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107, Nr. 2, 16.1.2017, (134)
Im Jahr 2012 hat das IDZ eine systematische
Übersicht zur Mundgesundheit von Menschen
mit Behinderungen in Deutschland auf der
Grundlage aktueller Einzelstudien vorgelegt
(1). Zu dem Zeitpunkt gab es für Deutsch-
land insgesamt acht wissenschaftliche Ar-
beiten zu diesem Thema. Es zeigte sich, dass
der zahnmedizinische Gesundheitszustand
im Vergleich zur gesamten Bevölkerung hin-
sichtlich der Karieserfahrung, der Anzahl
fehlender Zähne und des zahnmedizinischen
Sanierungsgrads schlechter war. Einerseits
wurde also deutlich, dass die Mundgesund-
heit dieser vulnerablen Bevölkerungsgruppe
im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung in
Deutschland kompromittiert ist; anderer-
seits stellte die Literaturübersicht aber auch
klar, dass auf diesem Gebiet ein erheblicher
Forschungsbedarf besteht.
Aus diesem Grund wurden diejenigen
Studienteilnehmer aus der Altersgruppe der
jüngeren Senioren (65- bis 74-Jährige) der
Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie
(DMS V) auf einen möglichen Grad der Be-
hinderung (GdB) hin überprüft und geson-
dert ausgewertet. Ziel war, die bisherigen
Erkenntnisse aus der Literatur zu überprüfen
und um weitere Informationen zum Mund-
gesundheitszustand und zahnmedizinischen
Versorgungszustand zu erhalten (2).
Betrachtet wurden dabei Menschen mit
einer Schwerbehinderung (GdB > 50 Pro-
zent). In der DMS V wiesen 199 der
insgesamt 1.042 untersuchten jüngeren
Senioren eine Schwerbehinderung auf
(19,1 Prozent).
Dabei bestätigte sich die Erkenntnis aus der
systematischen Literaturübersicht aus dem
Jahr 2012 (Tabelle 1): Jüngere Senioren mit
einer Schwerbehinderung haben eine höhere
Karieserfahrung als die gesamte Altersgruppe
der jüngeren Senioren (+2,2 Zähne), ihre
mittlere Anzahl fehlender Zähne war erhöht
(+3,4 Zähne) und sie wiesen einen geringe-
ren Sanierungsgrad (-8,9 Prozent) auf.
Fast vier funktionstüchtige
Zähne weniger
Der Begriff der Karieserfahrung schließt die
Gesamtheit der durch Karies und Karies-
folgen – Füllungen oder andere Restauratio-
nen, Zahnverluste – betroffenen Zähne eines
Gebisses ein. Daher lässt sich aus dieser Größe
nicht der Sanierungsgrad ermitteln. Um den
Anteil der Restaurationen an den Zähnen
mit einer Karies(erfahrung) zu bemessen,
muss der DMFT-Index in seine Einzelkompo-
nenten aufgelöst werden. Der Sanierungs-
grad kann dann nach folgender Formel be-
stimmt werden: (F/(D + F)x100).
Interessanterweise ist der Sanierungsgrad
auch bei Menschen mit einer Schwerbehin-
derung in ähnlicher Weise sowohl an die
soziale Lage als auch an das Inanspruch-
nahmeverhalten zahnärztlicher Dienstleis-
tungen gekoppelt, wie dies in der gesamten
Altersgruppe ebenfalls beobachtet wurde.
So war beispielsweise der Sanierungsgrad
bei einem kontrollorientierten Inanspruch-
nahmemuster fast doppelt so hoch (85,0
Prozent) wie bei einem beschwerdeorien-
tierten Verhalten (43,8 Prozent). Aus dem
Sanierungsgrad wiederum lässt sich die An-
zahl primär gesunder oder restaurierter Zähne,
DMS V
Jüngere Senioren mit Schwerbehinderung
2013 war gut die Hälfte der Menschen mit einer schweren Behinderung
in Deutschland über 65 Jahre alt. Überwiegend waren die Behinderungen
durch Krankheit verursacht. Die bisherige Datenlage zur Mundgesundheit dieser
Patientengruppe ist in Deutschland unbefriedigend. Daher lag es nahe, mit einer
gesonderten Auswertung der DMS V weitere Informationen zur Mundgesundheit
von Menschen mit Behinderungen zu schaffen. Hier ist das Ergebnis.
Die Mundgesundheit jüngerer Senioren mit einer schweren Behinderung in Deutschland ist
schlechter als in der gesamten Altersgruppe. Die zentralen Unterschiede bei der Karieserfahrung,
bei Zahnverlusten und bei totaler Zahnlosigkeit sind jedoch kein deutsches Spezifikum.
Foto: Ingo Bartussek - Fotoli.acom
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Praxis