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zm

107, Nr. 9, 1.5.2017, (1040)

Dr. Peter Engel

Präsident der Bundeszahnärztekammer

Foto: BZÄK-Axentis.de

Der Entwurf trifft gerade uns,

die wir die Verantwortung

für die Gesundheit der Bevölkerung

tragen.

Mit dem Dienstleistungspaket, das die EU-

Kommission im Januar präsentiert hat, soll

die Konjunktur des Europäischen Binnen-

markts belebt werden. Angekurbelt werden

soll auch die Gesundheitswirtschaft mit

ihren Leistungen. Ein Teil des geplanten

Pakets ist die Prüfung der Verhältnismäßig-

keit von neuen oder geänderten Berufsre-

geln. Aus zahnärztlicher Sicht ist dies der

wichtigste Teil. Und der problematischste,

was die Auswirkungen für die Gesundheits-

berufe angeht: Die Kommission schlägt vor,

dass die Mitgliedsstaaten detailliert (elf

Prüfkriterien mit jeweils zehn Unterpunk-

ten!) die Verhältnismäßigkeit von Berufs-

regeln darstellen, noch bevor diese erlassen

werden. Sie will mit dieser Maßnahme ver-

meintlich überflüssige nationale Regulierun-

gen verhindern, weil diese aus ihrer Sicht

das Wirtschaftswachstum in Europa aus-

bremsen.

Wer jetzt als Zahnarzt denkt, das geht mich

alles nichts an, liegt falsch. Denn betroffen

sind Regeln zur Gefahrengeneigtheit einer

beruflichen Tätigkeit, Ausbildungsanforde-

rungen sowie Regelungen zur Fortbildungs-

pflicht und Mitgliedschaften in Kammern

und Verbänden. Ebenso tangiert sind das

Satzungsrecht der Zahnärztekammern und

das Berufsrecht.

Mit welchen Folgen rechnen wir? Nun, die

EU-Pläne würden zu einer umfangreichen

Begründungspflicht mit erheblichem Ver-

waltungsaufwand und Kosten führen –

nicht nur für die Mitgliedsstaaten, sondern

auch für die Berufsorganisationen. Selbst

dann, wenn es nur um geringfügigen

Anpassungen des Berufsrechts geht, wie es

etwa bei Änderungen in der Fort- und Wei-

terbildung der Fall ist. Die wettbewerbliche

Sicht auf den Gesundheitsbereich ist über-

dies grundfalsch. Und grundgefährlich,

denn sie wird der besonderen Schutzwür-

digkeit der Gesundheit und der Bevölke-

rung nicht gerecht. Schaltet man dem

Erlass einer neuen Berufsregel dann noch

einen Begründungsprozess vor, gerät die

die Umsetzung in Stocken. Und für die

Bevölkerung wäre es ganz klar negativ,

wenn etwa patientenschützende Normen

nur verzögert wirken. All das greift also ein

in die Berufsausübung des einzelnen Zahn-

arztes.

Die BZÄK hatte den Vorstoß aus Brüssel

sofort aufs Schärfste kritisiert, denn die

Kommission stellt hier Berufsregeln unter

den Generalverdacht, Wirtschaftsbremser

zu sein. Abgesehen davon, dass das nicht

stimmt, können und dürfen ökonomische

Aspekte einfach nicht der alleinige Maßstab

für nationales Berufsrecht sein. Schließlich

schützen Berufsregeln die öffentliche

Gesundheit und die der Patienten und

sichern die Qualität der Versorgung. Die Er-

bringung von Gesundheitsdienstleistungen

nimmt deshalb eine Sonderstellung ein, sie

unterscheidet sich substanziell von der Er-

bringung anderer, wirtschaftlich orientierter

Dienstleistungen.

Mit unserer Kritik stehen wir nicht allein. Bun-

destag und Bundesrat sehen das EU-Paket

ebenfalls kritisch und haben bereits eine so-

genannte Subsidiaritätsrüge gegen den Ver-

hältnismäßigkeitstest erhoben. Ähnliche Re-

aktionen gibt es in Frankreich und Spanien.

Wir Zahnärzte arbeiten im engen Schulter-

schluss mit weiteren Verbündeten, um die

Politik für die Fallstricke der EU-Pläne zu

sensibilisieren. Die BZÄK hat vor Kurzem

zusammen mit der BÄK, der KBV, der ABDA

und der Bundespsychotherapeutenkammer

einen Brief und eine Stellungnahme an

alle Abgeordneten des EU-Parlaments ver-

schickt. Die deutschen Heilberufe erachten

das Vorhaben der Kommission als unver-

hältnismäßig. Die Mängel des Entwurfs

treffen besonders uns – die Berufe nämlich,

die die Verantwortung für die Gesundheit

der Bevölkerung tragen.

Die deutschen Heilberufe fordern, dass die

Kommission die Kompetenz der Mitglieds-

staaten für Berufsregulierung und deren

Beurteilungsspielraum anerkennt. Wir for-

dern insgesamt, die Gesundheitsberufe aus

dem Verhältnismäßigkeitstest herauszuneh-

men. Es sollte auch eine Kohärenz zur

Dienstleistungs- und zur Verbraucher-

schutzrichtlinie geschaffen werden, denn

dort wird man der besonderen Rolle der

Gesundheitsberufe bereits gerecht.

Der Schulterschluss mit Verbündeten macht

stark: Das hat sich immer wieder auch in

der EU-Politik als positiv bewiesen. In die-

sem Sinne werden wir uns für die Kollegen-

schaft weiter engagiert einsetzen.

Was die EU damit kaputt machen wird

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Leitartikel