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zm

107, Nr. 9, 1.5.2017, (1037)

Man mag es kaum glauben, aber die un-

endlich scheinende Geschichte der elektro-

nischen Gesundheitskarte und der Telemati-

kinfrastruktur (TI) verlässt nun das Land

Phantásien (aus Michael Endes „Die unend-

liche Geschichte“) und steht kurz davor, in

der Versorgungsrealität anzukommen. Da-

mit hätte die gematik in ihrer 12-jährigen,

an Pannen, Querelen und vor allem Zeitver-

zögerungen reichen Geschichte, tatsächlich

das vom Gesetzgeber vorgegebene Ziel er-

reicht, zum Juli diesen Jahres mit dem

Online-Rollout zur Telematikinfrastruktur zu

starten und so den Onlineabgleich und die

Aktualisierung der Versichertenstammdaten

zu ermöglichen. Gelingt dieses, und daran

sollte nicht zu zweifeln sein, wird den Ge-

sellschaftern der gematik mehr als ein Stein

vom Herzen fallen. Denn damit wären die

massiven, seitens des Gesetzgebers ange-

drohten Haushaltssanktionen vom Tisch.

Was jedoch nichts an dem Umstand ändert,

dass trotz des enormen Drucks aus dem

BMG bei Nichterreichung des vorgenann-

ten Zieles die Ministerialen wissend und

sehenden Auges die Falschen prügeln wür-

den. Denn KZBV, KBV und der Spitzenver-

band Krankenkassen hätten mit erheblichen

Haushaltskürzungen das ausbaden müssen,

was seitens der Industrie nicht realisiert wer-

den konnte: nämlich rechtzeitig das Herz-

stück der Telematikinfrastruktur, die zertifi-

zierten Konnektoren, zu liefern.

Genau daran drohte der letzte große Test

vor dem geplanten Online-Rollout auch zu

scheitern, da in einer der beiden Testregio-

nen, nämlich der Region Südost, die betrau-

te T-Systems keine funktionsfähigen Kon-

nektoren zur Verfügung stellen konnte. Da

aber der Testbetrieb in der Region Nord-

west mit dem Konnektor der CompuGroup

Medical AG (CGM) den Testbetrieb erfolg-

reich bestreiten konnte, entschlossen sich

die Gesellschafter, den Online-Rollout ab

Juli zu starten.

Soweit so gut. Doch das Ganze – wie soll es

im Gesundheitswesen auch anders sein –

hat einen nicht ganz kleinen Haken. Denn

zum Start des Rollouts im Juli wird nur und

ausschließlich der Konnektor der CGM ver-

fügbar sein. Frühestens Anfang 2018 rech-

net man mit einem zertifizierten Konkur-

renzprodukt. Was letztlich nichts anderes

bedeutet, als dass CGM solange den Preis

bestimmen kann, bis der erste Konkurrenz-

konnektor zertifiziert und lieferfähig am

Markt sein wird. Dieser soll bis zu 1.000

Euro günstiger sein als das CGM-Produkt.

Wohlgemerkt soll. Und nun stellen Sie sich

einmal die Vertreter der Krankenkassen vor,

die aus Preisverhandlungen mit der Phar-

maindustrie gewohnt sind, den längeren

Spieß in der Hand zu haben und mit ihrer

enormen Nachfragemacht den Preis, sagen

wir mal so, „wirksam im eigenen Sinne be-

einflussen zu können“.

Das ist die Situation, in der die zahnärztliche

und ärztliche Selbstverwaltung eine Finan-

zierungsvereinbarung für Kosten der Aus-

stattung inklusive Hardware und der Be-

triebskosten wie vom Gesetzgeber gefor-

dert zu treffen hatten. Natürlich wiederum

mit einer Frist belegt.

Während die KZBV zeitgerecht eine Verein-

barung mit den Kassen erzielen konnte

(siehe Seite 18), ist die KBV noch im Clinch

mit den Kassen. Ende April soll das Bundes-

schiedsamt entscheiden. Es geht um die

volle Übernahme der Kosten für den Kon-

nektor durch die Kassen. Bekanntermaßen

wird nichts so heiß gegessen, wie es ge-

kocht wird. Denn auch CGM muss die

Vielzahl seiner Softwareanwender im Blick

behalten. „Mondpreise“ für den Konnektor

und rigides Marktgebaren, was letztlich als

erhebliche Zusatzkosten bei den Praxisinha-

bern hängen bleiben würde, sind nicht zu-

träglich fürs weitere Geschäft des Software-

riesen. Vielleicht wird die Vereinbarung der

KZBV ja als Maßstab herangezogen, die ver-

traglich Pauschalen für Ausstattungs- und

Betriebskosten vereinbart hat, deren Höhe

durch eine separate Vereinbarung im Nach-

gang bestimmt werden. Ob seitens der

KZBV eine salomonische Vereinbarung ge-

schlossen wurde, werden die nächsten

Monate zeigen. Der Ovid zugeschriebene

Aphorismus lautet im übrigen so: Was

lange währt, wird endlich gut. Wir werden

sehen...

Foto: zm-Axentis.de

TI Rollout – Was lange währte, ist endlich gut?

Dr. Uwe Axel Richter

Chefredakteur

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Editorial