zm
107, Nr. 4, 16.2.2017, (324)
Thema Schmerzausschaltung bei
zahnmedizinischen/chirurgischen
Eingriffen: Welche Form der Schmerz-
ausschaltung würden Sie generell
befürworten?
Prof. Monika Daubländer:
Die zahnärztliche
Lokalanästhesie ist ein sicheres Verfahren
hinsichtlich Wirkung und Nebenwirkungen.
Im Sinne einer differenzierten Lokalanäs-
thesie sollten die verschiedenen Lokalanäs-
thetika, der Vasokonstriktor Adrenalin und
die unterschiedlichen Techniken (Leitungs-
anästhesie, Infiltrationsanästhesie, intra-
ligamentäre Anästhesie und intraossäre
Anästhesie) sorgfältig ausgewählt und
kombiniert werden. Die leider häufig
benutzte One-fits-all-Methode wird dem
individuellen Patienten bezüglich seiner
Erwartungen und Risikofaktoren nicht
gerecht.
Wie sollte die Schmerzausschaltung
bei der Kinderbehandlung aussehen?
Bei der Kinderbehandlung müssen zwei
Dinge berücksichtigt werden:
Die kleinen Patienten haben in der Regel
ein geringes Körpergewicht. Daher sollte
eine gewichtsbezogene Dosierung der
Lokalanästhetika erfolgen. Da die zur Ver-
fügung stehende Grenzmenge außerdem
von der Verwendung des Vasokonstriktors
abhängt, und so erhöht werden kann, sollte
– wenn immer möglich – eine adrenalin-
haltige Lösung eingesetzt werden. Außer-
dem ist eine fraktionierte Behandlung
anzustreben.
Ein weiteres Problem ist die Gefahr der
selbstinduzierten Weichteilverletzung auf-
grund der anhaltenden Weichteilanästhesie.
Diese ist größer, je jünger das Kind ist.
Zur Verkürzung der Anästhesie von Lippen,
Wangen und Zunge stehen drei Optionen
zur Verfügung: geringe Konzentration des
Adrenalins verwenden (1:400.000), lokale
Injektionstechniken einsetzen (intraliga-
mentär, intraossär) oder nach Beendigung
der schmerzhaften Behandlung OraVerse®
injizieren.
Was hat der Zahnarzt bei der
Schmerzausschaltung bei Senioren,
speziell multimorbiden Hochbetagten,
zu beachten?
Im Hinblick auf die Lokalanästhesie ist das
Alter per se kein entscheidendes Risiko.
Die mögliche Verlängerung der Metaboli-
sierungszeit der Lokalanästhetika ist bei
Articain klinisch nicht relevant. Die häufig
bestehende Multimorbidität und Poly-
pharmazie stellen jedoch ein Risikopotenzial
dar. Hier kommt der Anamnese eine bedeu-
tende Rolle zu, unter Umständen ergänzt
durch einen Informationsaustausch mit den
behandelnden Ärzten. Häufig steht bei die-
sen Gesprächen dann das Adrenalin im Mit-
telpunkt, insbesondere bei cardiovaskulären
Vorerkrankungen oder auch dem Diabetes
mellitus. Aktuelle Studien zeigen, dass bei
der Leitungsanästhesie am N. alveolaris
inferior gut auf den vasokonstriktorischen
Zusatz verzichtet werden kann.
Bei der Infiltrationsanästhesie und der Lei-
tungsanästhesie am N. infraorbitalis ist das
Adrenalin jedoch sowohl für die Tiefe als
auch für die Dauer der Anästhesie ent-
scheidend. Diese Injektionen sollten daher
wann immer möglich mit einer adrenalin-
haltigen Lösung durchgeführt werden. In
meinen Augen ist es risikoärmer, mit
einem geringen Adrenalinzusatz eine gute
Schmerzausschaltung zu erreichen, als
die unkontrollierte endogene Adrenalin-
ausschüttung durch Angst und Schmerz des
Patienten in Kauf zu nehmen.
Thema Selbstmedikation:
Immer
wieder haben, vorwiegend auch
Angstpatienten, schon über längere
Zeit ihre Schmerzen in Eigen-
behandlung kupiert. Ist da für eine
anschließende Zahnbehandlung etwas
zu beachten?
Auch diese Konstellation hat mehrere
Facetten. Wurde im Rahmen der Selbst-
medikation ASS (Acetylsalicilsäure) einge-
nommen, so erhöht sich aufgrund der
Thrombozytenaggregationshemmung das
Blutungsrisiko bei chirurgischen Eingriffen.
Die Angst der Patienten wird durch „Warte-
zeit“ nicht reduziert, sondern nimmt zu,
und das Risiko für unspezifische systemische
Komplikationen während der Behandlung
(Hyperventilation, vasovagale Synkope und
mehr) ebenfalls. Infolge der anhaltenden
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Weltzahnschmerztag am 9. Februar 2017
„One fits all wird den Patienten nicht gerecht“
Zum Weltzahnschmerztag gibt Univ.-Prof. Monika Daubländer im Interview ein
Update über die neuesten Erkenntnisse zur Therapie von Zahnschmerzen.
Univ.-Prof. Dr. Dr.
Monika Daubländer
ist Fachärztin für
Mund-, Kiefer-,
Gesichtschirurgie,
hat über Lokal-
anästhesie habilitiert
und beschäftigt sich
mit dem Thema
Schmerz in For-
schung, Lehre und
Krankenversorgung.
Foto: privat
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Zahnmedizin