Table of Contents Table of Contents
Previous Page  6 / 108 Next Page
Information
Show Menu
Previous Page 6 / 108 Next Page
Page Background

zm

107, Nr. 2, 16.1.2017, (100)

Dr. Wolfgang Eßer

Vorstandsvorsitzender

der KZBV

Foto: KZBV-Baumann

Seit Jahrzehnten haben die

Akteure der Selbstverwal-

tung in Kooperation miteinander

und mit den Aufsichtsbehörden eine

funktionierende Sicherstellung der

Versorgung garantiert.

Die vergangenen Monate haben gezeigt,

dass einige der zuletzt beschlossenen

gesetzlichen Neureglungen inzwischen

erfolgreich in der vertragszahnärztlichen

Versorgung angekommen sind. Dazu zäh-

len zum Beispiel die rasanten Fortschritte

bei der aufsuchenden Versorgung von

Pflegebedürftigen und Menschen mit

Behinderungen. Für uns in der Vertrags-

zahnärzteschaft gilt es jetzt, sich nicht auf

den Erfolgen auszuruhen, sondern – gemäß

unserer Konzepte – mit ganzer Kraft weiter

an der Sicherstellung der flächendeckenden

Versorgung für alle Patienten und Versicher-

ten zu arbeiten. Dazu ist eine starke und

funktionstüchtige Selbstverwaltung uner-

lässlich.

Genau diese ist jedoch in Gefahr. Das

ernüchternde Fazit, das wir zum Ende des

letzten Jahres in Bezug auf das geplante

GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz

(GKV-SVSG) ziehen mussten, bleibt weiter

bestehen und wird auch die politischen

Diskussionen der kommenden Wochen

bestimmen. Der Rundumschlag der Politik

gegen die Selbstverwaltung sitzt tief.

Zwar will der Gesetzgeber zahlreiche Rege-

lungen, die im ursprünglichen Referenten-

entwurf des GKV-SVSG noch vorgesehen

waren, nicht mehr weiter verfolgen.

Insbesondere aus unserer Sicht ist das

Bekenntnis zum Fortbestehen der Rechts-

aufsicht des Ministeriums und die Absage

an eine Verlagerung zur Fachaufsicht zu

begrüßen.

Dennoch enthält der Gesetzesentwurf

detaillierte und schwerwiegende Eingriffe

in die Arbeit der KZBV und in die Kernkom-

petenz unserer Vertreterversammlung, die

aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt sind.

Für die KZBV sind hohe Standards in der

Verwaltungsorganisation und interne Trans-

parenzpflichten eine Selbstverständlichkeit.

Die zentralen Bedenken zum GKV-SVSG hat

der Vorstand der KZBV in den letzten

Wochen in intensiven Gesprächen mit

maßgelblichen Politikern der Union und

der SPD vorgetragen. Vor allem drei Rege-

lungen erachten wir als Schwächung der

Handlungsfähigkeit der Vertreterversamm-

lung und damit der Selbstverwaltung ins-

gesamt – sie würden die Arbeit der KZBV

und ihrer Gremien in erheblicher Weise

einschränken und erschweren:

Erstens: Die geplante Pflicht zur namentlichen

Abstimmung in der Vertreterversammlung

bei haftungsrechtlicher Bedeutung des Ab-

stimmungsverhaltens. Das stellt eine nicht

hinnehmbare Beschneidung der Willensbil-

dung der Mitglieder der Vertreterversamm-

lung dar. Der Haftungsdruck wird defensives

Abstimmungsverhalten der Delegierten för-

dern, um Haftungsrisiken zu vermeiden.

Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der

Vertreterversammlung insgesamt gelähmt.

Zweitens: Durch enge Vorgaben für das

Haushaltswesen wird die Haushaltsautono-

mie als wesentlicher Bestandteil der Selbst-

verwaltung ausgehöhlt und die Finanzpla-

nung der Körperschaft erheblich erschwert.

Das kann zu sprunghaften Schwankungen

in der Höhe der Beiträge der Zahnärzte und

bei den KZVen führen – eine Belastung, die

die Organisationshoheit der Körperschaften

massiv tangiert.

Drittens: Ein Entsandter für besondere

Angelegenheiten soll unterhalb der Ein-

griffsintensität eines sogenannten Staats-

kommissars eingesetzt werden, um die

Körperschaft von innen heraus lenken zu

können. Dies würde den Vorstand ent-

machten und ihn zu einer Marionette des

Entsandten degradieren.

Würden diese Regelungen umgesetzt, würde

das Pendel in Richtung einer noch stärkeren

Aufsicht durch das Bundesgesundheits-

ministerium ausschlagen. Um aber ihre Auf-

gaben adäquat erfüllen zu können, braucht

die Selbstverwaltung einen Handlungs-

und Gestaltungsspielraum. Seit Jahrzehnten

haben die Akteure der Selbstverwaltung in

Kooperation miteinander und mit den Auf-

sichtsbehörden eine funktionierende Sicher-

stellung der Versorgung garantiert. Ohne

Not wird nun die gesamte Selbstverwaltung

auf Bundesebene unter einen ungerechtfer-

tigten Generalverdacht gestellt und die

Innovationskraft der Gremien insgesamt

erheblich beeinträchtigt.

Am 16.1. findet zum GKV-SVSG eine

öffentliche Anhörung im Ausschuss für

Gesundheit des Deutschen Bundestages

statt. Dort wird die KZBV ihre Positionen

mit Nachdruck vertreten. Das Gesetz ist

aus unserer Sicht nicht notwendig.

Wir sind keine Marionetten!

6

Leitartikel