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107, Nr. 5, 1.3.2017, (482)
Bedingungen, unter denen die Forschung
stattfinden kann, geändert haben.
Die Trias von „Forschung, Lehre und
Krankenversorgung“, die so im Logo und
in der Reihenfolge an vielen Standorten
das Motto darstellt, wird nicht mehr einge-
halten. Oft sind die Belastungen in Lehre
und Krankenversorgung so hoch, ohne dass
Freiräume für Forschung fest eingerichtet
sind. Die aktive Beschäftigung mit wissen-
schaftlichen Fragestellungen wird auf die
Abend- und Wochenendzeit verschoben.
Viele der Beiträge auf den AfG-Jahres-
tagungen stammen aus solch einer „Feier-
abendforschung“.
Nicht nur in der Medizin, sondern auch
in der Forschung haben die Betriebswirte,
die in regelmäßig steigender Zahl an den
Universitätseinrichtungen anzutreffen sind,
einen sehr großen Einfluss gewonnen und
dominieren mit dem Versuch, die „Leistung“
auch hier zu quantifizieren.
Geforscht wird nur, was
Impact-Punkte bringt
Die Höhe der zugeteilten Forschungsetats ist
eng verknüpft mit den „Impact-Faktoren“,
die mit den Publikationen erzielt werden.
An manchen Standorten gibt es überhaupt
keine bedingungslose Grundausstattung
mehr, so sind viele Forscher gezwungen,
nach möglichst hohen „Impact-Faktoren“
zu streben, obwohl sich die Scientific Com-
munity weltweit einig ist, dass dies kein pro-
bates Mittel ist, die Qualität der Forschung
festzustellen. Für wissenschaftliche Karrieren,
seien es Habilitationen oder Berufungen,
werden vielerorts wider besseren Wissens
immer wieder Impact-Factoren heran-
gezogen. Gezwungenermaßen richten die
Kollegen ihre Aktivität danach aus, wie sie
rein quantitativ überzeugen können. An
entscheidenden Stellen wird oft nicht ge-
lesen, was geschrieben wurde. Stattdessen
werden Punkte aufsummiert. Nicht mehr
die wissenschaftliche Neugier steht im Vor-
dergrund, sondern es wird vor allem das be-
arbeitet, was in absehbarer Zeit friktionsarm
und effektiv publikabel ist, also Punkte
bringt. Wenn Quantitäten ohne Inhalt im
Vordergrund stehen, wird der fachliche Aus-
tausch sekundär.
Wer zur AfG-Jahrestagung kommt, wird da-
gegen Zeuge eines regen fachlichen Aus-
tauschs. Dies hält auch die Teilnehmer nicht
ab, nach Mainz zu kommen, von denen vie-
le erstaunlicherweise ihre Reisekosten für die
Kongressteilnahme nicht von ihren Dienst-
stellen erstattet bekommen, an manchen
Standorten muss sogar Urlaub genommen
werden, um eine Tagung zu besuchen.
Die Vorsitzenden der AfG tragen die Idee
der Gründungsväter weiter, die ein Forum
für den freimütigen Gedankenaustausch
aller Wissenschaftler geschaffen haben,
das für jeden Teilnehmer einen wirklichen
Gewinn für eigene Forschungsvorhaben
darstellt, überregionale und fachübergrei-
fende Kooperationen fördert und Kennt-
nisse für den Unterricht für Dozenten und
Studenten ermöglicht. So stand es im
Bericht über die erste Jahrestagung – und
so soll es bleiben!
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Die 50. Jahrestagung der AfG findet am
11./12. Januar 2018 in Mainz statt.
Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski
(1. Vorsitzender der AfG)
PD Dr. M. Wolf (2. Vorsitzender der AfG)
Dr. A. Voigt (Schriftführer der AfG)
Prof. Dr. Dr. Ralf J. Radlanski
Charité – Campus Benjamin Franklin at Freie
Universität Berlin
Center for Dental and Craniofacial Sciences
Dept. of Craniofacial Developmental Biology
Aßmannshauser Str. 4–6
14197 Berlin
ralfj.radlanski@charite.deInteressant ist, dass sich die deutsche Zahn-
medizin durch gute Grundlagenforschung
auszeichnet, ohne dass ein größerer Teil
der Ergebnisse, wie früher meist üblich, zu
den Jahrestagungen der AfG präsentiert
wird.
Eine Ursache hierfür könnte sein, dass der
wissenschaftliche Nachwuchs heute deut-
lich stärker gefordert ist, seine Resultate im
Rahmen von internationalen Publikationen
vom weltweiten Reviewer-Kollegium kritisch
bewerten zu lassen. Das blockiert wahr-
scheinlich, aufgrund der wachsenden
Anforderungen in Lehre und Klinik, die
meisten der früher „freien Valenzen“, unter
anderem auch Tagungen zu besuchen.
Herr Kollege Radlanski bestätigt, dass die
wissenschaftliche Laufbahn heute nicht
unbedingt nur davon abhängt, wie oft
und gut jemand seine Ergebnisse vorträgt,
sondern vor allem wie hochwertig er diese
veröffentlichen kann. Neben den Publika-
tionen mit möglichst hohem Impactfaktor
werden aber zunehmend auch gut vernetzte
und möglichst finanziell hochdotierte Dritt-
mittelprojekte gefordert, die dann idealer-
weise auch noch zu den Forschungs-
schwerpunkten der Medizinischen Fakultät
am jeweiligen zahnmedizinischen Standort
passen sollten.
Zur Vernetzung der Wissenschaftsstandorte
und vor allem zur Erhöhung der DFG-Kom-
petenz in der Zahnmedizin könnte die AfG
insgesamt einen noch stärkeren Beitrag
leisten. Denn um sich wissenschaftlich zu
vernetzen, muss man sich kennen und vor
allem auch wissen, in welchen Bereichen an
den einzelnen Standorten geforscht wird.
Wenn die Leitung der AfG speziell diesen
Aspekt stärker in den Fokus nimmt, insbe-
sondere durch eine entsprechende Profilie-
rung, dann wird die Attraktivität dieses Po-
diums für den wissenschaftlichen Nach-
wuchs deutlich steigen.
Die „Alte AfG“ müsste in diesem Sinn neue
Wege beschreiten, dann könnte sie per-
spektivisch zu einer modernen Plattform
zur Etablierung wissenschaftlicher Netz-
werke in der Zahnmedizin avancieren.
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Univ.-Prof. Dr. Dr. B. W. Sigusch
Direktor der Poliklinik für
Konservierende Zahnheilkunde und
Parodontologie des Universitätsklinikums
Jena
„Die alte AfG müsste neue Wege beschreiten!“
K
OMMENTAR VON
B
ERND
W. S
IGUSCH
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Zahnmedizin