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zm

107, Nr. 5, 1.3.2017, (462)

wertet wurden (siehe auch Titelgeschichte

zm 04/2017: „Das ist eine Gefahr für die

Zahnmedizin“) – mit dem Ergebnis, das

von 573 potenziell relevanten wissenschaft-

lichen Arbeiten nur 43 Publikationen zu 35

Studien den strengen Regeln des Institus ge-

nügten und für die Bewertung überhaupt

infrage kamen. Denn – so argumentiert das

IQWiG: keine Evidenz, keine Studien, kein

nachweisbarer Nutzen einer Therpie.

Die KZBV erinnert in ihrer Stellungnahme

deshalb an die Entwicklung der Evidenz-

pyramide – das „Efficiency Gap“, das die

Diskrepanz zwischen der unter standar-

disierten Idealbedingungen erhobenen

Effektivität eines Verfahrens und der unter

Praxisbedingungen tatsächlich existierenden

Effizienz herausstellt. Denn – so argumen-

tiert die KZBV: Das Streben nach höchsten

Evidenzniveaus ist das Eine. Kann dieses

aber nicht erreicht werden, darf das nicht

als fehlende Wirksamkeit eines Verfahrens

fehlinterpretiert werden: „Eine wissen-

schaftliche Bewertung von Gesundheits-

technologien kommt ohne eine Evidenz-

hinterlegung aus klinischen Studien (noch)

nicht aus“, schreibt die KZBV. „Wissen aus

der Versorgung kann dieses bislang nicht

ersetzen.“

‚bestmögliche‘ versus

‚bestverfügbare‘ Evidenz

Dann folgt das ‚Aber‘: Das Paradigma, dass

nur die theoretisch „bestmögliche Evidenz“

als Basis für weitere Ableitungen heran-

gezogen werden kann, teilt die KZBV mit

dem IQWiG nicht: „Studien auf diesem

Niveau sind für klinische Fragestellungen

in kaum einem praktisch-operativen Fach-

bereich – wie der Zahnheilkunde – realisier-

bar. In der Konsequenz müsste allen ent-

sprechenden Fachbereichen ein Nutzen ab-

gesprochen werden“, sagt die KZBV in ihrer

Stellungnahme. Aus diesem Grund ver-

wende die evidenzbasierte Medizin auch

den Begriff „bestverfügbare Evidenz“. „Es

sei auch der forschenden zahnmedizinischen

Community unterstellt, dass sie sich im

Rahmen der bisherigen wissenschaftlichen

Kriterien für klinische Studien und den

ethischen Vorgaben um die Realisierung des

bestmöglichen Studiendesigns bemüht“,

sagt die KZBV.

In der Zahnmedizin werden außerdem

zumeist Studien im Split-Mouth-Design

durchgeführt, bei denen die Kontrolle und

Intervention in

einer

Mundhöhle verglichen

werden, führt sie in ihrer Stellungnahme

aus: „Viele dieser relevanten und qualitativ

hochwertigen Studien werden im Vor-

bericht jedoch mit dem Argument aus-

geschlossen, dass die Abhängigkeit der er-

hobenen Daten unklar ist. Dies ist nicht

nachvollziehbar, da gerade dieses Studien-

design interindividuelle Variabilitäten zum

Beispiel durch unterschiedliches Putzverhal-

ten ausschließt und somit Verzerrungen mi-

nimiert werden. Bekannte und unbekannte

personengebundene Störgrößen werden

quasi gleichmäßig auf ‚Interventions- und

Kontrollgruppen‘ verteilt.“

Bundeszahnärztekammer

bezieht ebenfalls Stellung

Nicht nur die KZBV hat ihre Kritikpunkte

damit kenntlich gemacht. Auch die Bundes-

zahnärztekammer (BZÄK), die DG Paro, die

DGZMK, einzelne KVen, Hochschulen und

Praktiker haben zum Vorbericht des IQWiG

ihre Stellungnahmen eingereicht. Die BZÄK

äußert sich konkret zur „Fragestellung 4 –

Strukturierte Nachsorge“ des Vorberichts.

Ihre Kritik bezieht sich ebenfalls auf die

Methodik: „Vom IQWiG wurden aus-

schließlich RCTs in die Nutzenbewertung

eingeschlossen. Diese sollten eine Nach-

beobachtungszeit von einem Jahr und mehr

aufweisen, um einen mittelfristigen Stabili-

sierungseffekt der Parodontitisbehandlung

bestimmen zu können.“ Aus Sicht der BZÄK

lassen zwei methodische Aspekte ein RCT

bezüglich dieser Fragestellung jedoch als

ungeeignet erscheinen: Erstens sollte die

Studiendauer angemessen zur Fragestellung

festgelegt sein (zum Beispiel zehn Jahre und

länger). Zweitens werden in RCTs, um eine

Es ist gut und richtig, dass evidenzbasierte

Erkenntnisse mehr und mehr zum Maß-

stab für ärztliches Handeln werden.

Nehmen wir beispielsweise die frühe

Nutzenbewertung von neu in den Markt

eingeführten Arzneimitteln. Durch

das Bewertungsverfahren im

Gemeinsamen Bundesaus-

schuss haben wir bereits

zu einem sehr frühen

Zeitpunkt Informationen

über den Stellenwert eines

neuen Arzneimittels imVer-

gleich zum bisherigen thera-

peutischen Standard. Das ist ein

großer Vorteil. Gleichzeitig müssen wir

uns aber auch der Limitationen solcher

Bewertungen bewusst sein. Die Informa-

tionen aus der frühen Nutzenbewertung

stellen sowohl eine Momentaufnahme

als auch lediglich einen Ausschnitt der vor-

liegenden Evidenz dar. Da sie lediglich auf

einer oder mehreren klinischen Studien

mit einer häufig hochselektierten Studien-

population basieren, die im Versorgungs-

alltag so nicht immer anzutreffen ist,

bilden sie anders als evidenzbasierte

Therapieleitlinien die medizinisch-thera-

peutische Realität nicht vollständig ab.

Aber auch um die Frage eines qualitativ-

hochwertigen Versorgungsstandards

müssen wir uns Gedanken

machen. Neue Untersuchungs-

oder Behandlungsmethoden

beispielweise müssen vor

ihrer Einführung in die

vertragsärztliche Versorgung

einer systematischen Evidenz-

bewertung unterzogen werden.

Wenn wir hier strengere Kriterien

anlegen als beispielsweise für die Ver-

sorgung in Selektivverträgen oder bei

Satzungsleistungen der Krankenkassen

so führt dies über kurz oder lang zu

einem unterschiedlichen Versorgungs-

geschehen.

Dr. Andreas Gassen

Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen

Bundesvereinigung (KBV)

Chancen und Grenzen von evidenzbasierten Bewertungen

STATEMENT VON DR

.

ANDREAS GASSEN

Foto: Axentis.de /Lopata

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