur Fernbehandlung. Die Bundes-

ärztekammer solle prüfen, ob die

(Muster)Berufsordnung für Ärzte

ergänzt werden kann, so dass die

Kammern in Einzelfällen Ausnahmen

für definierte Projekte mit wissenschaft-

licher Evaluation zulassen können.

Digitalisierte Versorgungsangebote

sollen in die Regelversorgung überführt

werden: „Hierbei bieten sich insbesondere

telemedizinische Leistungen an, die sich

bereits bewährt haben, wie im Fall von

chronischer Herzinsuffizienz, Schlag-

anfällen oder Diabetes mellitus Typ II“,

konkretisierte das Ärzteparlament.

sg

Die Ärztewelt wird digital

Foto: privat

richtungen hinweg für eine schnelle

Diagnose und Therapie. Sie ist gerade auf

dem Land nicht mehr wegzudenken.

Dass die Delegierten des Ärztetages fordern,

digitalisierte Versorgungsangebote in die

Regelversorgung zu überführen, ist nur

nachvollziehbar. Die Patienten werden es

den Ärzten und Zahnärzten danken, die sich

unvoreingenommen auf Neues einstellen.

Wenn ein Selbstverwaltungsgremium wie

die KV Baden-Württemberg diesen Weg

geht, beweist das zusätzliche Schlagkraft.

Seit Februar sind die Weichen für die Video-

Sprechstunde gelegt. Im Herbst soll dort

das Projekt „Medcall 2.0“ starten: Patienten

erhalten über die KV die Möglichkeit,

telefonisch, online oder per Video Kontakt

mit einem Arzt aufzunehmen. Ulrich Clever,

Präsident der dortigen Landesärztekammer,

konnte auf dem Ärztetag darüber berichten,

dass seine Kammer sich nahezu einstimmig

für eine Modellklausel in der Berufsordnung

ausgesprochen hat, die eine ausschließliche

Fernbehandlung ermöglicht. Der Ärztetag

folgt dieser Richtung der Lockerung des Ver-

bots der ausschließlichen Fernbehandlung

mit einem ebenfalls mit überwältigender

Mehrheit angenommenen Beschluss, von

Montgomery als „Weichenstellung für die

Zukunft“ bezeichnet.

Digitalisierung „geht nicht

weg“

Und auch bei den Zahnärzten wird verstärkt

die Sprechstunde per Chat angeboten –

beispielsweise nach einer Implantation oder

für eine Zweitzahnarzt-Beratung.

iconimage – Fotolia

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