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107, Nr. 5, 1.3.2017, (456)
Stellen wir das Fazit an den Anfang. Zusam-
menfassend kann man sagen: In Deutsch-
land liegt die Messlatte zur Zulassung und
Überwachung von Medizinprodukten hoch.
Durch die neue europäische Medizinpro-
dukteverordnung, kurz MDR (engl. Medical
Device Regulation), werden jetzt wichtige
Elemente aus deutschem Recht auch auf
europäischer Ebene eingeführt. Für deutsche
Hersteller dentaler Medizinprodukte wird
sich vermutlich erst einmal gar nicht so viel
ändern – geschweige denn für den Zahn-
arzt, der von der Verordnung quasi gar nicht
betroffen ist. Und doch rumort es in der
Branche. Warum?
„Die Umsetzung der MDR wird eine nicht
unerhebliche Zahl an neuen Aufgaben, die
zur Belastung werden können, für die Her-
steller mit sich bringen“, sagt Gregor Stock,
Leiter des Referats Technik und Recht beim
Verband der Deutschen Dental-Industrie
(VDDI), und meint damit: Die Bürokratie
wird selbstverständlich zunehmen – wie
so oft, wenn Verordnungen aus Brüssel
kommen.
Fast fünf Jahre ist es her, dass die EU-Kom-
mission ihren Entwurf für die neue MDR ver-
öffentlichte. Dann starteten die Verhandlun-
gen mit Parlament und Rat. Das Parlament
gelangte recht schnell zu einem Ergebnis.
Mit über 600 Änderungsanträgen stimmte
es im April 2014 in erster Lesung zu. „Der
Europäische Rat hat dagegen länger ge-
braucht“, weiß Stock, „was sicherlich
auch daran liegt, dass die Interessen von
28 Mitgliedstaaten berücksichtigt werden
mussten.“ Erst Mitte 2016 hat er seine Text-
fassung vorgelegt. Danach folgten noch
die Verhandlungen im sogenannten Trilog
zwischen allen drei EU-Gremien, die im Ok-
tober 2016 mit der Vorlage der konsolidier-
ten Fassung beendet wurden.
„Sichere Produkte werden
nicht noch sicherer“
Dieser konsolidierte Entwurf, den Stock nun
durchgearbeitet hat, ist über 600 Seiten
lang. Seine Einschätzung: „Es ist eindeutig
festzustellen, dass es in allen Bereichen
der neuen MDR im Vergleich zur noch
aktuellen Medizinprodukterichtlinie höhere
Anforderungen an die Hersteller geben
wird.“ Und: „Dies betrifft vor allem eine
deutlich höhere Nachweis- und Dokumen-
tationspflicht, hinsichtlich der technischen
Berichte, der klinischen Bewertungen oder
auch hinsichtlich der Verfolgung und
Beobachtung der Produkte, die schon im
Markt sind.“
Per se sei das nicht schlimm, die Frage, die
sich Stock stellt, ist aber, ob dieser Aufwand
wirklich begründet ist. Dem klaren „Nein!“
folgt: „Das wäre der Fall, wenn die Sicher-
heit der Produkte und die Sicherheit der
Patienten aufgrund dieser Maßnahmen ver-
bessert würden“, sagt Stock, „es ist unbe-
stritten, dass nach dem Skandal um minder-
wertige Brustimplantate eines französischen
Herstellers ein Handeln des Gesetzgebers
notwendig war. Dennoch hätten wir uns eine
differenziertere Betrachtung gewünscht.
Dentale Medizinprodukte haben noch nie
zu Gefährdungen der Patienten geführt, sie
haben weder schwerwiegende Gesund-
heitsbeeinträchtigungen und schon gar
nicht den Tod von Patienten zur Folge, kurz
gesagt, es handelt sich um sehr sichere Pro-
dukte, die täglich zum Wohle der Patienten
beitragen. All die neuen zusätzlichen Anfor-
derungen führen nicht dazu, dass ohnehin
sichere Produkte noch sicherer werden.“
Bei der BZÄK teilt man die Einschätzung des
VDDI. Dr. Jens Nagaba, Leiter der Abteilung
Zahnärztliche Berufsausübung, hat sich
ebenfalls über einen langen Zeitraum mit
dem Entwurf der neuen europäischen
Medizinprodukteverordnung beschäftigt.
Seiner Meinung nach könnte vor allem die
Definition von Nanomaterialien, die dem
Brüssels neue Medizinprodukteverordnung
Sind Nanomaterialien gefährlich?
Die Diskussionen sind beendet, Kompromisse gefunden, Entwürfe überarbeitet – nach
jahrelangen Verhandlungen in Brüssel kann die neue europäische Medizinprodukte-
verordnung endlich in Kraft treten. Endlich? Weder der Verband der Deutschen Dental-
Industrie noch die Bundezahnärztekammer brechen in Jubelgeschrei aus.
Der Kompromiss sieht so aus, dass die pauschale Höherstufung aller dentalen Produkte, die Nanomaterialien enthalten beziehungsweise freisetzen
können, in die höchste Risikoklasse modifiziert wurde. Die genaue Definition des Expositionsrisikos steht allerdings noch aus.
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