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zm

107, Nr. 5, 1.3.2017, (460)

Der 257-Seiten starke Bericht des Instituts

für Qualität und Wirtschaftlichkeit im

Gesundheitswesen (IQWiG) zu Vor- und

Nachteilen der Parodontaltherapie beginnt

mit folgenden Worten: „Dieser Vorbericht

ist eine vorläufige Nutzenbewertung. Er

wird zur Anhörung gestellt und es können

schriftliche Stellungnahmen eingereicht

werden.“ Diese Frist endete am 21. Februar

2017. Die Kassenzahnärztliche Bundesver-

einigung (KZBV) war vorbereitet. Punkt

12:00 Uhr erreichte ihre 18-seitige Stellung-

nahme das Institut.

Die darin formulierte Kritik bezieht sich in

erster Linie auf die Methodik des IQWiG, mit

der die Studien zur Parodontaltherapie be-

Stellungnahmen zum IQWiG-Vorbericht zu Parodontitistherapien

Die Zahnmedizin steckt in der Evidenzfalle

Die ersten Reaktionen reichten von ungläubigem Entsetzen über Kopfschütteln bis zum Türenknallen. Der IQWiG-Vorbericht,

der einen Großteil der Parodontaltherapie quasi über Nacht für nutzlos erklärte, hat ohne jeden Zweifel für Unmut gesorgt.

Die Zahnärzteschaft will sich damit nicht geschlagen geben. Im Gegenteil.

Foto: fotofabrika - Fotolia.com

Die Einführung des Begriffs „Evidenz-

basierte Medizin“ um circa 1992 und die

Implementation der mit diesem Begriff ver-

bundenen Verfahren hatte u. a. das Ziel,

die Medizin von überkommenen „post

hoc ergo propter hoc“-Rückschlüssen zu

befreien und klare Regeln für Kausalitäts-

aussagen zu schaffen. Der EBM-Begriff

stand und steht somit für ein emanzipa-

torisches Programm der Medizin. Keiner

will in die Zeit vor der EBM zurück.

Seit die in der Verfahrensordnung des

Gemeinsamen Bundesausschusses aufge-

nommenen Festlegungen zur Wertigkeit

von Studien getroffen wurden, haben sich

Anzahl und Umfang der Studien, die Ver-

sorgungsvorgänge direkt beobachten,

stark weiterentwickelt. Dies ist u. a. einer

verstärkten Förderung der Versorgungs-

forschung durch Institutionen des Bundes

und der Länder zuzuschreiben. In diesen

Studien wird keine Randomisierung vor-

genommen, dennoch werden wertvolle

Daten zum Nutzen und zur Sicherheit me-

dizinischer Therapien erhoben. In Groß-

britannien sieht das National Institute for

Health and Clinical Excellence (NICE) ent-

sprechende Studien aus der Versorgungs-

forschung als sinnvolle Ergänzung zu den

klassischen Studienformaten an und schließt

diese nicht prinzipiell aus. Diesen

Wandel in der Einschätzung der

Relevanz klinischer Studien

akzeptiert das IQWiG augen-

scheinlich noch nicht. Ent-

sprechende Studien sind

aber in der Parodontologie

von besonderer Bedeutung,

da sie langfristige Änderungen

des Mundgesundheitsstatus doku-

mentieren. Dies ist besonders bedeutsam

für die Fragestellung Nr. 4 (Strukturierte

Nachsorge), für die das IQWiG keine Studie

zur Analyse zugelassen hat. Exemplarisch

genannt sei die Studie von Dannewitz et

al., die das Schicksal von 1.015 Molaren

über zehn Jahre verfolgten. Vermutlich

wurde diese Studie auf der Abstract-Ebene

vom IQWiG ausgeschlossen, was die Frage

aufwirft, ob man wirklich 5.431 Studien

allein aufgrund der Inaugenscheinnahme

von Titel oder Abstract aus der Auswahl

entfernen kann.

Weiterentwickelt haben sich ferner die

formalen Bedingungen und die Sorgfalt,

mit der Ethik-Kommissionen über

Studienanträge entscheiden. So

kann der Autor, selbst Mitglied

einer Ethik-Kommission, mit

Sicherheit ausschließen, dass

er jemals einen Antrag für eine

Studie befürworten würde, in

der Studienteilnehmern in einem

Studienarm die parodontologische

Therapie verweigert würde. Der Krite-

rienkatalog des IQWiG für solche Studien,

die es in seine Nutzenbewertung einzube-

ziehen bereit ist, entfernt sich hinsichtlich

seiner Anforderungen an die aktiven Wis-

senschaftler somit mehr und mehr von der

gesellschaftlichen Realität.

Prof. Dr. Winfried Walther

Direktor der Akademie für Zahnärztliche

Fortbildung Karlsruhe

Die Krux mit der Evidenz

STATEMENT VON PROF

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WINFRIED WALTHER

Foto: Akademie Karlsruhe

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Politik